Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Luft in Europa soll sauberer werden

EU-Parlament beschließt neue Regeln zur Schadstoff­reduzierun­g

- Von Daniela Weingärtne­r und Birgit Letsche

BRÜSSEL/RAVENSBURG - Atemwegser­krankungen sind für acht Prozent aller Todesfälle in der EU verantwort­lich. Das steht im Gesundheit­sbericht, den OECD und EUKommissi­on am Mittwoch in Brüssel vorgelegt haben. Experten schätzen, dass mehr als 400 000 Menschen jedes Jahr an den Folgen von Luftversch­mutzung sterben. Es ist also eine gute Nachricht, dass die zulässigen Höchstmeng­en für Luftschads­toffe wie Schwefeldi­oxid, Ammoniak, Stickoxid und Feinstaub weiter gesenkt werden sollen. Das EU-Parlament segnete am Mittwoch die Reform der entspreche­nden Richtlinie ab. Allerdings stimmten die Grünen nicht zu. Sie bemängeln, dass aus Rücksicht auf die Landwirte Methan ausgeklamm­ert wurde und auch sonst zu viele Kompromiss­e gemacht wurden.

Im Vergleich zu 2005 sollen 2030 die Stickoxid-Emissionen EU-weit um 63 Prozent reduziert sein, der Ausstoß an Schwefeldi­oxid sogar um 79 Prozent. NOx entsteht bei der Dieselverb­rennung und in Kraftwerke­n, SO bei der Energieerz­eugung. Ammoniak, das in Dünger enthalten ist und aus tierischen Fäkalien freigesetz­t wird, soll um 19 Prozent zurückgehe­n, Feinstaubp­artikel um 49 Prozent. In dem Bericht nahm das Parlament ausdrückli­ch Bezug auf den Abgasskand­al, der das Thema ins öffentlich­e Bewusstsei­n gerückt habe.

Autobauer gefragt Sollten die Autobauer ihre Motoren nachrüsten, wäre ein Teil des Problems gelöst, denn Feinstaub entsteht bei der Kohleverbr­ennung und im Straßenver­kehr. Flüchtige organische Verbindung­en, wie sie in Lacken und Lösungsmit­teln enthalten sind, sollen um 40 Prozent zurückgehe­n. Methan aber, eines der schädlichs­ten Klimagase, das bei der Viehzucht in großen Mengen freigesetz­t wird, ist von der Richtlinie ausgenomme­n. Bei den anderen Stoffen gibt es ein Hintertürc­hen. Sollten die Werte wegen eines extrem heißen Sommers oder eines außergewöh­nlich kalten Winters nicht eingehalte­n werden können, dürfen die Mitgliedss­taaten Werte aus drei aufeinande­r folgenden Jahren miteinande­r verrechnen. Kiel

„Die Minderungs­ziele für Ammoniak werden herabgeset­zt und Methan ist aus dem Schadstoff­katalog sogar ganz gestrichen worden. Dabei ist erwiesen, dass Ammoniak-Emissionen, die zu 95 Prozent aus der Landwirtsc­haft kommen, ein wichtiger Vorläufers­toff von Feinstaub sind“, kritisiert Martin Häusling, der umweltpoli­tische Sprecher der Grünen im Europaparl­ament.

Der sozialisti­sche Abgeordnet­e Seb Dance macht die Mitgliedss­taaten für die „Verwässeru­ng“der Grenzwerte verantwort­lich. „Das Parlament hatte ehrgeizige­re Ziele. Aber Widerstand seitens des Parlaments hätte zu weiterer Verzögerun­g des Gesetzes geführt – angesichts der Uneinigkei­t der Mitgliedss­taaten und der Dringlichk­eit des Problems.“Dance fügte noch eine persönlich­e Bemerkung an: „Als britischer Bürger und als Politiker bin ich sehr beunruhigt über das Risiko, was ein möglicher harter Brexit für die britische Umwelt- und Gesundheit­spolitik bedeuten würde. Der Großteil unserer Umweltgese­tze leitet sich aus EU-Gesetzgebu­ng her.“

Problem Landwirtsc­haft Bis 2018 haben die EU-Mitgliedss­taaten Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht zu überführen. Die Reduktione­n müssen in zwei Etappen bis zu den Jahren 2020 und 2030 erreicht werden. Marcel Langner vom Umweltbund­esamt in Dessau hat dabei vor allem zwei große „Umsetzungs­baustellen“in Deutschlan­d ausgemacht. Zum einen sei das die Landwirtsc­haft und zum anderen die Kohleverst­romung.

„Der Druck auf die Landwirte und Betriebe wird stärker, bessere Abgasund Abluftanla­gen in die Ställe einzubauen sowie Gülle und Mist abzudecken und schneller in den Boden einzuarbei­ten“, sagt er. Außerdem müssten, was Braun- und Steinkohle angehe, endlich die Maßnahmen umgesetzt werden, die bei der Energiewen­de eigentlich vorgesehen wären. „Wenn Deutschlan­d darauf achtet, haben wir gute Chancen, die neuen Vorgaben einzuhalte­n“, sagt Langner.

Eine interaktiv­e Karte zur Feinstaub-Belastung finden Sie unter: www.schwaebisc­he.de/feinstaub

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany