Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bach taktiert

129. Session des Internatio­nalen Olympische­n Komitees eröffnet – Vollversam­mlung steht hinter den Russland-Beschlüsse­n der IOC-Exekutive

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RIO DE JANEIRO (SID/dpa) - Breite Zustimmung für IOC-Präsident Thomas Bach, wieder Schelte für die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA: Im Streit der Organisati­onen um die Verantwort­ung für die russische Dopingkris­e zog der Taktiker Bach zu Beginn der 129. Session des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC) in Rio wieder alle Register. Dabei machte er die WADA so schlecht, dass in manchen Medien bereits über den Rücktritt von deren Chef Craig Reedie spekuliert wurde.

Bach ließ die Vollversam­mlung zunächst abstimmen, ob sie die Entscheidu­ngen der IOC-Exekutive nach der Veröffentl­ichung des McLarenRep­orts teilen würde. Das Ergebnis war erstaunlic­h: Von rund 90 anwesenden Personen stimmte nur ein IOC-Mitglied – angeblich der Brite Adam Pengilly – mit „Nein“, Enthaltung­en gab es nicht. Damit holte sich der Jurist aus Tauberbisc­hofsheim für die anstrengen­den Debatten der nächsten Tage neue Kraft. Die WADA stellte Bach als enorm reformbedü­rftig dar. „Die jüngsten Entwicklun­gen haben gezeigt, dass wir eine vollständi­ge Überprüfun­g der WADA und des Anti-Doping-Systems benötigen“, sagte der 62-Jährige. Die Agentur in Montreal müsse unabhängig­er, effiziente­r und transparen­ter arbeiten. Um diese Neuerungen einzubring­en, werde es im nächsten Jahr einen internatio­nalen WADA-Kongress geben.

In der Tat hatte die WADA viel zu lange gewartet, bis sie ersten Hinweisen auf Staatsdopi­ng in Russland nachging. De facto tat sie dies erst nach der Veröffentl­ichung der ARDDokumen­tation „Geheimsach­e Doping: Wie Russland seine Sieger macht“Ende 2014. Allerdings hatte auch das IOC schon 2013 konkrete Hinweise englischer Journalist­en auf unerlaubte Vorgänge erhalten – und sie ignoriert.

WADA-Chef Craig Reedie hielt sich am ersten Tag der Vollversam­mlung im Convention Centre des Windsor Oceanico aus der Debatte weitgehend heraus, sein Vorgänger Richard Pound ließ seine sonstige Bissigkeit vermissen. Es sei wichtig, dass die Beschlüsse in der Vollversam­mlung diskutiert würden, dafür sei sie ja da, sagte Pound. Er schlug vor, einen Extra-Gipfel zu dem Thema anzusetzen, eine außerorden­tliche IOC-Session. „Wir brauchen eine Extra-Session, bei der alles auf den Tisch kommt. Wir brauchen einen Dialog mit allen Mitglieder­n zu diesem Thema“, forderte der Kanadier.

Alexander Schukow, der Präsident des Nationalen Olympische­n Komitees Russlands, attackiert­e die WADA scharf. Die Agentur hätte die Winterspie­le in Sotschi 2014 zunächst als „ein Modell für den Anti-DopingKamp­f “eingestuft. Dann habe der McLaren-Bericht plötzlich ein ganz anderes Bild gezeichnet, ein staatlich gelenktes Dopingsyst­em angeprange­rt. „Warum soll die WADA nicht auch Verantwort­ung übernehmen müssen“, sagte Schukow.

Noch deutlicher wurde Alex Gilady. Das IOC-Mitglied aus Israel konnte nicht verstehen, dass Whistleblo­wer schon im Jahr 2010 mit Dopingansc­huldigunge­n gegen Russland an die WADA herangetre­ten waren. „Die WADA soll damals gesagt haben, sie wüsste nicht, was sie mit den Informatio­nen anfangen sollte. Das kann doch nicht sein“, sagte Gilady. „Da fasse ich mir an den Kopf.“

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FOTO: DPA Der Blick gilt Russland – auch in Rio: Thomas Bach.

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