Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Historischer Präzedenzfall
Barack Obamas Attacke auf Donald Trump kommt einem Tabubruch gleich
WASHINGTON - Amerikas führende Historiker haben lange überlegt, doch Vergleichbares ist ihnen nicht eingefallen. Der Politikwissenschaftler Larry Sabato spricht von einem historischen Präzedenzfall. In der jüngeren Geschichte der USA ist es noch nie passiert, dass ein Präsident einem potenziellen Nachfolger nicht nur jegliche Qualifikation für das Amt abspricht, sondern ihn auch als charakterlich untauglich abstempelt.
Genau das hat Barack Obama getan, als er Donald Trump in einer Weise kritisierte, die einem Tabubruch gleichkommt. Obama kritisierte falsche Behauptungen Trumps über globale Krisen und bezeichnete ihn als „jämmerlich unvorbereitet“, um die USA als Präsident führen zu können. Der US-Präsident forderte die Republikaner auf, Trump die Unterstützung zu entziehen. Obama: „Was sagt das über diese Partei aus, wenn er die Führungsfigur ist? Da muss ein Punkt kommen, wo man sagt, wer solche Aussagen macht, der hat nicht die Urteilskraft und nicht den Charakter, die mächtigste Position der Welt auszuüben.“
In der Chronik amerikanischer Wahlkämpfe muss man zurückblättern bis ins Jahr 1952, um ähnlich schroffe Wortmeldungen von Spitzenleuten zu finden. Damals lästerte der scheidende demokratische Amtsinhaber Harry Truman über Dwight Eisenhower, vom Militärbefehlshaber zum republikanischen Bewerber mutiert, der Herr General verstehe von Politik offensichtlich nicht mehr als das Borstenvieh.
Trump, warnte jetzt Obama, sei weder urteilssicher noch ausgeglichen genug, um im Oval Office regieren zu können. Vorausgegangen war die Fehde des Baulöwen mit Khizr und Ghazala Khan, den Eltern eines im Irak gefallenen US-Soldaten muslimischen Glaubens. Vorausgegangen waren Proteste von Kriegsveteranen gegen den Millionärssohn, der es ärztlichen Attesten und dem Kontaktnetzwerk seines Vaters zu verdanken hatte, dass ihm im Vietnamkrieg die Einberufung erspart blieb. Vorausgegangen war eine Gelbe Karte des gealterten Senators McCain, der sich Trumps diffamierende Worte an die Adresse der Khans verbat. Die Frage ist, ob der angestaute Unmut in den Reihen der Konservativen zu einer schleichenden Absetzbewegung führt.
Anzeichen für Kehrtwende Leise Anzeichen für eine Kehrtwende gibt es. Mit Richard Hanna, einem Bauunternehmer aus dem Bundesstaat New York, hat erstmals ein Kongressabgeordneter der „Grand Old Party“angekündigt, dass er am 8. November nicht Donald Trump wählen wird, sondern Hillary Clinton. Meg Whitman, eine Managerin, die das Online-Auktionshaus eBay zu einer Weltmarke ausbaute, war vor vier Jahren eine feste Stütze Romneys, des konservativen Herausforderers Obamas. Auch sie wird für Clinton stimmen, obendrein will sie ihre Spenden in den Dienst der Demokratin stellen. Der „New York Times“sagte die Kalifornierin, sie stehe ohne Abstriche zu früheren Äußerungen, in denen sie Trump im kleinen Kreis mit Diktatoren wie Hitler und Mussolini verglich.
Die Koryphäen der Republikaner indes halten nach wie vor fest an Trump. Manche wohl innerlich widerstrebend. Ein typischer Fall ist Paul Ryan, der Speaker des Repräsentantenhauses, in dem viele den konservativen Hoffnungsträger des Wahljahres 2020 sehen. Zwar lobt er Trump nicht über den grünen Klee, doch in seinen Augen gebieten es Demokratie und Parteidisziplin, sich nicht offen gegen Trump zu stellen.