Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Außer Kontrolle
„Deepwater Horizon“– Realistisches Actionspektakel über Katastrophe auf der Bohrinsel
egisseur Peter Berg inszeniert die Explosion der Ölbohrplattform „Deepwater Horizon“als Actiondrama – optisch beeindruckend, aber ohne Blick für die Folgen.
„Deepwater Horizon“– der Name steht stellvertretend für die schwerste Umweltkatastrophe in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Dafür hat der gleichnamige Film aber nur ein paar dürre Worte im Abspann übrig. Peter Berg interessiert vielmehr die menschliche Seite der Katastrophe, bei der elf Arbeiter ums Leben kamen – und natürlich die Gelegenheit, ein bombastisches Actioninferno zu inszenieren. Schließlich gilt der Regisseur von „Lone Survivor“und „The Kingdom“als Experte wenn es darum geht, Männer in Extremsituationen zu zeigen.
Dabei sieht zunächst alles nach einem Routineeinsatz aus: Cheftechniker Mike Williams (Mark Wahlberg) verabschiedet sich von Frau (Kate Hudson) und Tochter. Er tritt seinen Dienst auf der Ölplattform vor der Küste Louisianas im Golf von Mexiko an. Dort liegt man 43 Tage hinter dem Zeitplan zurück, aber für Mike und Projektleiter Jimmy Harrell (Kurt Russell) geht Sicherheit vor Hektik. Manager Donald Vidrine (John Malkovich) vom British-Petrol (BP)-Konzern sieht das anders. Das Öl muss fließen und er drängt bei den Tests zur Eile. Zwar gibt es beim Bohrdruck Ungereimtheiten, dennoch wird die Förderung wieder aufgenommen. Dabei kommt es zu einem sogenannten Blowout, Öl schießt unkontrolliert nach oben und die Ölbohrplattform geht schließlich in Flammen auf.
Während sich die tatsächliche Berichterstattung damals nachvollziehbar auf die verheerenden Folgen für die Umwelt konzentrierte – das Bohrloch konnte erst nach 87 Tagen geschlossen werden – gilt das Augenmerk des Films den Ereignissen auf der Bohrinsel. Basierend auf dem Artikel der New York Times „Deepwater Horizon’s Final Hours” werden die fatalen Fehlentscheidungen rekonstruiert. Der Film nimmt sich Zeit und mutet seinen Zuschauern auch einiges an Fachlatein zu. Dabei vermittelt er die wesentlichen Konzepte recht anschaulich, zum Beispiel als Mike seiner Tochter mithilfe einer Coladose die Abläufe erklärt.
Ein herausragender Kurt Russell Jenseits solcher knappen Familienszenen bleibt kaum Zeit für Figurenzeichnungen. Das kann man kritisieren, andererseits ist es durchaus erfrischend, dass man einmal ohne dramatische Hintergrundgeschichten Menschen in ihrem professionellen Umfeld sieht. Wahlberg gibt routiniert die geradlinige Identifikationsfigur. Größeren Eindruck hinterlässt aber Kurt Russell als knurriger Projektleiter, der mit Konzernbösewicht John Malkovich um den richtigen Kurs ringt.
Actionfreunde mögen die erste Filmhälfte dennoch als zu betulich empfinden, dürften aber im zweiten Teil voll auf ihre Kosten kommen. Für den Dreh wurde mal eben die komplette Plattform nachgebaut und in einen gigantischen Wassertank verfrachtet. Dies verleiht dem Film eine sehr realistische Atmosphäre. Doch sobald das Unglück seinen Lauf nimmt, wird es in den Flammen zunehmend schwerer, den Überblick zu behalten. In einem letzten Akt und im Abspann schließlich wird Überlebenden wie Opfern Tribut gezollt. Wer etwas über die Folgen für die Umwelt wissen will, erhält jedoch keine Antworten.
Peter Berg hat sich derweil schon der nächsten Extremsituation zugewandt: Sein Film „Patriots Day“wird den Bombenanschlag auf den Boston Marathon behandeln.
Deepwater Horizon. Regie: Peter Berg. Mit Mark Wahlberg, Kurt Russell, John Malkovich. Kate Hudson. USA 2016. 107 Minuten. FSK ab 12.