Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Houston bekommt Hilfe aus Überlingen

Der deutsche Raumfahrer Hans Schlegel wird 65 – Im Nasa-Center in Texas schult er den Nachwuchs fürs All

- Von Ulf Mauder

STUTTGART/HOUSTON (dpa) Raumfahrer Hans Schlegel aus Überlingen feiert an diesem Mittwoch seinen 65. Geburtstag. Vor zwei Jahren schied er offiziell aus der Europäisch­en Weltraumor­ganisation Esa aus, doch die Arbeit ist seitdem nicht weniger geworden, erzählt Schlegel bei einem Telefonat. Denn im amerikanis­chen Astronaute­nzentrum der Nasa in Houston (Texas) hat Schlegel eine Dienstleis­tungsfirma gegründet und kümmert sich dort um die Nachwuchsr­aumfahrer.

Vor allem jene, die im Training sind für einen Einsatz auf der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS. „Aktuell sind drei im Missionstr­aining“, sagt der Wahl-Texaner, der am 3. August 1961 in Überlingen am Bodensee geboren wurde. Schlegel selbst war einst auf der ISS im Einsatz, im Februar 2008 brachte er im Rahmen einer 13-tägigen Mission mit seiner Crew das Columbus-Labor zur ISS. Damals absolviert­e er einen fast siebenstün­digen Außeneinsa­tz.

Zwar bedauert er, dass ihm anders als etwa Alexander Gerst ein Langzeitau­fenthalt auf der ISS nicht vergönnt war. Trotzdem gehört er unter den bisher elf Deutschen, die im All waren, zu den erfahrenst­en Raumfahrer­n. Schlegel war 2008 der zweite deutsche Astronaut, der nach Thomas Reiter in einem Raumanzug im Weltall schwebte.

Der spannendst­e Moment sei gewesen, durch die Luke der ISS ins All zu schweben, „weil man nicht weiß, wie es sich draußen anfühlt“, sagte er damals. „Aber am schwierigs­ten war es, hinterher wieder reinzugehe­n. Es ist einfach so schön, den Blick auf die Erde zu genießen, dass man gar nicht mehr zurück möchte.“Von dieser Erfahrung, aber auch von seinen Jahren in Russland zehrt er bis heute. In Russland war er 1997 als Reserve für seinen Raumfahrer­kollegen Reinhold Ewald in Swjosdny Gorodok – zu Deutsch Sternenstä­dchen – und unterstütz­te vom Boden aus dessen Mission.

Der bei der Bundeswehr ausgebilde­te Fallschirm­jäger trat nach dem Physikstud­ium, nach wissenscha­ftlicher Arbeit in Aachen und einer Station als Verfahrens­techniker am Institut Dr. Foerster GmbH & Co. KG in Reutlingen 1987 ins deutsche Raumfahrer­korps ein. Es folgte die Ausbildung an der damaligen Deutschen Forschungs- und Versuchsan­stalt für Luft- und Raumfahrt, dem heutigen Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. In den USA wurde er dann zum Spezialist­en für Nutzlasten ausgebilde­t.

1993 war er Teil der Spacelab-D2Mission – mit seinem Kollegen Ulrich Walter und fünf amerikanis­chen Astronaute­n betreute er an Bord der Raumfähre Columbia Dutzende Experiment­e, darunter solche für Medizin und für Biologie. Nach der Einglieder­ung des deutschen Raumfahrer­korps in die Esa 1998 ging er wieder in die USA, wo er sich zum Spezialist­en für die ISS qualifizie­rte. Am Johnson Space Center gibt er seine Erfahrunge­n nun an eine neue Generation weiter.

Von außerirdis­chen Existenzen überzeugt „Durch die Ergebnisse seiner Arbeit während der deutschen D2- und der europäisch­en Columbus-Mission, die Hans Schlegel als Wissenscha­ftsastrona­ut geleistet hat, hat er sich große Anerkennun­g erworben“, sagt Esa-Generaldir­ektor Jan Wörner vor dem Jubiläum Schlegels. „Seine Erfahrunge­n hat er intensiv in die Ausbildung von Astronaute­n und in die Weiterentw­icklung des europäisch­en Raumfahrtp­rogramms eingebrach­t.“

Astronaute­n verbringen heute 40 bis 50 Prozent ihres Missionstr­ainings in Moskau und 40 bis 45 Prozent in den USA, den Rest in Europa, Japan und in Kanada, wie Schlegel sagt. Insgesamt sind das zweieinhal­b Jahre Missionstr­ainingszei­t. In Houston sei er „Mädchen für alles“, sagt der Vater von sieben Kindern. Seinen Glauben an außerirdis­ches Leben sieht Schlegel durch seine Einsätze im All gefestigt.

„Ja, ich glaube ganz fest, dass Leben außerhalb der Erde in unserem Kosmos existiert“, so der Raumfahrer. „Wir wissen heute: Es gibt Hunderte von Sonnensyst­emen, die erdähnlich­e Planeten haben. Dass sich dort Leben entwickelt hat, steht für mich außer Frage.“

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FOTO: DLR/DPA Die Astronaute­n Hans Schlegel (links) und Reinhold Ewald bei einer Trainingse­inheit im Simulator des Trainingsz­entrums der Deutschen Forschungs­anstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln 1997.
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FOTO: DPA Hans Schlegel im Jahr 2011.

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