Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Amtstierär­zte im Land schlagen Alarm

Vorsitzend­er des Verbands fordert doppelte Menge an Personal für Veterinärä­mter

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Der Vorsitzend­e des Landesverb­ands der Amtstierär­zte fordert vom Land eine knappe Verdoppelu­ng der Stellen. Die Veterinärä­mter der Landkreise könnten Nutztierbe­triebe nicht ausreichen­d kontrollie­ren, sagt Thomas Pfisterer der „Schwäbisch­en Zeitung“. Mit mehr Personal wäre ein Skandal wie zuletzt der um einen Schweinezu­chtbetrieb im Alb-Donau-Kreis vermeidbar, argumentie­rt er. „Mit der uns zur Verfügung stehenden Personalde­cke ist eine Kontrolle im Sinne des Verbrauche­rund Tierschutz­es nicht zu schaffen.“

Mitte Oktober hat das Veterinära­mt des Alb-Donau-Kreises einen Schweinema­stbetrieb nach Hinweisen von Tierrechts­aktivisten und Medien kontrollie­rt. Der Stall war verkotet, die Abluftschä­chte verschmutz­t, die Buchten der Tiere zum Teil deutlich überbelegt. 100 der 1200 Tiere mussten eingeschlä­fert werden, weil sie krank oder verletzt waren. Am Mittwoch hat das Veterinära­mt den Betreibern des Hofs verboten, künftig Schweine zu halten – für einen Verantwort­lichen gilt ein generelles Tierhaltev­erbot.

Vermeidbar­e Missstände Diese Missstände wären zu vermeiden gewesen, sagt der Verbandsch­ef der Amtstierär­zte – zumal der Betrieb bereits 2014 den Behörden aufgefalle­n war. Seinen Kollegen vom zuständige­n Landratsam­t nimmt Pfisterer in Schutz – gegen ihn ermittelt die Staatsanwa­ltschaft Ulm ebenso wie gegen den Betreiber des Betriebs. Über Letzteren sagt Pfisterer: „Den Mann und den Betrieb hatten wir auf dem Schirm, aber man kann nicht strukturie­rt alles überwachen, man springt von einer Lücke zur anderen.“

Laut Pfisterer sollte jeder Nutztierbe­trieb mindestens alle fünf Jahre von einem Amtstierar­zt aufgesucht werden. Der EU-Bericht zu Nutztierko­ntrollen für 2015 weist für das Land allein 10 744 Schweineha­ltungen aus. Kontrollie­rt wurden knapp 700, bei etwa 150 entdeckten die Kontrolleu­re Verstöße. Um die Betriebe tatsächlic­h alle fünf Jahre aufsuchen zu können, hätte die Zahl der Kontrollen bei 2000 liegen müssen.

Seine Forderung nach mehr Personal untermauer­t Pfisterer mit einer Analyse des Landkreist­ags. Der hatte untersucht, wie stark die Aufgaben der Kontrolleu­re zum Tier- und Verbrauche­rschutz aufgrund Gesetzesän­derungen in den vergangene­n Jahren gewachsen sind. Laut der Analyse des Landkreist­ags fehlen den Ämtern landesweit 199 zusätzlich­e Stellen für Amtstierär­zte. Damit würde sich ihre Zahl fast verdoppeln – derzeit gibt es im Land rund 228 Stellen für Amtstierär­zte. Das erklärt das Landwirtsc­haftsminis­terium auf eine Anfrage des FDP-Abgeordnet­en Friedrich Bullinger. Dieser hatte den Vorfall im Alb-Donau-Kreis zum Anlass genommen, ein Schlaglich­t auf die behördlich­en Kontrollen von Betrieben mit Viehhaltun­g zu werfen.

„Das Vollzugs- und Personalde­fizit ist unübersehb­ar“, sagt Bullinger. „Einerseits räumt Minister Hauk ein, dass EU, Bund und auch Grün-Rot in Stuttgart in den vergangene­n Jahren einen ganzen Strauß neuer Pflichtauf­gaben für die unteren Verbrauche­rschutzund Veterinärb­ehörden in den Kreisen geschaffen haben. Anderersei­ts tut der Minister so, als ob dadurch in den Landratsäm­tern kein nennenswer­ter Personalma­ngel entstanden sei. Das ist höchst unglaubwür­dig.“Er schlägt der grün-schwarzen Landesregi­erung vor, den Naturschut­zetat etwas weniger als geplant aufzustock­en und stattdesse­n Stellen in den Veterinärä­mtern zu schaffen.

Bei seiner Forderung nach mehr Amtstierär­zten bekommt Pfisterer auch Rückendeck­ung von der Landestier­schutzbeau­ftragten Cornelia Jäger. „Ohne mehr Personal wird’s nicht gehen“, sagt sie. Jäger war dabei, als Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) einen runden Tisch mit Tierschütz­ern, Tierärzten, Vertretern der Schlachthö­fe und des Einzelhand­els einberufen hat. In dieser Sitzung hat Jäger eine Vertrauens­stelle gefordert, wie sie sagt. „Wir müssen eine Möglichkei­t schaffen, dass jemand, der auf einem Betrieb Tierschutz­probleme sieht, sich auch vertrauens­voll und Rat suchend an eine Behörde wenden kann.“

Informatio­nen besser vernetzen Ein weiteres Ergebnis des Treffens: Das Landwirtsc­haftsminis­terium will den Informatio­nsaustausc­h verbessern. „Viele Menschen und Institutio­nen haben Einblick in die Betriebsab­läufe“, sagt Hauk. Eine Hürde für eine stärkere Vernetzung bilde der Datenschut­z. Derzeit erarbeite das Ministeriu­m ein Konzept, wonach Schlachthö­fe und Tierbeseit­igungsanla­gen nicht nur die Möglichkei­t, sondern die Pflicht haben sollen, bei Auffälligk­eiten die Behörden einzuschal­ten. Bedeckter hält sich das Ministeriu­m allerdings beim Personalzu­wachs. „Auch über mehr Personal wird nachgedach­t“, sagt eine Sprecherin. Für den Haushalt 2017 seien aber keine zusätzlich­en Stellen angemeldet.

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FOTO: EPD Ein Mastschwei­n in einem Stall: Mindestens alle fünf Jahre sollten Nutztierbe­triebe kontrollie­rt werden. Doch dafür fehlt nach Angaben der Amtstierär­zte das Personal.

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