Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Piloten legen Lufthansa lahm
Gewerkschaft verlängert Streik und will Konzern zur Strategieänderung zwingen
RAVENSBURG - Die Fronten zwischen der Lufthansa und ihren Piloten verhärten sich mehr und mehr. Mit kostspieligen und imageschädigenden Streiks versucht die Vereinigung Cockpit (VC), Europas größten Luftverkehrskonzern von seiner Billigstrategie abzubringen. Doch Lufthansachef Carsten Spohr bleibt hart und erträgt lieber die 14. Streikrunde mit Millionenschaden, als dass er einlenkt. „Lieber ein paar Tage ohne Lufthansa als in Zukunft ganz ohne Lufthansa“, lautet sein Tenor.
Die Fluglinie bringt immer wieder eine Schlichtung des offiziellen Streikanlasses der Pilotengehälter ins Spiel, auch wenn die Vorstellungen der Gehaltssteigerung mit 2,5 auf der einen und 22 Prozent auf der anderen Seite sehr weit auseinanderliegen. Die VC hat bislang alle Schlichtungsvorschläge abgelehnt. Ihr geht es im Kern um andere Ziele.
„Es geht vor allem um den geplanten Umbau des Konzerns“, sagt Luftfahrtexperte Gerald Wissel im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Ein großer Teil des Europaverkehrs soll auf die neugeschaffene Eurowings-Gruppe übertragen werden, die sich im Markt gegen Wettbewerber wie Easyjet und Ryanair behaupten soll.“Das geht nicht ohne Einschnitte bei Löhnen und Gehältern der Beschäftigten, so argumentiert jedenfalls der Lufthansa-Konzern. Zu Beginn des Arbeitskampfes hat die streikmächtige VC noch offen kommuniziert, dass es ihr um Einfluss auf das künftige Geschäftsmodell geht, sie also Billigstrukturen in Eurowings-Jets verhindern will.
Doch spätestens in der 13. Streikrunde im September 2015 wendete sich das Blatt, als das Landesarbeitsgericht Hessen der VC vorhielt, für nicht tariffähige Ziele zu streiken, die in die Entscheidungsgewalt des Konzerns gehören. In nachfolgenden Sondierungen weigerte sich die Lufthansa standhaft, das Eurowings-Thema offiziell mitzubehandeln. Die VC griff schließlich wieder gezielt Tarifthemen auf, für die sie legal streiken darf, nämlich Gehälter und Übergangsversorgung. Die zuständigen Arbeitsgerichte haben am Dienstag die Rechtmäßigkeit des neuerlichen Streiks klar bestätigt.
Eine Schlichtung könnte ein Ausweg aus dem Streit sein, wenn es der Schlichter schafft, „die Vertrauensbasis wiederherzustellen“, sagt Luftfahrtexperte Wissel. Dabei müsse das Unternehmen aber die Sorgen und Ängste des fliegenden Personals ernst nehmen. „Wir reden bei der Lufthansa über einen Dienstleister, der, wenn er mit seinen Dienstleistungen Kunden gewinnen möchte, die Piloten mitnehmen muss.“
Die Vereinigung Cockpit (VC) kündigte gestern Abend an, mindestens bis Freitag zu streiken. Damit fallen heute 912 Verbindungen aus. Am Mittwoch waren bereits 876 Flüge streikbedingt abgesagt worden. Die ersten beiden Streiktage betrafen 215 000 Passagiere. Am Freitag soll der Ausstand vor allem die Kurzstrecken treffen.