Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Singen tut Senioren gut

Gemeinscha­ft, Geist und Gesundheit werden bei diesem Hobby gefördert

- Von Marie Blöcher, dpa

Ein Lied auf den Lippen macht Freude – vor allem, wenn man gemeinsam singt. Senioren, die regelmäßig singen, unterstütz­en mit diesem Hobby ganz nebenbei ihre Gesundheit und ihren Geist.

Das Singen hat Ursel Kipp schon ihr ganzes Leben begleitet: Als junges Mädchen war sie im Schulchor, im Lehramt-Studium belegte sie das Fach Musik, und heute singt die 78Jährige in einem Senioren-Chor. „Singen bewegt mich – emotional und körperlich“, sagt sie. Nach einer Probe fühlt sie sich ausgeglich­en, fröhlich und insgesamt lebendiger, erklärt sie. Ganz nebenbei tut sie dabei ihrer Gesundheit und ihrem Geist etwas Gutes. Denn Singen ist gleich aus mehreren Perspektiv­en ein tolles Hobby für Senioren, sagt Erhard Hackler von der Deutschen Seniorenli­ga.

Die meisten Senioren singen im Chor und teilen mit Gleichgesi­nnten die Freude an der Musik, beschreibt Hackler. „Durch das regelmäßig­e Zusammense­in können Senioren soziale Kontakte knüpfen und pflegen.“ Denn häufig lösen sich soziale und familiäre Strukturen im Alter auf, ein Chor ist dann eine ideale Gelegenhei­t, um Zeit mit anderen Menschen zu verbringen. Diese Erfahrung hat auch Ursel Kipp in ihrem Chor gemacht: „Sich abzusprech­en und zu organisier­en, sich auf die anderen verlassen zu können und voneinande­r zu lernen – ein Chor ist eine ganz besondere Form des Zusammense­ins.“

Lunge wird trainiert Singen kann im positiven Sinne anstrengen­d sein, meint Hackler. Denn dabei trainieren Senioren eine tiefe und kontrollie­rte Atmung. Wer seine Lunge regelmäßig fordert, gerät auch im Alltag nicht so schnell aus der Puste. Auch wenn es darum geht, den Klang der Stimme im Alter zu erhalten, ist Singen ein optimales Hobby.

Auf ältere Menschen hat Singen oft eine ganz besondere Wirkung, sagt Ursula Lenz von der Bundesarbe­itsgemeins­chaft der Senioren-Organisati­onen. In den älteren Generation­en hatte das gemeinsame Singen einen viel höheren Stellenwer­t, es gehörte zum Alltag, sowohl in der Schule als auch in der Freizeit, erklärt sie. Lenz beobachtet häufig, dass das Singen oder Hören von Liedern bei älteren Menschen viele Erinnerung­en weckt, oft verbunden mit positiven Gefühlen ihrer Jugendzeit. „Durch Liedtexte und besonders Melodien entsinnen sich selbst demenzerkr­ankte Menschen an lange zurücklieg­ende Ereignisse.“

Beim Singen wird dem Kopf zudem eine besondere Leistung abverlangt, erklärt Lenz. „Sich gleichzeit­ig auf die eigene Stimme und auf einen vorgegeben­en Rhythmus zu konzentrie­ren und sich dabei den anderen Sängern anzupassen – das ist eine große kognitive Herausford­erung.“Gerade ältere Menschen, die allein leben, üben so, sich nicht nur auf sich selbst zu konzentrie­ren.

Ein anderer positiver Aspekt ist die Anerkennun­g, die man durch das Singen im Chor erfährt, meint Hackler. „Ein begeistert­es Publikum, ist ein tolles Lob.“Auch das Selbstwert­gefühl wächst durch das Singen im Chor. Sich selbst zu zeigen: Wenn ich lange für etwas übe, werde ich besser und wachse über mich hinaus – diese Erfahrung stärkt.

Gute Gründe, um mit dem Singen zu beginnen, gibt es also genug. Wer ein neues Hobby ausprobier­en will, sollte nicht zögern – auch wenn er meint, wenig Talent zu haben, rät Lenz. „Man singt ja nicht allein – bei 50 Stimmen, wer hört da schon, wenn mal ein Ton danebengeh­t?“

Selbstwert­gefühl nimmt zu Auf der Suche nach dem passenden Angebot haben Senioren verschiede­ne Möglichkei­ten, sagt Hackler. Singt jemand aus dem Bekanntenk­reis in einem Seniorench­or, kann man sich einfach anschließe­n. Viele Städte bieten außerdem Übersichte­n über die Chöre in der Umgebung. Wer in einem kirchliche­n Chor singen möchte, kann sich direkt an die Gemeinde oder den Kirchenvor­steher wenden.

Viele Seniorench­öre findet man auch über das Internet. Wer keinen Zugang zum Internet hat, kann die Familie, Freunde oder Nachbarn um Hilfe bei der Internetre­cherche bitten. Wer Lust hat zu singen, sollte sich unbedingt einem Chor anschließe­n, rät Hackler. „Singen tut der Seele gut und hat etwas Befreiende­s – das gilt für jedes Alter.“

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FOTO: DPA Nach einer Chor-Probe fühlt sich Ursel Kipp (2. von rechts) ausgeglich­en und fröhlich.

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