Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kinderarbeit für Überraschungseier?
Rumänische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ferrero – Unstimmigkeiten über Video
BERLIN - Manchen bunten Teller zum bald anstehenden Nikolaustag werden sich Eltern wohl mit gemischten Gefühlen anschauen, sofern auch Überraschungseier der Marke „Kinder“unter den süßen Gaben liegen. Denn nun stellt sich die Frage, ob das Minispielzeug von rumänischen Kindern in das Kunststoffgehäuse hineingelegt wurde. Die rumänische Staatsanwaltschaft ermittelt.
Diesen Skandal legt eine Recherche des britischen Boulevardblattes „Sun“bei einer rumänischen Familie nahe. An der Wand ihrer kleinen Behausung warten Säcke mit kleinen Plastikfiguren auf die Verarbeitung. In der Mitte des Tisches steht eine Verpackung mit den Plastikeiern, die später einmal in einer Fabrik anderswo von Schokoladeneiern umhüllt werden. Mutter und Kinder sitzen tagelang arbeitend am Tisch und erhalten, wie die Mutter erzählt, keine fünf Euro für die Verarbeitung eines Sackes mit der Überraschung. Über das Video, das die „Sun“veröffentlichte, gab es Unstimmigkeiten. Die dort gezeigte Frau bezeichnete den Bericht der Briten als falsch und das Video als „Inszenierung“. Sie mache diese Zulieferer-Arbeit zu Hause, Kinder seien aber nicht beteiligt, sagte sie rumänischen Medien. Sie sei davon ausgegangen, dass ein Werbefilm für Überraschungseier geplant gewesen sei.
Für die Marke „Kinder“des italienischen Ferrero Konzerns sind die Vorwürfe, sollten sie sich bewahrheiten, vermutlich desaströs. Die Meldung hat das Unternehmen kalt erwischt. „Wir sind äußerst entsetzt und tief betroffen von den Vorwürfen inakzeptabler Vorgehensweise in Rumänien im Hinblick auf das potenzielle Verhalten eines unserer Lieferanten“, teile Ferrero in einer ersten Stellungnahme mit. Ein Aufklärungsteam wurde umgehend nach Rumänien entsandt. Auch will Ferrero mit den Behörden vor Ort bei der Aufklärung zusammenarbeiten.
Dabei geht es um die Zulieferfirmen am Rande der EU, mit denen Ferrero zusammenarbeitet. Das Unternehmen reagierte mit seiner Stellungnahme auf Ermittlungen der rumänischen Staatsanwaltschaft. Wie die Presseagentur AFP unter Berufung auf eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft berichtete, gehe es in den Ermittlungen auch um den Verdacht des Kinderhandels.
Ferrero verlangt die Einhaltung eines strengen Verhaltenskodex. Kinderarbeit ist dabei ausgeschlossen, auch müssen die Zulieferer wenigstens den örtlichen Mindestlohn bezahlen und die Regelarbeitszeit einhalten. Treffen die Vorwürfe zu, wurde in diesem Fall gleich gegen alle Normen des Kodex verstoßen. Das würde zur sofortigen Vertragsauflösung führen, betont Ferrero. Der Konzern will die Öffentlichkeit über die Ergebnisse seiner Untersuchungen schnell unterrichten.
Ausbeutung in Europa, sogar innerhalb der Europäischen Union? Das ist trotz allen Fortschritts hinsichtlich der Arbeitsbedingungen noch immer an der Tagesordnung. „Kinderarbeit ist in Rumänien keine Seltenheit“, sagt Bernd Hinzmann von der Menschenrechtsorganisation Inkota. Das Netzwerk prangert immer wieder die Ausbeutung von Frauen und Kindern an, in der rumänischen Schuhindustrie ebenso wie auf den Kakaoplantagen in Afrika.
Ausbeutung nicht der Einzelfall Schätzungen der Vereinten Nationen zeigen, dass Kinder nicht nur in Einzelfällen ausgebeutet werden. Das Kinderhilfswerk Unicef geht davon aus, dass ein Prozent der fünf- bis 14-jährigen Rumänen arbeiten muss. Obwohl das Land beispielsweise die internationale Konvention gegen Kinderarbeit unterzeichnet hat, können die Behörden des Landes das Problem nicht lösen. Die Kampagne „aktiv gegen Kinderarbeit“geht davon aus, dass jedes fünfte der 5,8 Millionen Kinder betroffen ist.
Die überwiegende Mehrheit der Kinder muss dabei in der Landwirtschaft helfen, neun von zehn sind es. Darüber hinaus schicken die Eltern oder andere Peiniger Kinder auf die Straße, wo sie Waren verkaufen, Autos waschen, betteln oder Waren entladen. Auch werden Kinder der Kampagne zufolge zur Prostitution gezwungen. „Rumänien ist Ausgangsund Durchgangsland für Kinderhandel“, glauben die Aktivisten. Von dort aus würden Frauen und Mädchen in andere europäische Länder verschleppt, um sie dort sexuell auszubeuten.