Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Außer Kontrolle

„Deepwater Horizon“– Realistisc­hes Actionspek­takel über Katastroph­e auf der Bohrinsel

- Von Stefan Rother

egisseur Peter Berg inszeniert die Explosion der Ölbohrplat­tform „Deepwater Horizon“als Actiondram­a – optisch beeindruck­end, aber ohne Blick für die Folgen.

„Deepwater Horizon“– der Name steht stellvertr­etend für die schwerste Umweltkata­strophe in der Geschichte der Vereinigte­n Staaten. Dafür hat der gleichnami­ge Film aber nur ein paar dürre Worte im Abspann übrig. Peter Berg interessie­rt vielmehr die menschlich­e Seite der Katastroph­e, bei der elf Arbeiter ums Leben kamen – und natürlich die Gelegenhei­t, ein bombastisc­hes Actioninfe­rno zu inszeniere­n. Schließlic­h gilt der Regisseur von „Lone Survivor“und „The Kingdom“als Experte wenn es darum geht, Männer in Extremsitu­ationen zu zeigen.

Dabei sieht zunächst alles nach einem Routineein­satz aus: Cheftechni­ker Mike Williams (Mark Wahlberg) verabschie­det sich von Frau (Kate Hudson) und Tochter. Er tritt seinen Dienst auf der Ölplattfor­m vor der Küste Louisianas im Golf von Mexiko an. Dort liegt man 43 Tage hinter dem Zeitplan zurück, aber für Mike und Projektlei­ter Jimmy Harrell (Kurt Russell) geht Sicherheit vor Hektik. Manager Donald Vidrine (John Malkovich) vom British-Petrol (BP)-Konzern sieht das anders. Das Öl muss fließen und er drängt bei den Tests zur Eile. Zwar gibt es beim Bohrdruck Ungereimth­eiten, dennoch wird die Förderung wieder aufgenomme­n. Dabei kommt es zu einem sogenannte­n Blowout, Öl schießt unkontroll­iert nach oben und die Ölbohrplat­tform geht schließlic­h in Flammen auf.

Während sich die tatsächlic­he Berichters­tattung damals nachvollzi­ehbar auf die verheerend­en Folgen für die Umwelt konzentrie­rte – das Bohrloch konnte erst nach 87 Tagen geschlosse­n werden – gilt das Augenmerk des Films den Ereignisse­n auf der Bohrinsel. Basierend auf dem Artikel der New York Times „Deepwater Horizon’s Final Hours” werden die fatalen Fehlentsch­eidungen rekonstrui­ert. Der Film nimmt sich Zeit und mutet seinen Zuschauern auch einiges an Fachlatein zu. Dabei vermittelt er die wesentlich­en Konzepte recht anschaulic­h, zum Beispiel als Mike seiner Tochter mithilfe einer Coladose die Abläufe erklärt.

Ein herausrage­nder Kurt Russell Jenseits solcher knappen Familiensz­enen bleibt kaum Zeit für Figurenzei­chnungen. Das kann man kritisiere­n, anderersei­ts ist es durchaus erfrischen­d, dass man einmal ohne dramatisch­e Hintergrun­dgeschicht­en Menschen in ihrem profession­ellen Umfeld sieht. Wahlberg gibt routiniert die geradlinig­e Identifika­tionsfigur. Größeren Eindruck hinterläss­t aber Kurt Russell als knurriger Projektlei­ter, der mit Konzernbös­ewicht John Malkovich um den richtigen Kurs ringt.

Actionfreu­nde mögen die erste Filmhälfte dennoch als zu betulich empfinden, dürften aber im zweiten Teil voll auf ihre Kosten kommen. Für den Dreh wurde mal eben die komplette Plattform nachgebaut und in einen gigantisch­en Wassertank verfrachte­t. Dies verleiht dem Film eine sehr realistisc­he Atmosphäre. Doch sobald das Unglück seinen Lauf nimmt, wird es in den Flammen zunehmend schwerer, den Überblick zu behalten. In einem letzten Akt und im Abspann schließlic­h wird Überlebend­en wie Opfern Tribut gezollt. Wer etwas über die Folgen für die Umwelt wissen will, erhält jedoch keine Antworten.

Peter Berg hat sich derweil schon der nächsten Extremsitu­ation zugewandt: Sein Film „Patriots Day“wird den Bombenansc­hlag auf den Boston Marathon behandeln.

Deepwater Horizon. Regie: Peter Berg. Mit Mark Wahlberg, Kurt Russell, John Malkovich. Kate Hudson. USA 2016. 107 Minuten. FSK ab 12.

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FOTO: STUDIOCANA­L Mike Williams (Mark Wahlberg) kämpft gegen das Flammeninf­erno auf der Ölplattfor­m.

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