Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Luft in Europa soll sauberer werden
EU-Parlament beschließt neue Regeln zur Schadstoffreduzierung
BRÜSSEL/RAVENSBURG - Atemwegserkrankungen sind für acht Prozent aller Todesfälle in der EU verantwortlich. Das steht im Gesundheitsbericht, den OECD und EUKommission am Mittwoch in Brüssel vorgelegt haben. Experten schätzen, dass mehr als 400 000 Menschen jedes Jahr an den Folgen von Luftverschmutzung sterben. Es ist also eine gute Nachricht, dass die zulässigen Höchstmengen für Luftschadstoffe wie Schwefeldioxid, Ammoniak, Stickoxid und Feinstaub weiter gesenkt werden sollen. Das EU-Parlament segnete am Mittwoch die Reform der entsprechenden Richtlinie ab. Allerdings stimmten die Grünen nicht zu. Sie bemängeln, dass aus Rücksicht auf die Landwirte Methan ausgeklammert wurde und auch sonst zu viele Kompromisse gemacht wurden.
Im Vergleich zu 2005 sollen 2030 die Stickoxid-Emissionen EU-weit um 63 Prozent reduziert sein, der Ausstoß an Schwefeldioxid sogar um 79 Prozent. NOx entsteht bei der Dieselverbrennung und in Kraftwerken, SO bei der Energieerzeugung. Ammoniak, das in Dünger enthalten ist und aus tierischen Fäkalien freigesetzt wird, soll um 19 Prozent zurückgehen, Feinstaubpartikel um 49 Prozent. In dem Bericht nahm das Parlament ausdrücklich Bezug auf den Abgasskandal, der das Thema ins öffentliche Bewusstsein gerückt habe.
Autobauer gefragt Sollten die Autobauer ihre Motoren nachrüsten, wäre ein Teil des Problems gelöst, denn Feinstaub entsteht bei der Kohleverbrennung und im Straßenverkehr. Flüchtige organische Verbindungen, wie sie in Lacken und Lösungsmitteln enthalten sind, sollen um 40 Prozent zurückgehen. Methan aber, eines der schädlichsten Klimagase, das bei der Viehzucht in großen Mengen freigesetzt wird, ist von der Richtlinie ausgenommen. Bei den anderen Stoffen gibt es ein Hintertürchen. Sollten die Werte wegen eines extrem heißen Sommers oder eines außergewöhnlich kalten Winters nicht eingehalten werden können, dürfen die Mitgliedsstaaten Werte aus drei aufeinander folgenden Jahren miteinander verrechnen. Kiel
„Die Minderungsziele für Ammoniak werden herabgesetzt und Methan ist aus dem Schadstoffkatalog sogar ganz gestrichen worden. Dabei ist erwiesen, dass Ammoniak-Emissionen, die zu 95 Prozent aus der Landwirtschaft kommen, ein wichtiger Vorläuferstoff von Feinstaub sind“, kritisiert Martin Häusling, der umweltpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament.
Der sozialistische Abgeordnete Seb Dance macht die Mitgliedsstaaten für die „Verwässerung“der Grenzwerte verantwortlich. „Das Parlament hatte ehrgeizigere Ziele. Aber Widerstand seitens des Parlaments hätte zu weiterer Verzögerung des Gesetzes geführt – angesichts der Uneinigkeit der Mitgliedsstaaten und der Dringlichkeit des Problems.“Dance fügte noch eine persönliche Bemerkung an: „Als britischer Bürger und als Politiker bin ich sehr beunruhigt über das Risiko, was ein möglicher harter Brexit für die britische Umwelt- und Gesundheitspolitik bedeuten würde. Der Großteil unserer Umweltgesetze leitet sich aus EU-Gesetzgebung her.“
Problem Landwirtschaft Bis 2018 haben die EU-Mitgliedsstaaten Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht zu überführen. Die Reduktionen müssen in zwei Etappen bis zu den Jahren 2020 und 2030 erreicht werden. Marcel Langner vom Umweltbundesamt in Dessau hat dabei vor allem zwei große „Umsetzungsbaustellen“in Deutschland ausgemacht. Zum einen sei das die Landwirtschaft und zum anderen die Kohleverstromung.
„Der Druck auf die Landwirte und Betriebe wird stärker, bessere Abgasund Abluftanlagen in die Ställe einzubauen sowie Gülle und Mist abzudecken und schneller in den Boden einzuarbeiten“, sagt er. Außerdem müssten, was Braun- und Steinkohle angehe, endlich die Maßnahmen umgesetzt werden, die bei der Energiewende eigentlich vorgesehen wären. „Wenn Deutschland darauf achtet, haben wir gute Chancen, die neuen Vorgaben einzuhalten“, sagt Langner.
Eine interaktive Karte zur Feinstaub-Belastung finden Sie unter: www.schwaebische.de/feinstaub