Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Über allen Wipfeln ist Ruh’
Mit 42 Metern ist der Hursch-Turm der höchste auf dem ehemaligen Münsinger Truppenübungsplatz
och ein paar Stufen, dann können wir schon über die Baumwipfel sehen. Dann noch ein paar und noch ein paar und wir stehen auf der Plattform des HurschTurms, der seinen Namen von dem Flurstück hat, auf dem er steht. Unter uns erstrecken sich sanfte Hügel, auf einer Seite sind ein paar Ortschaften zu sehen, auf der anderen viel Grün. Der Blick schweift über den ehemaligen Truppenübungsplatz Münsingen, heute Kernstück des Biosphärengebiets Schwäbische Alb.
Mit 42 Metern ist der HurschTurm der höchste von vier Türmen dort. 1981 erbaute ihn die Bundeswehr und nutzte ihn, um Manöver und Übungen zu beobachten. Die rote Wellblechkabine gibt es noch immer, drei Holzstühle stehen darin, ein altes Telefonbuch liegt neben den Resten einer Funkanlage auf dem Tisch – und jede Menge toter Fliegen. Offenbar war schon lange niemand mehr in dem kleinen Raum. Im zehnten Jahr betreibt der Schwäbische Albverein inzwischen den Turm, und für die Touristen, die die mehr als 230 Stufen hinaufsteigen, ist die Plattform, die rundherum führt, viel spannender als das Zimmer.
Blick zum Fernsehturm Die Aussicht ist sensationell. An ganz klaren Tagen soll man sogar die Alpen sehen können. Selbst an einem etwas diesigen Sommertag reicht der Blick zur Burg Teck und bis nach Stuttgart. Ein Strich am Horizont, da ist der Fernsehturm. Mit bloßem Auge ist das Wahrzeichen zu erkennen, noch besser klappt es allerdings mit einem Fernglas. Links davon erstreckt sich der ehemalige Truppenübungsplatz, eine fast endlose Grünfläche ohne Strommasten oder sonst einem Anzeichen von Zivilisation. Nur in der Mitte sind an einer Stelle Gebäude auszumachen. Dort stehen die Kirche und das Schulhaus von Gruorn, einem Dorf, das 1939 Platz machen musste für den Truppenübungsplatz. Ganz ohne Ortskenntnisse oder eine Landkarte ist es schwierig, die interessanten Punkte auszumachen, denn auf dem HurschTurm gibt es leider keine Info-Tafeln.
Dafür ist der Turm selbst leicht zu finden. Vom Wanderparkplatz hinter Zainingen sieht man die rot-weiße Stahlgitterkonstruktion auf dem Hügel schon. Der ein Kilometer lange, mit gelben Rauten beschilderte Weg führt erst ein kurzes Stück auf der Panzerringstraße, dann auf breiten Schotterwegen hinauf. Es lohnt sich aber auch, eine andere Route zu wählen, um mehr vom ehemaligen Truppenübungsplatz zu sehen. Denn wo Soldaten mehr als hundert Jahre lang ihre Übungen abgehalten haben, ist die Natur weitgehend unberührt geblieben, entlang der Wacholderheiden wachsen etwa seltene Orchideen. Um das zu sehen, bietet sich zum Beispiel die acht Kilometer lange Tour von Münsingen aus an, mit einem Abstecher ins verlassene Dorf Gruorn. Dort kann man über den alten Friedhof schlendern, im Schulhaus einkehren und die kleine Ausstellung im Obergeschoss besuchen.
Leichtes Schwanken Eine weitere Möglichkeit ist, neben dem Hursch-Turm auch die anderen Türme auf dem Übungsplatz zu besteigen. Eine Besonderheit ist der Sternenberg-Turm, denn das Gebäude war, bevor es von der Bundeswehr als Fernmeldeturm genutzt wurde, eine Windmühle. Die hölzerne Spitze ist nur acht Meter hoch, aber weil der Sternenberg zu den höchsten Erhebungen der Münsinger Alb zählt, ist der Blick auch von dort sehr gut.
Auf dem Hursch-Turm erwartet einen neben der sensationellen Aussicht noch etwas: himmlische Ruhe. Nur ein paar Vögel zwitschern. Zudem weht selbst bei hohen Temperaturen eine angenehme Brise. Allerdings schwankt der Turm leicht und durch die Stahlgitter kann man bis zum Waldboden sehen. Ein fester Untergrund fühlt sich anders an. Schwindelfrei sollte man deshalb schon sein, wenn man hoch will.
Der Hursch-Turm und die anderen Türme auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz sind bis zum 15. November jeweils an Sonnund Feiertagen geöffnet. Ansonsten kann man sich etwa im Biosphärenzentrum in Münsingen und bei verschiedenen Gaststätten einen Schlüssel holen. Mehr Informationen im Internet unter