Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ein tanzender Gewichtheber und der Mönch im Kanu
Auch in Rio werden wieder einige Exoten frei nach dem Motto „Dabei sein ist alles“für Furore sorgen
RIO DE JANEIRO (SID/sz) - Usain Bolt oder Michael Phelps jagen in Rio noch mehr Medaillen, noch mehr Rekorden hinterher. Für die sogenannten Exoten geht es bei den Olympischen Spielen dagegen nicht um Ruhm und Geld. Und vielleicht werden sie von den Fans deshalb so gefeiert. Sie sind die Erben des legendären Langsam-Schwimmers Eric „The Eel“Moussambani. Der Freistilschwimmer aus Äquatorialguinea wurde durch seine Leistung bei den Olympischen Sommerspielen 2000 in Sydney weltbekannt: Er schwamm seinen Durchlauf in einer Zeit von 1:52,72 Minuten und benötigte damit etwa doppelt so viel Zeit wie der spätere Olympiasieger Pieter van den Hoogenband aus den Niederlanden.
Für ihn galt tatsächlich noch das olympische Motto: „Dabei sein ist alles“. Auch in Brasilien werden wieder Athleten, die kaum Siegchancen haben, für Furore sorgen.
Die „Schwäbische Zeitung“stellt einige von ihnen vor:
David Katoatau (Kiribati/Gewichtheben): Der 32-Jährige ist in seiner Heimat, einem Inselstaat im Pazifik mit knapp über 100 000 Einwohnern, ein Held, hat bereits bei den Spielen 2008 und 2012 teilgenommen. Seine Erfolge feiert er mit lustigen Tänzchen auf dem Podium und macht stets auch auf die Folgen des Klimawandels für den Inselstaat im Pazifik aufmerksam: „Ich flehe die Welt an zu schauen, was Kiribati passiert. Wir sind die ersten, die verschwinden.“
Ghofrane Mohammad und Majed Addin Ghazal (Syrien/Leichtathletik): In ihrer Heimat Damaskus konnte sich das Duo nur unter Lebensgefahr auf die Spiele von Rio vorbereiten. In Syrien herrscht bekanntlich immer noch Krieg, oft stand auch ihr Tishrin-Stadion unter Beschuss. „Viele Athleten wurden verwundet, einige sind sogar gestorben“, sagt Hürdenläuferin Mohammad: „Trotzdem kommen wir immer wieder. Wir werden weiter trainieren und der Welt zeigen, dass Syrien noch existiert.“
Kazuki Yazawa (Japan/Kanu-Slalom): Der 27-Jährige steht jeden Tag vor Sonnenaufgang auf, aber nicht um zu trainieren – zunächst erfüllt der buddhistische Mönch aus Japan im Tempel Zenkoji Daikanjin seine Pflichten. Erst am Abend geht es aufs Wasser, in Rio strebt Yazawa nicht nach Medaillen, sondern nach einem Stück Glückseligkeit: „Ich hoffe, dass ich auf der großen Bühne der Olympischen Spiele meine beste Leistung abrufen kann und mit einem guten Gefühl nach Japan zurückkehre.“
Dipa Karmakar (Indien/Turnen): Die 22-Jährige hat sich als erste indische Turnerin der Geschichte für Olympia qualifiziert und muss mittlerweile in ihrer Heimat Autogramme geben und für Selfies in Handykameras lächeln. Karmakar ist zudem bekannt für ihre waghalsigen Elemente, sie riskiert sehr viel. „Mein erstes Ziel ist es, ins Finale zu kommen“, sagt sie.
Ibtihaj Muhammad (USA/Fechten): In Rio wird die 30-Jährige als erste praktizierende Muslima aus den USA bei Olympischen Spielen starten. „Es ist ein schwieriges politisches Umfeld. Ich denke, dass Muslime derzeit generell unter Beobachtung stehen, aber ich hoffe, dass ich das Bild ändern kann, das die Leute von einer Muslima haben“, sagt Muhammad, die in den USA geboren wurde und auch dort aufgewachsen ist. Sie betreibt mittlerweile mit Erfolg ihr eigenes Modelabel „Louella“und gehört mit dem Säbel-Team der Vereinigten Staaten zu den Medaillenkandidatinnen.
Ahmed Goumar (Niger/Judo): Der 28-jährige Kampfsportler trainiert in seiner afrikanischen Heimat in einem staubigen, schlichten Gebäude, das nichts gemein hat mit den exquisiten Judo-Arenen, die es in Japan oder auch Europa gibt. Und dennoch träumt Goumar davon, nach 44 Jahren Pause endlich wieder eine olympische Medaille für sein kleines Land zu gewinnen: „Das ist eine zu lange Zeit.“
Luiza Gega (Albanien/Leichtathletik): Die 27-jährige Hindernisläuferin muss in Tirana im Park trainieren, weil es in der albanischen Hauptstadt tatsächlich kein Stadion mit Laufbahn gibt. Mit einem Scheck über 1000 US-Dollar ermöglichte ihr das Internationale Olympische Komitee im Januar ein Trainingslager in Kenia. Albanien, noch immer eines der ärmsten Länder Europas, habe „eine Menge Schwierigkeiten“, sagt Gega nur. Bei der Europameisterschaft in Amsterdam holte sie hinter der Frankfurterin Gesa Felicitas Kraus dennoch Silber.