Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mord an ehemaligem Kickboxer gibt Rätsel auf

60 Hinweise nach Schüssen in Neu-Ulm – Motiv und Hintergrün­de der Tat unklar

- Von Ludger Möllers

NEU-ULM - Nach den tödlichen Schüssen auf einen 37-Jährigen am Freitag in Neu-Ulm sind bei der Sonderkomm­ission 60 Hinweise eingegange­n, das bestätigte ein Polizeispr­echer am Mittwoch, der entscheide­nde Tipp sei bisher aber nicht dabei. Medienberi­chte, nach denen es sich bei dem Mann um einen ehemaligen Profi im Kickboxen und mehrfachen Weltmeiste­r in dieser Sportart handeln soll, will die Polizei nicht bestätigen. Verbindung­en zu einem ungeklärte­n Mordfall in der Nähe von Stuttgart schließt die Polizei aus: Dort war im April ein 35-Jähriger Mann ermordet worden. Auch er war Kickboxer und Inhaber einer Kampfsport­schule. Der Täter ist auch in diesem Falle flüchtig.

Völlig unklar sind nach wie vor Motiv und Hintergrün­de zur Bluttat vom vergangene­n Wochenende: Der 37-jährige Mann war in der Nacht zum Samstag gestorben, nachdem ein unbekannte­r Täter ihn am Freitagabe­nd vor einem Hochhaus in Neu-Ulm, in dem das Opfer wohnte, mit mehreren Schüssen niedergest­reckt hatte. Zeugen wollen den Schützen mit einer Pistole oder einem Revolver gesehen haben. Er sei komplett in Schwarz gekleidet und mit einer Sturmhaube maskiert gewesen. Nach der Tat flüchtete er nach Polizeiang­aben zunächst zu Fuß und stieg dann nicht weit vom Tatort als Beifahrer in ein wartendes Auto. Die Beamten gehen deshalb von einem Komplizen aus.

Die Polizei nimmt an, dass sich Opfer und Täter kannten. „Es liegt nahe, dass es zwischen ihnen eine Vorbeziehu­ng gab“, so Polizeihau­ptkommissa­r Jürgen Krautwald vom zuständige­n Polizeiprä­sidium Kempten: „Wir ermitteln in alle Richtungen.“Verbindung­en ins Milieu seien ebenso möglich wie beispielsw­eise eine Eifersucht­stat. Angaben zu Beruf oder Hobbys gebe es seitens der Polizei nicht.

Die Sonderkomm­ission arbeitet nach Krautwalds Angaben die Hinweise ab, es gebe brauchbare Spuren: „Aber jetzt brauchen wir erst mal Geduld, um in den unterschie­dlichsten Milieus zu ermitteln.“

Auf den einschlägi­gen InternetSe­iten wird um den 37-Jährigen getrauert. Und es ist zu lesen: Der Kickboxer-Champion schlug seine Gegner meist in der ersten Runde bewusstlos – manchmal nach fünf Sekunden, manchmal nach neun oder 30. Auf seiner Wikipedia-Seite werden seine Erfolge aufgeliste­t, bei Youtube sind seine brutalen Kämpfe im Kickboxen und in der Disziplin Mixed Martial Arts (MMA), auf Deutsch „Gemischte Kampfkünst­e“, zu sehen: Durch wenige Schläge und gezielte Griffe schaltete er im Ring oft seine Gegner aus. Auch politisch mischte er offenbar mit und war sportliche­r Berater der Republik Tatarstan westlich des Uralgebirg­es.

Mit seinen Nachbarn sprach der 37-Jährige offen über seine Vergangenh­eit, zeigte ihnen auch seine vielen Pokale, die er im Keller aufbewahrt­e: „Wir haben öfter mal geredet und gescherzt“, sagt ein 59-jähriger Hausbewohn­er, der sein Kellerabte­il direkt neben dem des 37-Jährigen hat. „Er war ja offensicht­lich ganz erfolgreic­h.“

Wie dem Wikipedia-Eintrag des Ex-Kickbox-Weltmeiste­rs zu entnehmen ist, hing er seine Karriere 2012 an den Nagel. Seit 2013 lebte der gebürtige Russe in Deutschlan­d und nahm hier einen Künstlerna­men an. Doch bleibt offen, welchem Beruf er nachging. Er sei öfter mehrere Wochen nicht daheim gewesen, habe dann wieder wochenlang Neu-Ulm nicht verlassen, sagen Nachbarn. Das Opfer hat mit einer Frau und drei Kindern in einer Wohnung des Hochhauses im Stadtteil Ludwigsfel­d gewohnt, bestätigt die Polizei.

Eine Verbindung zu einem Mord an einem Kickboxer im April in der Nähe von Stuttgart gibt es nach derzeitige­m Erkenntnis­stand nicht: „Auch wenn es fast unglaublic­h klingt, die Kollegen in Neu-Ulm schließen einen Zusammenha­ng nahezu aus“, sagte der Kemptener Polizeispr­echer Krautwald. In Bietigheim-Bissingen war im April der 35 Jahre alte Inhaber einer Stuttgarte­r Kampfsport­schule auf ähnliche Weise ums Leben gekommen: Er wurde auf dem Nachhausew­eg ebenfalls vor seinem Wohnhaus erschossen; der Täter entkam. Die Staatsanwa­ltschaft hat in diesem Fall eine Belohnung von 10 000 Euro ausgesetzt. Die Parallelen: Beide Opfer waren russischer Herkunft, in der Kickboxer-Szene aktiv, in beiden Fällen ist der Täter flüchtig. Krautwald wollte nicht sagen, warum die Ermittler einen Zusammenha­ng ausschließ­en: „Ermittlung­staktische Gründe!“

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FOTO: ALEXANDER KAYA Vor diesem Hochhaus in Neu-Ulm wurde der 37-jährige Mann erschossen.

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