Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Dunkel ist die Nacht der Liebe
„Ring“und „Tristan“in Bayreuth: Ovationen fürs Ensemble, Buhs für die Regie
BAYREUTH - Die erste Festspielwoche ist in Bayreuth nach „Parsifal“, „Holländer“und den „Ring“-Vorstellungen mit „Tristan und Isolde“zu Ende gegangen. Musikalisch sind sowohl der „Ring“als auch „Tristan“unter Marek Janowski und Christian Thielemann und durchweg überzeugenden Sängerbesetzungen glänzend. Für die Inszenierungen gilt das nicht durchgängig.
In „Siegfried“und „Götterdämmerung“werden altersschwache Campingliegen durch den Raum gepfeffert, dass es so seine Art hat. Im „Tristan“herrschen Metall, Dunkelheit und diffuses Licht vor. Frank Castorf schickt seine Protagonisten auf Treppen zu einem Mount Rushmore mit Idolen des Kommunismus, in einen Ostberliner Hinterhof und an die New Yorker Börse. Katharina Wagner spiegelt die schicksalhaften Verstrickungen der berühmten Liebenden im Bühnenbild von Frank Philipp Schlössmann.
Es wird eng auf der Bühne Die Richard-Wagner-Festspiele sind eine große Strapaze. Und doch verwundert immer wieder, mit welcher Bravour die Künstlerinnen und Künstler das alles bewältigen. Catherine Foster zum Beispiel: In der „Walküre“wird sie als Brünnhilde in einen tiefen Schlaf versetzt und erwacht im dritten Aufzug von „Siegfried“zu einem „Heil dir, Sonne“, um mit ihrem Helden zu einem rauschhaften Liebesgesang anzuheben. Anschließend muss sie noch die Kränkungen der „Götterdämmerung“durchmachen. Sie meistert die riesige Partie mit Leuchtkraft und (allerdings vibratoreicher) Leidenschaft. Sie schont sich nicht, muss aber in Kauf nehmen, dass die Stimme zuletzt in der Tiefe wegbricht.
Wie im vergangenen Jahr ist Stefan Vinke über die beiden Abende ein kraftvoller, höhensicherer und beweglicher Siegfried mit großen Reserven für die langen Schmiedelieder im „Siegfried“und die so vieles rekapitulierende Erzählung im Finale des „Rings“. John Lundgren begibt sich nochmals als Wotan auf Wanderschaft. Mit Präsenz, großer Stimme und schauspielerischer Intensität (hier haben Castorfs Live-Videos auch etwas für sich) macht er den Abstieg des Göttervaters zum Verlierer deutlich.
Mit dunkler Glut imponiert wieder Nadine Weissmann als Erda, die Rheintöchter und Nornen klingen erfreulich harmonisch. Das Trio der finster intriganten Gibichungen in der „Götterdämmerung“bilden Markus Eiche als Gunther und Allison Oakes, gemeinsam mit dem kurzfristig eingesprungenen Albert Pesendorfer als Hagen. Intensiv gestaltet auch Marina Prudenskaya die Partie der warnenden Waltraute. In der „Götterdämmerung“drängt sich der prächtige Chor um die Dönerbude, in der Castorfs Regieassistent Patric Seibert, das Faktotum für niedere Aufgaben während aller vier Abende, seiner zweifelhaften Beschäftigung nachgeht. Castorfs Bilderflut ist zwar inzwischen vertrauter, doch weiterhin anstrengend und redundant. Ach ja, fünf Krokodile tummeln sich inzwischen auf dem Alexanderplatz zum überschäumenden Liebesduett in „Siegfried“– langsam wird es eng auf der Bühne.
Nur die Emotionen zählen Nach all diesem trashigen Treiben wirkt der „Tristan“in der Regie von Katharina Wagner zwar dunkel und düster, doch fast klinisch rein in den blanken Metallgestängen der Treppenkonstruktion im ersten und der klaustrophobisch anmutenden schwarzen Zelle im zweiten Aufzug.
In gewisser Weise kühn ist die Entscheidung, all das Ringen um Todestrank und Liebestrank auszublenden: In einem steten Spiel von Händen und Blicken wird das Fläschchen ausgegossen, allein die Emotionen zählen: Das hat etwas Magisches. Zum „O sink hernieder“im zweiten Aufzug mag man sich natürlich auch hier fragen, warum Katharina Wagner die sinnlichste Musik und die verschlungensten Verse ihres Urgroßvaters in solche Finsternis verbannt.
Die unendlichen Fieberträume Tristans begleiten Erscheinungen von Isoldes rotmähnigen Doppelgängerinnen, sie selbst taucht ebenso aus dem Nichts auf wie die senfgelben Herren um König Marke. Wenn dieser seine wie tot über Tristan zusammengesunkene Frau dann nach draußen zerrt, wird es um diese Beziehung zukünftig wohl schlecht stehen.
Christian Thielemann zelebriert die Musik im verdeckten Orchestergraben als großes, atmendes, raunendes, blühendes Gewächs mit herrlichen Steigerungen und auch kammermusikalischer Intimität. Er trägt die Stimmen auf einer wogenden Klangwelle. Und er hat große Sänger zu führen: Petra Lang, früher selbst Brangäne und gefährlich lodernde Ortrud im „Lohengrin“, geht in ihrem Debüt als Isolde nun mit in der Tiefe dunkler Glut ins hochdramatische Fach.
Stephen Gould imponiert als Tristan mit intensiven Spitzentönen, Feuer, Innigkeit und raumgreifender Intensität. Claudia Mahnke sprang als Brangäne am Premierentag kurzfristig für Christa Mayer ein, souverän und mitlebend mit ihrer Herrin. Und wieder verströmt Georg Zeppenfeld als König Marke Wohllaut mit rundem, vollem Bass bei großer Textdeutlichkeit – eigentlich singt er viel zu nobel für solch einen immer wieder mal das Klappmesser zückenden Gekränkten.
Katharina Wagner zeigte sich mit ihrem Team zu einem kurzen Buh- und Beifallssturm, Frank Castorf am Ende seines „Rings“gar nicht. So kamen Sängerinnen, Sänger und Dirigenten zu ihren verdienten Ovationen.