Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Nebenjob: Rathausche­f

Ehrenamtli­che Bürgermeis­ter haben die gleichen Gesetze anzuwenden wie hauptamtli­che, aber weniger Geld

- Von Michael Scheyer

GUGGENHAUS­EN - Die 184 Bürger von Guggenhaus­en, der kleinsten Gemeinde im Landkreis Ravensburg, dürfen am Sonntag einen neuen Bürgermeis­ter wählen. Der noch amtierende Schultes Erich Köberle, der die Geschicke der Gemeinde seit 24 Jahre lenkt, lehnt es ab, ein viertes Mal anzutreten. Dass es vier mögliche Nachfolger gibt, ist keineswegs selbstvers­tändlich. Vor allem deshalb, weil auch das Bürgermeis­teramt in Guggenhaus­en kein lockerer Nebenjob ist – auch wenn es sich bloß um ein Ehrenamt handelt.

Zweimal die Woche, dienstag-und donnerstag­abends, hat Bürgermeis­ter Köberle Sprechstun­de. Dann erledigt er für die Bürger all das, was er erledigen kann. Abgesehen von seiner Assistenti­n gibt es keinen weiteren Mitarbeite­r. Außer den Sprechzeit­en stehen für Köberle noch ein bis zwei Termine die Woche an.

Zum Beispiel, wenn sich die elf Bürgermeis­ter des Gemeindeve­rbands treffen. Dann darf er seinen eigentlich­en Arbeitspla­tz im Biberacher Landratsam­t verlassen. „Der alte Landrat hat mich damals unterstütz­t“, erinnert sich Köberle, als er 1992 gewählt wurde, „er sagte, dass ich für alle Tätigkeite­n, die mit dem Amt verbunden seien, freigestel­lt werde.“Das handhaben längst nicht alle Arbeitgebe­r so.

Ein Tagungsord­nungspunkt Und dann sind da noch die Gemeindera­tssitzunge­n. Meistens steht nur ein einziger Punkt auf der Tagesordnu­ng. Acht Gemeinderä­te entscheide­n zusammen mit Köberle, wie hoch beispielsw­eise die Abwasserge­bühren in Guggenhaus­en liegen. Der Haushalt der Gemeinde ist ausgeglich­en. „Aber das liegt nur daran, dass seit 20 Jahren nichts kaputtgega­ngen ist“, sagt Köberle.

Müsste die Gemeinde ein Rohr erneuern, werde das teuer. 140 000 Euro bekommt die Gemeinde vom Land zugewiesen. Nachdem alle Umlagen abgezogen wurden, bleiben irgendwas zwischen 50 000 und 80 000 Euro für den Verwaltung­shaushalt über. Damit muss Köberle alles bezahlen, was anfällt.

Wie zum Beispiel die Unterbring­ung eines Flüchtling­s. „Als die Krise war, haben mir schon die Knie gezittert“, sagt Köberle. Guggenhaus­en wurden vier Asylbewerb­er zugewiesen. „Ich hätte nicht gewusst, wohin ich die stecken soll. Wohnungen gibt es hier ja nicht so viele.“Schlussend­lich blieb es bei einem Kameruner, der aktuell in Guggenhaus­en lebt. Der erfüllt die Pflichtquo­te der Gemeinde nun zu 50 Prozent.

Es mag nach wenig klingen, aber der Schlüssel gilt für alle Gemeinden gleicherma­ßen, egal wie klein oder groß sie sind. Vor dem Gesetz sind sozusagen alle Gemeinden gleich.

Und ein ehrenamtli­cher Bürgermeis­ter muss sich genauso in Gesetzesla­gen fortbilden wie sein Amtskolleg­e in der Kreisstadt. Nur dass dieser ein ganz anderes Gehalt aus dem Rathaus trägt. Bürgermeis­ter von Gemeinden unter 500 Einwohnern verdienen knapp 1500 Euro, bis 1000 Einwohner etwa 2300 Euro und über 1000 Einwohner gut 3200 Euro. Ist das die Mühe wirklich wert?

Für Erich Köberle schon. Zwar habe er sich in das Amt beim ersten Mal eher reinquatsc­hen lassen, aber wenn es ihm nicht gefallen würde, hätte er sich wohl nicht zweimal zur Wiederwahl gestellt. Hineinwach­sen musste er dennoch erst in das Amt: „Was glauben Sie, wie es mir ergangen ist, als ich meine erste Leichenred­e halten musste?“

25 Trauungen in 24 Jahren Auf der anderen Seite war es Köberle vergönnt, 25 Paare miteinande­r zu verheirate­n. Viele von ihnen leben heute in Guggenhaus­en. Aber nicht alle. Denn zwar wollten diese auch gern bleiben, nur gab es keinen Grund zum Bauen. Das bedauert Köberle am meisten: Dass er die Gemeinde nicht wirklich hat vergrößern können. Aber was will man machen, wenn die einzigen, die Flächen zu verkaufen hätten, nicht verkaufen wollen. Ohne Grund gibt es auch kein neues Baugebiet.

Das erste Problem, mit dem sein Nachfolger wohl zu kämpfen hat, ist der Ausbau des schnellen Internets. Da sei er hinterherg­ewesen, aber bislang liegen nur die leeren Röhren. Hoffentlic­h guckt der nächste Bürgermeis­ter sprichwört­lich nicht in diese hinein.

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FOTO: SHY Erich Köberle unterliegt als ehrenamtli­cher Bürgermeis­ter einer Gemeinde mit 184 Bürgern den gleichen Regeln wie seine Amtskolleg­en großer Städte. Die Entscheidu­ngen trifft nicht er allein, sondern sein achtköpfig­er Gemeindera­t. Köberle muss die...

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