Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Auch eine Enteignung ist kein Tabu mehr
Stadt Biberach will für einen besseren Hochwasserschutz alle rechtlichen Mittel prüfen
BIBERACH - Die Stadt Biberach ist entschlossen, für einen verbesserten Hochwasserschutz auch die Enteignung von dafür benötigten Grundstücken in Betracht zu ziehen. Dies sagte Baubürgermeister Christian Kuhlmann am Montagabend bei einer Infoveranstaltung zu den Hochwasserereignissen in Bachlangen und im Röhrenöschle. Rund 130 Besucher waren dazu ins Heinz-H.Engler-Forum gekommen.
Sowohl in Bachlangen als auch im Röhrenöschle will die Stadt in den nächsten Monaten Sofortmaßnahmen ergreifen, um die beiden Bereiche der Kernstadt besser vor Hochwasser zu schützen. Um größere Maßnahmen wie Dämme oder Rückhaltebecken bauen zu können, fehlt es der Stadt an den notwendigen Grundstücken. So sei im Bereich Bachlangen auch nach den jüngsten Überschwemmungen mit den betreffenden Eigentümern verhandelt worden, sagte Tiefbauamtsleiter Mark Rechmann – „mit derzeit negativem Ergebnis“.
Auf die Frage einer Zuhörerin, ob in solchen Fällen eine Enteignung möglich sei, antwortete Kuhlmann: „Wir werden dieses Mittel wohl ergreifen müssen.“Allerdings sei davon auszugehen, dass die Eigentümer dagegen klagen werden: „Was die Gerichte dazu sagen, kann ich nicht abschätzen“, so er Baubürgermeister. Fakt sei, dass es in den betroffenen Bereichen Stellen gebe, an denen man Bauwerke zum Hochwasserschutz schaffen könne. „Der Gemeinderat würde sicher auch Geld dafür bereitstellen, aber wir brauchen die Grundstücke“, sagte Kuhlmann.
Die Veranstaltung war insgesamt von einer sachlichen Diskussionsatmosphäre geprägt. Kuhlmann verwahrte sich gegen eine Schulddebatte: „Es gibt in diesen Fällen keinen Schuldigen.“Bei den Hagel- und Starkregenfällen habe es sich um außergewönhliche Naturereignisse gehandelt, die unglücklicherweise Ende Mai und Ende Juni an den selben Stellen niedergegangen seien.
Tiefbauamtsleiter Rechmann zeigte anhand der Niederschlagsstatistiken für Mai und Juni auf, dass die Böden – zumindest beim zweiten Starkregen am 24. Juni komplett gesättigt waren. Da habe es zwischen versiegelter Fläche, Acker- oder Waldboden kaum einen Unterschied gegeben, so Rechmann. „Der Abfluss war überall nahezu gleich und ungebremst.“Die Kanalisation der Stadt sei nicht dafür vorgesehen und auch nicht ausgelegt, derartige Mengen an „wild abfließendem Oberflächenwasser“– so der Fachbegriff – aufzunehmen.
Dazu müsste die Kanalisation nach Kuhlmanns Schätzungen acht bis zehn Mal größer dimensioniert sein. „Dazu sind wir einerseits rechtlich nicht verpflichtet und andererseits ist das baulich in einer Stadt wie Biberach gar nicht zu realisieren.“
Hochwasserschutz statt Straßenbau Die Stadt werde ihrerseits Schutzmaßnahmen ergreifen – einige davon sind laut Rechmann bereits seit 2015 in Planung. „Wir haben aktuell Projekte beim Straßenbau zurückgestellt, um mehr Personal und Geld in den Hochwasserschutz zu stecken“, sagte Baubürgermeister Kuhlmann. „Wir bekommen damit zwar nicht alle Probleme gelöst, aber wir können sie mildern.“Bei den Planungen der städtischen Maßnahmen sollen auch jeweils zwei Bewohner der betroffenen Wohngebiete beratend mitwirken, regte Kuhlmann an.
Aber auch jeder einzelne Hausbesitzer habe Pflichten, an die er sich halten müsse, sagte Tiefbauamtsleiter Rechmann. Dabei gehe es um das Schützen von Lichthöfen, Lichtschächten oder Tiefgaragen sowie um den Bau von privatem Rückhaltevolumen (Zisterne, Teich). Das sei von manchem Hauseigentümer in der Vergangenheit bei der Planung möglicherweise vernachlässigt worden. Die Verpflichtung der Stadt ende am jeweiligen Hauskontrollschacht.
Eine Infoveranstaltung zum Hochwasser in Ringschnait findet am Mittwoch, 10. August, ab 19 Uhr in der Schulturnhalle in Ringschnait statt (Saalöffnung 18.30 Uhr).