Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Einer für alle Genossen
Die SPD hatte bei den zwei letzten Bundestagswahlen honorige Kandidaten: Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück. Beide pragmatisch und nicht ideologisch, beide regierungserfahren und beide auch für Wähler aus dem Unionsumfeld wählbar. Doch Erfolg hatten weder Steinmeier noch Steinbrück. Die Analyse der empfindlichen Wahlniederlagen legte nahe, dass ein gewerkschaftlich geprägtes Programm und die zwei Befürworter der Agenda 2010 – höflich ausgedrückt – nicht besonders gut harmoniert hatten. Das sollten die berücksichtigen, die über eine Kanzlerkandidatur des noch amtierenden Europaparlamentspräsidenten Martin Schulz spekulieren.
Schulz ist nun kein ausgewiesener Innenpolitiker, doch es gibt ein paar vage Indizien, dass im Falle von Schulz der mögliche Spitzenkandidat erstmals seit Jahren mit seiner Partei an einem Strang und in eine Richtung ziehen könnte. Die Jusos mögen ihn, wie auch der Gewerkschaftsflügel. Für Schulz spricht, dass er aufgrund seiner europapolitischen Erfahrung und seiner Kontakte aus dem Stand einen Außenminister ohne Pech, Pannen und Peinlichkeiten geben könnte, wenn Amtsinhaber Steinmeier dann im Februar zum Bundespräsidenten gewählt worden ist.
Ob er aber die SPD erfolgreich ins Kanzleramt führen könnte, hängt neben der Partei vor allem von Sigmar Gabriel ab. Er hat als Bundesvorsitzender das Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur. Vor knapp einem Jahr hat er bei seiner Wiederwahl als Parteichef ein Debakel erlebt, ein Viertel der Genossen verweigerte ihm die Zustimmung. Es ist nicht sichtbar, dass sich Gabriel davon wirklich erholt hat. Gibt er Schulz den Weg frei, dann riskiert er auch den Vorsitz. Verliert er den, dann ist die politische Karriere zum zweiten Mal nach seiner Abwahl als niedersächsischer Ministerpräsident auf Jahre beendet.
Eines bleibt festzuhalten: Der Zeitplan führender Sozialdemokraten, erst im Januar über die Person zu entscheiden, die 2017 Angela Merkel schlagen soll, ist nicht zu halten.