Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Am Abgrund
Bayern will Schadenersatz für Kursverluste – Volkswagen droht Klagewelle
NÜRNBERG (dpa) - Der Diesel-Skandal ließ den Aktienkurs von Volkswagen einbrechen. Viele Anleger klagen deswegen auf Schadenersatz. Mit Bayern will nun auch ein Bundesland Geld von dem Autobauer. Wichtiger als die Zahl ist aber das Signal aus dem Freistaat, denn es bringt die Politik in Zugzwang.
Wie andere klagende VW-Anleger geht Bayern davon aus, dass VW zu spät über die Risiken des AbgasBetrugs informiert hat. Volkswagen hatte bislang alle Anlegerklagen als unbegründet zurückgewiesen und betont, man habe alle Mitteilungspflichten ordnungsgemäß erfüllt.
Anders als in anderen, teils milliardenschweren Anlegerklagen geht es im Fall Bayern um vergleichsweise wenig Geld: Der Schaden aus den VW-Kursverlusten in dem Pensionstopf, den Bayern vor Gericht als Dienstherr seiner Beamten geltend machen will, liegt nicht einmal im Millionenbereich. Damit verknüpft ist aber ein politisches Signal.
„Bayern muss Volkswagen verklagen“, sagte Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU). „Der Pensionsfonds wird noch im September beim Landgericht Braunschweig Klage auf Schadenersatz einreichen.“Söder sagte weiter: „Wir sind da auch rechtlich in der Verpflichtung für unsere Beschäftigten.“
Hintergrund der Klage seien die Wertverluste der VW-Aktien, nachdem der Skandal im September 2015 bekannt wurde. Zwischenzeitlich hatte die VW-Vorzugsaktie mehr als 40 Prozent an Wert verloren. Bayern hielt in seinem milliardenschweren Fonds im September 2015 rund 58 000 VW-Vorzugsaktien. Söder sagt: „Durch den Verstoß gegen Mitteilungspflichten seitens VW musste auch der Bayerische Pensionsfonds einen Kursdifferenzschaden hinnehmen. Das Geld wollen wir von VW zurückhaben. Konkret geht es um maximal 700 000 Euro.“
Klage setzt Hannover unter Druck Die Klage aus Bayern setzt auch Niedersachsen als VW-Land unter Druck: Das Bundesland mit seiner Koalition aus SPD und Grünen ist nach der Großfamilie Porsche/Piëch zweitgrößter Aktionär bei VW, sitzt im Aufsichtsrat des Autobauers und hält dort ein Vetorecht. Auch für Niedersachsen stand das Für und Wider einer Klage schon auf der Agenda. Doch auch nach der Klageankündigung Bayerns gegen den Autobauer sieht Niedersachsen keine Notwendigkeit für eigene juristische Schritte. „Da warten wir ab, was die Staatsanwaltschaft tut“, sagte Niedersachsens Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD).
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig prüft noch, ob VW im Zuge des Abgas-Skandals Mitteilungspflichten verletzte und ermittelt wegen möglicher Marktmanipulation seit Juni gegen Ex-VW-Boss Martin Winterkorn und den amtierenden VW-Markenchef Herbert Diess. Niedersachsen ist eng mit VW verbunden, jeder fünfte Job des Konzerns mit seinen gut 610 000 Mitarbeitern entfällt auf das Land.