Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Nebenjob: Rathauschef
Ehrenamtliche Bürgermeister haben die gleichen Gesetze anzuwenden wie hauptamtliche, aber weniger Geld
GUGGENHAUSEN - Die 184 Bürger von Guggenhausen, der kleinsten Gemeinde im Landkreis Ravensburg, dürfen am Sonntag einen neuen Bürgermeister wählen. Der noch amtierende Schultes Erich Köberle, der die Geschicke der Gemeinde seit 24 Jahre lenkt, lehnt es ab, ein viertes Mal anzutreten. Dass es vier mögliche Nachfolger gibt, ist keineswegs selbstverständlich. Vor allem deshalb, weil auch das Bürgermeisteramt in Guggenhausen kein lockerer Nebenjob ist – auch wenn es sich bloß um ein Ehrenamt handelt.
Zweimal die Woche, dienstag-und donnerstagabends, hat Bürgermeister Köberle Sprechstunde. Dann erledigt er für die Bürger all das, was er erledigen kann. Abgesehen von seiner Assistentin gibt es keinen weiteren Mitarbeiter. Außer den Sprechzeiten stehen für Köberle noch ein bis zwei Termine die Woche an.
Zum Beispiel, wenn sich die elf Bürgermeister des Gemeindeverbands treffen. Dann darf er seinen eigentlichen Arbeitsplatz im Biberacher Landratsamt verlassen. „Der alte Landrat hat mich damals unterstützt“, erinnert sich Köberle, als er 1992 gewählt wurde, „er sagte, dass ich für alle Tätigkeiten, die mit dem Amt verbunden seien, freigestellt werde.“Das handhaben längst nicht alle Arbeitgeber so.
Ein Tagungsordnungspunkt Und dann sind da noch die Gemeinderatssitzungen. Meistens steht nur ein einziger Punkt auf der Tagesordnung. Acht Gemeinderäte entscheiden zusammen mit Köberle, wie hoch beispielsweise die Abwassergebühren in Guggenhausen liegen. Der Haushalt der Gemeinde ist ausgeglichen. „Aber das liegt nur daran, dass seit 20 Jahren nichts kaputtgegangen ist“, sagt Köberle.
Müsste die Gemeinde ein Rohr erneuern, werde das teuer. 140 000 Euro bekommt die Gemeinde vom Land zugewiesen. Nachdem alle Umlagen abgezogen wurden, bleiben irgendwas zwischen 50 000 und 80 000 Euro für den Verwaltungshaushalt über. Damit muss Köberle alles bezahlen, was anfällt.
Wie zum Beispiel die Unterbringung eines Flüchtlings. „Als die Krise war, haben mir schon die Knie gezittert“, sagt Köberle. Guggenhausen wurden vier Asylbewerber zugewiesen. „Ich hätte nicht gewusst, wohin ich die stecken soll. Wohnungen gibt es hier ja nicht so viele.“Schlussendlich blieb es bei einem Kameruner, der aktuell in Guggenhausen lebt. Der erfüllt die Pflichtquote der Gemeinde nun zu 50 Prozent.
Es mag nach wenig klingen, aber der Schlüssel gilt für alle Gemeinden gleichermaßen, egal wie klein oder groß sie sind. Vor dem Gesetz sind sozusagen alle Gemeinden gleich.
Und ein ehrenamtlicher Bürgermeister muss sich genauso in Gesetzeslagen fortbilden wie sein Amtskollege in der Kreisstadt. Nur dass dieser ein ganz anderes Gehalt aus dem Rathaus trägt. Bürgermeister von Gemeinden unter 500 Einwohnern verdienen knapp 1500 Euro, bis 1000 Einwohner etwa 2300 Euro und über 1000 Einwohner gut 3200 Euro. Ist das die Mühe wirklich wert?
Für Erich Köberle schon. Zwar habe er sich in das Amt beim ersten Mal eher reinquatschen lassen, aber wenn es ihm nicht gefallen würde, hätte er sich wohl nicht zweimal zur Wiederwahl gestellt. Hineinwachsen musste er dennoch erst in das Amt: „Was glauben Sie, wie es mir ergangen ist, als ich meine erste Leichenrede halten musste?“
25 Trauungen in 24 Jahren Auf der anderen Seite war es Köberle vergönnt, 25 Paare miteinander zu verheiraten. Viele von ihnen leben heute in Guggenhausen. Aber nicht alle. Denn zwar wollten diese auch gern bleiben, nur gab es keinen Grund zum Bauen. Das bedauert Köberle am meisten: Dass er die Gemeinde nicht wirklich hat vergrößern können. Aber was will man machen, wenn die einzigen, die Flächen zu verkaufen hätten, nicht verkaufen wollen. Ohne Grund gibt es auch kein neues Baugebiet.
Das erste Problem, mit dem sein Nachfolger wohl zu kämpfen hat, ist der Ausbau des schnellen Internets. Da sei er hinterhergewesen, aber bislang liegen nur die leeren Röhren. Hoffentlich guckt der nächste Bürgermeister sprichwörtlich nicht in diese hinein.