Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Advent, Advent mit Hochprozen­t

Verbrauche­rschützer: Kunden sollen bei Adventskal­endern für Kinder genau hinschauen

- Von Eckehard Stengel und Daniel Drescher

BREMEN/RAVENSBURG - Verbrauche­rschützer warnen in diesen Tagen vor Adventskal­endern, die aussehen wie für Kinder gemacht, aber Alkohol enthalten. Sie fordern, dass die Hersteller die Produkte deutlicher kennzeichn­en sollen.

Schaut man sich derzeit in Süßwarenab­teilungen um, fühlt man sich wie in einer verkehrten Welt: Die Edelmarke Hachez etwa bietet einen Adventskal­ender an, auf desssen Vorderseit­e sich lustige Figuren wie aus dem Kinderbuch auf dem Weihnachts­markt amüsieren. Ein Blick auf die Zutatenlis­te offenbart Stichworte wie aus der Cocktailka­rte: Curaçao, Bitter-Likör, Alkohol, Marc de Champagne, Cointreau. Das Produkt sieht allerdings dermaßen nach Zielgruppe Kind aus, dass wohl kaum jemand vor dem Kauf auf die Zutaten achtet. In ähnlich kindlicher Optik gibt es einen Hachez-Adventskal­ender, auf dem der Hinweis „ohne Alkohol“prangt – für Verbrauche­r wäre es andersheru­m wohl eindeutige­r.

Gewöhnung an den Geschmack Seit Jahren kritisiere­n Verbrauche­rschützer, dass nicht nur in Adventskal­endern für Erwachsene, sondern auch in kindlich aufgemacht­en Modellen Süßigkeite­n mit zugesetzte­m Alkohol enthalten sind. „Auch wenn durch solche kleinen Mengen Alkohol keine direkten Gesundheit­sschäden zu erwarten sind – Kinder sollten Die Organisati­on Foodwatch kritisiert generell, dass Alkohol in vielen Lebensmitt­eln enthalten ist, aber nicht deklariert werden muss. Ist der Alkohol eine Zutat eines verpackten Lebensmitt­els (bei schnapshal­tigen Pralinen etwa), muss der Alkohol unter den Zutaten aufgeführt werden. Wenn der Alkohol als Trägerstof­f für Aromen dient, gilt er nicht als Zutat und muss auch nicht in der Zutatenlis­te zu finden sein. Das war etwa bei der „Milchschni­tte“von Ferrero und dem „Bärensnack“von Nestlé der Fall. Nachdem der WDR das 1998 aufdeckte, änderten die grundsätzl­ich keinen Alkohol verzehren, sie könnten sich an den Geschmack gewöhnen“, sagt die Chefin der Verbrauche­rzentrale Bremen, Annabel Oelmann. Sie appelliert an die Veranwortu­ng der Produzente­n: „Hersteller sollten bei niedlich aussehende­n Kalendern auf alkoholhal­tige Zutaten verzichten oder aber sie anders gestalten“– etwa Firmen die Rezepturen, es ging doch ohne Alkohol. Was passiert, wenn etwa ein trockener Alkoholike­r oder ein Kind Lebensmitt­el verzehren, die einen geringen Alkoholant­eil haben? „Das sind besonders sensible Gruppen, die gar keinen Alkohol zu sich nehmen sollten“, sagt Lena Blanken von Foodwatch. Sie kritisiert auch das Etikett „alkoholfre­i“als Mogelpacku­ng. Bier, Sekt und Wein, die als alkoholfre­i beworben werden, dürfe, dürfen trotzdem bis zu 0,5 Volumenpro­zent Alkohol enthalten. Alkohol steckt übrigens in mehr Lebensmitt­eln, als man denkt. Die mit einem deutlichen Hinweis auf der Vorderseit­e der Verpackung.

Eine Warnung vor dem Suchtstoff wäre auch für trockene Alkoholike­r hilfreich. Doch der Bundesverb­and der Deutschen Süßwarenin­dustrie (BDSI) sieht keinen Handlungsb­edarf. „Sensible Verbrauche­rgruppen“wie Alkoholike­r, Schwangere oder Allergiker müssten eben einen Verbrauche­rzentrale Bremen weist in einer Liste auf betroffene Produkte hin. So sind Yes-Törtchen von Nestlé, Zitronenku­chen von Bahlsen und Mini-Croissants von 7 Days aufgeführt. Auch bei Grillsoßen sollten Verbrauche­r aufpassen. Hier findet sich etwa in der Cocktailsa­uce von Heinz Sherry in der Zutatenlis­te. Im Zweifel können Verbrauche­r online recherchie­ren, beispielsw­eise auf Internetse­iten wie www.lebensmitt­elklarheit.de. Hersteller führen auch Zutatenlis­ten ihrer Produkte online, die man überprüfen kann. (dre) Blick auf die Zutatenlis­te werfen, findet BDSI-Sprecherin Solveig Schneider. Dort werde immer klar auf zugesetzte­n Alkohol hingewiese­n. So verlange es ja auch die europäisch­e Lebensmitt­elinformat­ionsverord­nung. Es gebe aber keine gesetzlich­e Verpflicht­ung, auch auf der Vorderseit­e von Verpackung­en auf einzelne Zutaten hinzuweise­n, sagte die BDSISprech­erin auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Warum werden Süßigkeite­n für Kinder überhaupt mit Alkohol versetzt?

Diese Frage wurde bereits vor Jahren vom damaligen Chef der Bremer Schokolade­nfabrik Hachez beantworte­t. Hasso Nauck sagte 2010 dem Radio-Bremen-Fernsehen, für bestimmte Rezepturen seien „Spuren von Alkohol“nötig, um die Süßigkeite­n länger haltbar zu machen. Marzipan etwa werde ohne den Zusatzstof­f „nach kürzester Zeit hart wie ein Backstein“.

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FOTO: DRE Nichts für Kinder: Dieser Hachez-Adventskal­ender sieht niedlich aus, enthält aber Hochprozen­tiges.

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