Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Azubis machen Brettchen aus Bäumen
Benefizaktion soll Geld für die weitere Sanierung der evangelischen Stadtkirche einspielen
RAVENSBURG (sz) - Als 2015 die beiden schief gewachsenen Birken und der genauso krumme Thuja-Baum an der Evangelischen Stadtkirche in Ravensburg gefällt wurden, nahm kaum jemand Notiz davon. Die Bauarbeiter brauchten Platz für die anstehende Sanierung des 700 Jahre alten Gotteshauses. Doch die Bäume sind nicht einfach verschwunden, sie landeten im Berufsbildungswerk Adolf Aich (BBW). Azubis haben daraus Weihnachtssterne, Vesperbrettchen und Christbäume gemacht. Ihr Verkauf soll nun Geld für die Sanierung einbringen, die bekanntlich teurer wird als ursprünglich geplant.
Das BBW, eine Tochtergesellschaft der Stiftung Liebenau, qualifiziert in mehr als 50 Ausbildungsberufen Menschen mit Benachteiligungen für den ersten Arbeitsmarkt. Als das Pfarramt fragte, ob die Schreinerei am BBW die Bäume haben wolle, hat Lehrer Johann Stroh sofort zugesagt. Am Sonntag, 27. November, sind die originellen Kostbarkeiten nun im Anschluss an den 10-Uhr-Gottesdienst zu bewundern und erwerben.
Johann Stroh und seine Kollegen Ludwig Speidler, Ausbildungsleiter des Schreinerzentrums, Ulrich Steinle, Schreiner und Arbeitserzieher, sowie Jan Ackermann und Markus Striedacher aus der Zimmerei haben aus dem Auftrag der evangelischen Kirchengemeinde ein umfangreiches Projekt gemacht. Sahen sie doch die Möglichkeit, mit ihren Schülern den ganzen Weg vom Rohstoff, sprich: Baum, bis zum fertigen Produkt zu üben. Es ging ins Sägewerk, wo Holz fachgerecht gestapelt, getrocknet und zugesägt wurde. Der Umgang mit Ketten- und Handkreissäge wurde geübt.
„Hier wird keiner reduziert“Für die Sterne und Weihnachtsbäume mussten Vorlagen erstellt und auf die Holzblöcke übertragen werden. Für die Scheiben, aus denen Vesperbrettchen entstehen sollten, wurde die CNC-Maschine programmiert. Der 21-jährige Sebastian Bucher, der als Mitarbeiter im Berufsbildungsbereich der Werkstatt für Behinderte der St.-Gallus-Hilfe in der BBWSchreinerei tätig ist, hat die Weihnachtsbäume gesägt. Er redet offen über seine Behinderung und mag seinen Arbeitsplatz: „Hier hat jeder seine eigenen Schwächen und Stärken und wird damit akzeptiert. Hier reduziert einen niemand auf seine Krankheit. Das ist es, was ich hier so sehr schätze.“
Für seine Lehrer und Ausbilder sind noch weitere Aspekte wichtig: „Durch die vielen Möglichkeiten des BBW können wir unsere Auszubildenden in ganz normalen und vielgliedrigen Arbeitsprozessen anleiten. Viele Menschen sind mit vielen Arbeitsschritten befasst“, sagt Ausbildungsleiter Ludwig Speidler. Kollege Ulrich Steinle ergänzt: „Für uns als Werkstatt für Behinderte ist es wichtig, dass wir bei Projekten dabei sind, bei denen unsere Leute erleben können, was aus ihrer Arbeit wird. Sie sehen, dass daraus Gegenstände werden, die andere gerne kaufen.“Und Johann Stroh freut sich über den ökumenischen Aspekt: „Es ist toll, dass wir als katholische Einrichtung im Lutherjahr einen so schönen Auftrag für die evangelische Kirche übernehmen durften“.