Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Advent, Advent mit Hochprozent
Verbraucherschützer: Kunden sollen bei Adventskalendern für Kinder genau hinschauen
BREMEN/RAVENSBURG - Verbraucherschützer warnen in diesen Tagen vor Adventskalendern, die aussehen wie für Kinder gemacht, aber Alkohol enthalten. Sie fordern, dass die Hersteller die Produkte deutlicher kennzeichnen sollen.
Schaut man sich derzeit in Süßwarenabteilungen um, fühlt man sich wie in einer verkehrten Welt: Die Edelmarke Hachez etwa bietet einen Adventskalender an, auf desssen Vorderseite sich lustige Figuren wie aus dem Kinderbuch auf dem Weihnachtsmarkt amüsieren. Ein Blick auf die Zutatenliste offenbart Stichworte wie aus der Cocktailkarte: Curaçao, Bitter-Likör, Alkohol, Marc de Champagne, Cointreau. Das Produkt sieht allerdings dermaßen nach Zielgruppe Kind aus, dass wohl kaum jemand vor dem Kauf auf die Zutaten achtet. In ähnlich kindlicher Optik gibt es einen Hachez-Adventskalender, auf dem der Hinweis „ohne Alkohol“prangt – für Verbraucher wäre es andersherum wohl eindeutiger.
Gewöhnung an den Geschmack Seit Jahren kritisieren Verbraucherschützer, dass nicht nur in Adventskalendern für Erwachsene, sondern auch in kindlich aufgemachten Modellen Süßigkeiten mit zugesetztem Alkohol enthalten sind. „Auch wenn durch solche kleinen Mengen Alkohol keine direkten Gesundheitsschäden zu erwarten sind – Kinder sollten Die Organisation Foodwatch kritisiert generell, dass Alkohol in vielen Lebensmitteln enthalten ist, aber nicht deklariert werden muss. Ist der Alkohol eine Zutat eines verpackten Lebensmittels (bei schnapshaltigen Pralinen etwa), muss der Alkohol unter den Zutaten aufgeführt werden. Wenn der Alkohol als Trägerstoff für Aromen dient, gilt er nicht als Zutat und muss auch nicht in der Zutatenliste zu finden sein. Das war etwa bei der „Milchschnitte“von Ferrero und dem „Bärensnack“von Nestlé der Fall. Nachdem der WDR das 1998 aufdeckte, änderten die grundsätzlich keinen Alkohol verzehren, sie könnten sich an den Geschmack gewöhnen“, sagt die Chefin der Verbraucherzentrale Bremen, Annabel Oelmann. Sie appelliert an die Veranwortung der Produzenten: „Hersteller sollten bei niedlich aussehenden Kalendern auf alkoholhaltige Zutaten verzichten oder aber sie anders gestalten“– etwa Firmen die Rezepturen, es ging doch ohne Alkohol. Was passiert, wenn etwa ein trockener Alkoholiker oder ein Kind Lebensmittel verzehren, die einen geringen Alkoholanteil haben? „Das sind besonders sensible Gruppen, die gar keinen Alkohol zu sich nehmen sollten“, sagt Lena Blanken von Foodwatch. Sie kritisiert auch das Etikett „alkoholfrei“als Mogelpackung. Bier, Sekt und Wein, die als alkoholfrei beworben werden, dürfe, dürfen trotzdem bis zu 0,5 Volumenprozent Alkohol enthalten. Alkohol steckt übrigens in mehr Lebensmitteln, als man denkt. Die mit einem deutlichen Hinweis auf der Vorderseite der Verpackung.
Eine Warnung vor dem Suchtstoff wäre auch für trockene Alkoholiker hilfreich. Doch der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) sieht keinen Handlungsbedarf. „Sensible Verbrauchergruppen“wie Alkoholiker, Schwangere oder Allergiker müssten eben einen Verbraucherzentrale Bremen weist in einer Liste auf betroffene Produkte hin. So sind Yes-Törtchen von Nestlé, Zitronenkuchen von Bahlsen und Mini-Croissants von 7 Days aufgeführt. Auch bei Grillsoßen sollten Verbraucher aufpassen. Hier findet sich etwa in der Cocktailsauce von Heinz Sherry in der Zutatenliste. Im Zweifel können Verbraucher online recherchieren, beispielsweise auf Internetseiten wie www.lebensmittelklarheit.de. Hersteller führen auch Zutatenlisten ihrer Produkte online, die man überprüfen kann. (dre) Blick auf die Zutatenliste werfen, findet BDSI-Sprecherin Solveig Schneider. Dort werde immer klar auf zugesetzten Alkohol hingewiesen. So verlange es ja auch die europäische Lebensmittelinformationsverordnung. Es gebe aber keine gesetzliche Verpflichtung, auch auf der Vorderseite von Verpackungen auf einzelne Zutaten hinzuweisen, sagte die BDSISprecherin auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Warum werden Süßigkeiten für Kinder überhaupt mit Alkohol versetzt?
Diese Frage wurde bereits vor Jahren vom damaligen Chef der Bremer Schokoladenfabrik Hachez beantwortet. Hasso Nauck sagte 2010 dem Radio-Bremen-Fernsehen, für bestimmte Rezepturen seien „Spuren von Alkohol“nötig, um die Süßigkeiten länger haltbar zu machen. Marzipan etwa werde ohne den Zusatzstoff „nach kürzester Zeit hart wie ein Backstein“.