Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Sich wehren für enkeltaugliche Zukunft
Warum sich auch in Einhalden Ökologen in die Ökonomie einmischen müssen
HORGENZELL (bas) - Mittlerweile auch fester Bestandteil des Einhaldenfestivals ist die sogenannte „Scheunenrunde“am Sonntagnachmittag, zu der Bauer Bernhard Rauch einlädt. Der diesjährige Referent Heiner Müller-Erdmann sprach zum Thema „Anders Wirtschaften – das geht“. Der Volkswirt und ehemalige Redakteur beim bayerischen Rundfunk mischt sich jetzt im Ruhestand noch lieber ein, vor allem, wenn es um ökologische Aspekte geht.
Als „streitbarer Bürger“ist er angekündigt im Programmheft des Einhaldenfestivals, „enkelverträgliches Wirtschaften“gehört zu seinen Lieblingsvokabeln, und die Essenz seines Vortrages könnte lapidar lauten: „Mischen Sie sich ein, denn politisches Engagement ist heute notwendiger denn je“. Immerhin wird „gemetzelt im bäuerlichen Kulturland“, wie Müller-Erdmann findet. Egal ob beim Bau der A 94, gegen die er als Sprecher einer Bürgerinitiative jahrelang gekämpft hat, erfolglos im Endeffekt – oder ob bei der stetig wachsenden Konkurrenzwirtschaft, die Bauern dazu nötigt, den noch größeren Melkroboter anzuschaffen oder den Lohnarbeiter im Preis zu drücken.
So werde die Natur immer weiter ausgebeutet, das Bruttoinlandsprodukt weiterhin um zwei Prozent jährlich angehoben, aber letztlich führe das in den Wahnsinn. Der Mitbegründer der biologischen Erzeugerund Verbrauchergenossenschaft „Tagwerk“rät allen Zuhörern, „nicht auf die Weltrevolution zu warten“, sondern sooft es geht, grundsätzliche Diskussionen zu führen, sich die wirtschaftspolitische Mitsprache wieder zurückzuerobern. MüllerErdmann erklärt Nationalökonomie anhand seiner Bratwurst-Erfahrung und zeigt den Nonsens auf, sich mit dem Prädikat Export-Weltmeister zu schmücken. Und immer wieder mündet sein Plädoyer in der Aufforderung, „Wut und Kraft wieder in Aktivität umzusetzen“, damit beispielsweise ein Kohleausstiegsgesetz verabschiedet werden kann. „An der Basis sitzt die Kraft“, sagt er und mahnt : „Wir sind schläfrig geworden und larmoyant – aber wir dürfen die Politik nicht aus der Hand geben!“
Ewiges Wachstum ist also keine Lösung, so viel zeigt der Vortrag auf – und in der anschließenden Diskussionsrunde sind sich die Teilnehmer vor allem über eines einig: „MüllerErdmann spricht uns aus dem Herzen.“Dazu passend hat der Redner ein Brecht-Zitat parat: „Als wir aber dann beschlossen – endlich unsrer Kraft zu trauen – und ein schöneres Leben aufzubauen – haben Kampf und Müh‘ uns nicht verdrossen“. In diesem Sinne: Weil der Markt auf beiden Augen blind ist, nämlich auf dem ökologischen und dem sozialen, müssen die Bürger sich wehren. Für eine enkeltaugliche Zukunft.