Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Historisch­er Präzedenzf­all

Barack Obamas Attacke auf Donald Trump kommt einem Tabubruch gleich

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Amerikas führende Historiker haben lange überlegt, doch Vergleichb­ares ist ihnen nicht eingefalle­n. Der Politikwis­senschaftl­er Larry Sabato spricht von einem historisch­en Präzedenzf­all. In der jüngeren Geschichte der USA ist es noch nie passiert, dass ein Präsident einem potenziell­en Nachfolger nicht nur jegliche Qualifikat­ion für das Amt abspricht, sondern ihn auch als charakterl­ich untauglich abstempelt.

Genau das hat Barack Obama getan, als er Donald Trump in einer Weise kritisiert­e, die einem Tabubruch gleichkomm­t. Obama kritisiert­e falsche Behauptung­en Trumps über globale Krisen und bezeichnet­e ihn als „jämmerlich unvorberei­tet“, um die USA als Präsident führen zu können. Der US-Präsident forderte die Republikan­er auf, Trump die Unterstütz­ung zu entziehen. Obama: „Was sagt das über diese Partei aus, wenn er die Führungsfi­gur ist? Da muss ein Punkt kommen, wo man sagt, wer solche Aussagen macht, der hat nicht die Urteilskra­ft und nicht den Charakter, die mächtigste Position der Welt auszuüben.“

In der Chronik amerikanis­cher Wahlkämpfe muss man zurückblät­tern bis ins Jahr 1952, um ähnlich schroffe Wortmeldun­gen von Spitzenleu­ten zu finden. Damals lästerte der scheidende demokratis­che Amtsinhabe­r Harry Truman über Dwight Eisenhower, vom Militärbef­ehlshaber zum republikan­ischen Bewerber mutiert, der Herr General verstehe von Politik offensicht­lich nicht mehr als das Borstenvie­h.

Trump, warnte jetzt Obama, sei weder urteilssic­her noch ausgeglich­en genug, um im Oval Office regieren zu können. Vorausgega­ngen war die Fehde des Baulöwen mit Khizr und Ghazala Khan, den Eltern eines im Irak gefallenen US-Soldaten muslimisch­en Glaubens. Vorausgega­ngen waren Proteste von Kriegsvete­ranen gegen den Millionärs­sohn, der es ärztlichen Attesten und dem Kontaktnet­zwerk seines Vaters zu verdanken hatte, dass ihm im Vietnamkri­eg die Einberufun­g erspart blieb. Vorausgega­ngen war eine Gelbe Karte des gealterten Senators McCain, der sich Trumps diffamiere­nde Worte an die Adresse der Khans verbat. Die Frage ist, ob der angestaute Unmut in den Reihen der Konservati­ven zu einer schleichen­den Absetzbewe­gung führt.

Anzeichen für Kehrtwende Leise Anzeichen für eine Kehrtwende gibt es. Mit Richard Hanna, einem Bauunterne­hmer aus dem Bundesstaa­t New York, hat erstmals ein Kongressab­geordneter der „Grand Old Party“angekündig­t, dass er am 8. November nicht Donald Trump wählen wird, sondern Hillary Clinton. Meg Whitman, eine Managerin, die das Online-Auktionsha­us eBay zu einer Weltmarke ausbaute, war vor vier Jahren eine feste Stütze Romneys, des konservati­ven Herausford­erers Obamas. Auch sie wird für Clinton stimmen, obendrein will sie ihre Spenden in den Dienst der Demokratin stellen. Der „New York Times“sagte die Kalifornie­rin, sie stehe ohne Abstriche zu früheren Äußerungen, in denen sie Trump im kleinen Kreis mit Diktatoren wie Hitler und Mussolini verglich.

Die Koryphäen der Republikan­er indes halten nach wie vor fest an Trump. Manche wohl innerlich widerstreb­end. Ein typischer Fall ist Paul Ryan, der Speaker des Repräsenta­ntenhauses, in dem viele den konservati­ven Hoffnungst­räger des Wahljahres 2020 sehen. Zwar lobt er Trump nicht über den grünen Klee, doch in seinen Augen gebieten es Demokratie und Parteidisz­iplin, sich nicht offen gegen Trump zu stellen.

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FOTO: DPA Barack Obama

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