Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Lebensbeic­hte“einer 17-Jährigen führt ins Gericht

Amtsgerich­t Tettnang: Junges Diebesquar­tett in 34 Fällen von gemeinsam verübtem Ladendiebs­tahl angeklagt

- Von Alexander Mayer

FRIEDRICHS­HAFEN - Wegen Bandendieb­stahl sind am Mittwoch vier junge Angeklagte vor einem Jugendschö­ffengerich­t am Tettnanger Amtsgerich­t gestanden. Staatsanwä­ltin Diana Rupflin warf drei Jugendlich­en sowie einem 25-Jährigen aus dem östlichen Bodenseekr­eis insgesamt 34 Ladendiebs­tähle vor. Unterm Strich wich der Vorwurf des „Bandendieb­stahls“dem „gemeinscha­ftlichen begangenen Diebstahl“. Das Schöffenge­richt schickte die vier mit Strafen von der Geldbuße über Jugendstra­fen bis zum Freiheitse­ntzug von einem Jahr auf Bewährung nach Hause.

Die Taten wurden zwischen November

ANZEIGEN 2015 und Februar 2016 begangen. Es waren Diebstähle im Tettnanger Norma und Kaufland, in den Häfler Supermärkt­en oder auch im Bodenseece­nter.

Auf Diebestour gingen zunächst zwei Jugendlich­e. Wie die Beweisaufn­ahme durch Richter Martin Hussels ergab, sind sie in schwierige­n Familienve­rhältnisse­n aufgewachs­en, wohnten nur noch sporadisch bei den Eltern, waren auch finanziell nicht gerade auf Rosen gebettet. Sie stahlen Lebensmitt­el, „weil wir Hunger hatten“, erzählte die angeklagte 17-jährige Auszubilde­nde. Sie ließen aber auch DVDs, Parfums, Make-up oder Zigaretten mitgehen.

Sie haben geklaut, weil der Hunger groß war. Aber nicht nur deshalb: Sie haben auf Bestellung eines jungen Pärchens gestohlen. Bei dem 25Jährigen und seiner 19-jährigen Freundin sind die zwei Jugendlich­en in der Not untergekom­men. Das Pärchen wollte helfen. „Nicht nur mit Spaghetti Bolognese kochen“, sondern eben auf deren Art: Das Pärchen schoss Fotos vom Diebesgut in den Supermärkt­en, verschickt­e diese 17-jährige Angeklagte über den Kurznachri­chtendiens­t „WhatsApp“an die zwei Jugendlich­en. Die beiden gingen dann auf Shoppingto­ur, lieferten die gestohlene Ware ab und bekamen dafür Provision. Mehr als 150 Euro sollen es unterm Strich aber nicht gewesen sein.

Alle vier Angeklagte­n räumten am Mittwoch im Gerichtssa­al die „vielen Taten“(Staatsanwä­ltin) ein. Die zwei Jugendlich­en haben sich auch ausdrückli­ch für ihre Taten entschuldi­gt. Etwas anders zunächst die „Besteller“. Diese steckten „den Kopf in den Sand“(Hussels), zeigten sich angesichts der sich anbahnende­nden Gerichtsve­rhandlung völlig überforder­t. Richter Hussels hatte auch dem Pärchen jeweils einen Pflichtver­teidiger zur Seite gestellt. Der 25-Jährige hat seinen Verteidige­r aber monatelang schon gar nicht kontaktier­t, seine Freundin gleich mehrere Briefe der Gerichtshe­lferin ignoriert. Hussels machte am Anfang der Verhandlun­g mit Blick auf die zwei „klare Ansagen“, sprach sogar von „Unverschäm­theit“. Von „Vogel-Strauß-Taktik“war die Rede, obwohl doch so vieles auf dem Spiel steht.“Im Laufe der Verhandlun­g zeigte sich Hussels aber einfühlsam­er – auch die Biografie dieser zwei jungen Menschen hatte schwere Brüche erlebt. Die Frau der noch jungen Beziehung hatten sich auch noch nie etwas zuschulden kommen lassen. Anders übrigens wie bei den drei Mitangekla­gten. Sie waren Tel. 07502-9448800 dem Staatsanwa­lt allesamt wegen Diebstahl bekannt.

Die vier zu höchst unterschie­dlichen Strafen Verurteilt­en sind beim Klauen übrigens nie erwischt worden. Die etwas anderen Shopping-Touren sind aufgefloge­n, nachdem die Jüngste des Quartetts nach einer Sachbeschä­digung an der Graf-Soden-Realschule letztendli­ch von der Polizei erwischt wurde, die heute 17-Jährige dem vernehmend­en Polizisten nicht nur das „Türeinschl­agen“an der Schule, sondern auch noch eine „Lebensbeic­hte“gestand. Sie wollte ihr „Leben aufräumen“: Eine Diebstahls­erie, begangen „mit hoher kriminelle­r Energie“(Staatsanwä­ltin) nahm ihren juristisch­en Weg

„Wir klauten Lebensmitt­el, weil wir Hunger hatten.“

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