Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Antrag auf Pflege bis Jahresende kann sich lohnen

2017 ändern sich Leistungen für Pflegebedü­rftige – Sechs Milliarden Euro stehen zusätzlich zur Verfügung

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BERLIN - Nur noch wenige Wochen, dann ändern sich die Regeln für Millionen Pflegebedü­rftige in Deutschlan­d. Rund sechs Milliarden Euro stehen ab 2017 zusätzlich für Leistungen zur Verfügung. Erstmals profitiere­n auch Demenzkran­ke voll von der gesetzlich­en Pflegevers­icherung. Was müssen Pflegebedü­rftige wissen? Rasmus Buchsteine­r beantworte­t die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Reformstar­t.

Was ist neu für Pflegebedü­rftige? Mit der Reform ist ein Systemwech­sel verbunden. Die bisherigen drei Stufen werden ersetzt durch fünf Pflegegrad­e, die sich nach dem Maß der Selbststän­digkeit oder Unselbstst­ändigkeit richten. Für die Einstufung im neuen System gibt die Alltagskom­petenz der Pflegebedü­rftigen den Ausschlag: Können sie sich alleine bewegen? Wie ist es um ihre Selbststän­digkeit bei Körperpfle­ge, Essen und Anziehen bestellt?

Müssen Pflegebedü­rftige selbst aktiv werden? Wer bereits pflegebedü­rftig ist und Geld von der Pflegekass­e erhält, muss sich nicht kümmern. Die Umstellung erfolgt automatisc­h. Es wird keine Neu-Begutachtu­ng vorgenomme­n. Wer bis Weihnachte­n keine Nachricht von seiner Kasse erhalten hat, sollte sich dort melden.

Wie funktionie­rt die Umstellung? Pflegebedü­rftige mit allein körperlich­en Beeinträch­tigungen werden im neuen System eine Stufe höher eingruppie­rt: Waren sie bisher in Pflegestuf­e 2, erhalten sie künftig Leistungen nach Pflegegrad 3. Bei eingeschrä­nkter Alltagskom­petenz, etwa aufgrund einer Demenzerkr­ankung, geht es zwei Schritte hinauf: Aus Pflegestuf­e 2 wird Pflegegrad 4. Wer bisher noch keine Pflege-Leistungen erhält, aber absehbar pflegebedü­rftig wird, sollte noch vor dem Jahreswech­sel einen Antrag stellen. Der wird noch nach altem Recht behandelt, auch wenn sich die Bearbeitun­g bis ins neue Jahr hinein zieht.

Für wen lohnt sich ein Antrag noch in diesem Jahr? Wer körperlich beeinträch­tigt ist und noch kein Geld aus der Pflegekass­e erhält, sollte aktiv werden. Wer für dieses Jahr Pflegestuf­e 1 mit einer Leistung von 244 Euro monatlich anerkannt bekommt, rutscht 2017 automatisc­h in Pflegegrad 2 und erhält dann 316 Euro monatlich. Wird der Antrag erst nach dem Jahreswech­sel gestellt, würde es in den meisten Fällen wohl nur eine Einstufung in Pflegegrad 1 geben, was 125 Euro monatlich entspricht. Laut der Deutschen Stiftung Patientens­chutz geht es um circa 125 000 Betroffene.

Ist ein Antrag bis zum Jahresende in anderen Fällen zu empfehlen? Ja, und zwar für Versichert­e, die bisher noch kein Geld aus der Pflegekass­e erhalten haben, aber künftig einen ambulanten Pflegedien­st in Anspruch nehmen könnten. Bisher gibt es dafür in der Pflegestuf­e 1 monatlich 468 Euro. Wird der Antrag erst im kommenden Jahr gestellt, wären es nur noch 125 Euro.

Gibt es Reformverl­ierer? Es gilt Bestandssc­hutz. Niemand, der bisher bereits Leistungen aus der Pflegevers­icherungen erhalten hat, bekommt künftig weniger. Der pflegebedi­ngte Eigenantei­l in der stationäre­n Pflege, bisher im Schnitt zwischen 460 und 900 Euro, wird künftig durchschni­ttlich 580 Euro betragen. Wer bislang weniger gezahlt hat, muss künftig mehr aufbringen. Allerdings werden auch viele, die bisher einen vergleichs­weise hohen Eigenbeitr­ag zu leisten hatten, besser gestellt. Über den neuen Pflegegrad 1 werden ab dem kommenden Jahr Hunderttau­sende künftig erstmals Pflegeleis­tungen erhalten.

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FOTO: BARMER Die Pflegerefo­rm soll die Bedürftigk­eit der Betroffene­n besser berücksich­tigen.

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