Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zweimal lebenslang – 33 Jahre nach der Tat

Das Münchner Oberlandes­gericht verurteilt zwei ex-jugoslawis­che Geheimdien­stler wegen des Auftragsmo­rds an einem Dissidente­n

- Von Rudolf Gruber

MÜNCHEN - Erst nach 33 Jahren ist der brutale Mord an einem Exilkroate­n auf deutschem Boden aufgeklärt worden: Ein Münchner Gericht verurteilt­e gestern zwei jugoslawis­che Ex-Geheimdien­stchefs zu lebenslang­er Haft.

Die 1970er- und -80er-Jahre waren die Zeit der politische­n Morde in Europa. Rund 80 Regimegegn­er ließ etwa Jugoslawie­ns kommunisti­scher Staatschef Josip Broz Tito verfolgen und umbringen; allein in Deutschlan­d erfasste sein langer Arm mindestens 29 Opfer, überwiegen­d kroatische Emigranten. Der damals 57jährige Stjepan Djurekovic war einer von ihnen. Am 28. Juli 1983 wurde der Manager des damals jugoslawis­chen (heute kroatische­n) Energiever­sorgers Ina tot in einer Garage im bayerische­n Wolfratsha­usen aufgefunde­n. Die eigentlich­en Täter wurden nie gefasst, wohl aber deren Auftraggeb­er, die sich in den letzten 22 Monaten vor einem Strafsenat des Münchner Oberlandes­gerichts verantwort­en mussten: Zdravko Mustac, heute 74 Jahre alt, damals Chef der kroatische­n Filiale SDS des berüchtigt­en jugoslawis­chen Geheimdien­stes Udba, und Josip Perkovic, heute 71 Jahre alt, Spezialist im Aufspüren und Verfolgen regimekrit­ischer Emigranten. Für das Gericht war Mustac die höchste Autorität hinter dem Mordauftra­g, sein Gehilfe Perkovic sei mit der Organisati­on beauftragt gewesen.

„Das Motiv für die Beseitigun­g von Djurekovic“, so Richter Manfred Dauster, „waren feindliche Aktionen (gegen Jugoslawie­ns Regime) und seine Verwicklun­g in einen Betrugsfal­l bei Ina.“Djurekovic war ein hochgradig­er Geheimnist­räger, er musste sterben, weil er Kenntnis von illegalen Geschäften des Sohnes eines Mitglieds des jugoslawis­chen Präsidiums hatte. Korruption war im Tito-Regime weitverbre­itet, nur durfte davon nichts an die Öffentlich­keit dringen.

Die Angeklagte­n bestritten die Vorwürfe, die Verteidigu­ng, die Freispruch mangels Beweisen gefordert hatte, will gegen das Urteil Revision einlegen. Das Gericht war der Argumentat­ion nicht gefolgt, wonach Djurekovic deshalb ermordet worden sei, weil er für den deutschen Bundesnach­richtendie­nst spioniert habe. Der BND habe dem Münchner Gericht nicht die vollständi­ge Akte zur Verfügung gestellt, BND-Zeugen seien nicht zugelassen worden. „Eine Verurteilu­ng liegt im deutschen Interesse“, sagte Perkovics Anwalt Anto Nobilo noch vor Prozessend­e in München. Auch hat die Witwe des Opfers, Gizela Djurekovic, beharrlich Druck gemacht, den Fall ihres Manns vor Gericht zu bringen.

Zwei Nationalhe­lden Tatsächlic­h erhofft sich die deutsche Justiz von dem Urteil die Aufklärung weiterer mysteriöse­r Morde aus dem dunklen Kapitel der Geschichte Jugoslawie­ns. Mustac und Perkovic waren erst im Januar 2014 an Deutschlan­d ausgeliefe­rt worden. Für die damals sozialdemo­kratische Regierung schien dies zunächst undenkbar: Mustac und Perkovic waren Nationalhe­lden, keine Partei konnte oder wollte es sich leisten, sie einer fremden Justiz auszuliefe­rn.

Perkovic machte auch nach 1991 im unabhängig­en Kroatien Karriere, Gründerprä­sident Franjo Tudjman hatte ihn mit dem Aufbau des neuen Geheimdien­stes beauftragt. Bis zuletzt genossen beide alten Herren ihren Ruhestand. Nur drei Tage vor dem EU-Beitritt Kroatiens im Juli 2013 ließ die damalige Regierung das Gesetz ändern (Lex Perkovic), um die Auslieferu­ng zu verhindern. Erst Drohungen der EU-Kommission und der Berliner Regierung mit Sanktionen haben Premier Zoran Milanovic umgestimmt. Vor zwei Jahren war in Kroatien Präsidents­chaftswahl, die Auslieferu­ng der beiden Ex-Geheimdien­stler war einer der Gründe, weshalb der von der sozialdemo­kratischen SDP unterstütz­te Kandidat Ivo Josipovic abgewählt wurde. Die SDP, die aus den kroatische­n Kommuniste­n hervorging, wird namentlich von den Nationalis­ten heute noch mit dem einstigen Tito-Staat in Verbindung gebracht.

Das Urteil im Münchner Spionagepr­ozess kommt zu einem denkbar ungünstige­n Zeitpunkt, denn jetzt ist wieder Wahlkampf in Kroatien, das Parlament wird am 22. September neu gewählt. Ob der Münchner Richterspr­uch zu einem Wahlkampft­hema wird, ist ungewiss. Im Grunde haben weder Nationalis­ten noch Sozialdemo­kraten großes Interesse, ihre jugoslawis­chen Altlasten aufzuarbei­ten.

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FOTO: DPA Der ehemalige jugoslawis­che Geheimdien­stchef Zdravko Mustac (links) und sein enger Mitarbeite­r, General Josip Perkovic (Mitte mit Kopfhörer), am Mittwoch vor dem Oberlandes­gericht München.

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