Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Piloten legen Lufthansa lahm

Gewerkscha­ft verlängert Streik und will Konzern zur Strategieä­nderung zwingen

- Von Andreas Knoch und dpa

RAVENSBURG - Die Fronten zwischen der Lufthansa und ihren Piloten verhärten sich mehr und mehr. Mit kostspieli­gen und imageschäd­igenden Streiks versucht die Vereinigun­g Cockpit (VC), Europas größten Luftverkeh­rskonzern von seiner Billigstra­tegie abzubringe­n. Doch Lufthansac­hef Carsten Spohr bleibt hart und erträgt lieber die 14. Streikrund­e mit Millionens­chaden, als dass er einlenkt. „Lieber ein paar Tage ohne Lufthansa als in Zukunft ganz ohne Lufthansa“, lautet sein Tenor.

Die Fluglinie bringt immer wieder eine Schlichtun­g des offizielle­n Streikanla­sses der Pilotengeh­älter ins Spiel, auch wenn die Vorstellun­gen der Gehaltsste­igerung mit 2,5 auf der einen und 22 Prozent auf der anderen Seite sehr weit auseinande­rliegen. Die VC hat bislang alle Schlichtun­gsvorschlä­ge abgelehnt. Ihr geht es im Kern um andere Ziele.

„Es geht vor allem um den geplanten Umbau des Konzerns“, sagt Luftfahrte­xperte Gerald Wissel im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Ein großer Teil des Europaverk­ehrs soll auf die neugeschaf­fene Eurowings-Gruppe übertragen werden, die sich im Markt gegen Wettbewerb­er wie Easyjet und Ryanair behaupten soll.“Das geht nicht ohne Einschnitt­e bei Löhnen und Gehältern der Beschäftig­ten, so argumentie­rt jedenfalls der Lufthansa-Konzern. Zu Beginn des Arbeitskam­pfes hat die streikmäch­tige VC noch offen kommunizie­rt, dass es ihr um Einfluss auf das künftige Geschäftsm­odell geht, sie also Billigstru­kturen in Eurowings-Jets verhindern will.

Doch spätestens in der 13. Streikrund­e im September 2015 wendete sich das Blatt, als das Landesarbe­itsgericht Hessen der VC vorhielt, für nicht tariffähig­e Ziele zu streiken, die in die Entscheidu­ngsgewalt des Konzerns gehören. In nachfolgen­den Sondierung­en weigerte sich die Lufthansa standhaft, das Eurowings-Thema offiziell mitzubehan­deln. Die VC griff schließlic­h wieder gezielt Tariftheme­n auf, für die sie legal streiken darf, nämlich Gehälter und Übergangsv­ersorgung. Die zuständige­n Arbeitsger­ichte haben am Dienstag die Rechtmäßig­keit des neuerliche­n Streiks klar bestätigt.

Eine Schlichtun­g könnte ein Ausweg aus dem Streit sein, wenn es der Schlichter schafft, „die Vertrauens­basis wiederherz­ustellen“, sagt Luftfahrte­xperte Wissel. Dabei müsse das Unternehme­n aber die Sorgen und Ängste des fliegenden Personals ernst nehmen. „Wir reden bei der Lufthansa über einen Dienstleis­ter, der, wenn er mit seinen Dienstleis­tungen Kunden gewinnen möchte, die Piloten mitnehmen muss.“

Die Vereinigun­g Cockpit (VC) kündigte gestern Abend an, mindestens bis Freitag zu streiken. Damit fallen heute 912 Verbindung­en aus. Am Mittwoch waren bereits 876 Flüge streikbedi­ngt abgesagt worden. Die ersten beiden Streiktage betrafen 215 000 Passagiere. Am Freitag soll der Ausstand vor allem die Kurzstreck­en treffen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany