Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Erdogan verschärft Ton in Richtung EU
Türkei droht Brüssel mit Ende des Flüchtlingspakts und Wiedereinführung der Todesstrafe
ISTANBUL/BRÜSSEL - Nach der Empfehlung des EU-Parlamentes, die Beitrittsgespräche mit der Türkei auszusetzen, droht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan der EU offen mit der Aufkündigung des Flüchtlingspaktes und der Wiedereinführung der Todesstrafe. „Passt auf, wenn ihr noch weitergeht, dann werden diese Grenzübergänge geöffnet. Lasst euch das gesagt sein“, sagte Erdogan am Freitag in Istanbul in Richtung Europäische Union.
Wenig später erklärte er bei einer Rede in Istanbul auch, dass er im Fall des Aussetzens der Gespräche einer Wiedereinführung der Todesstrafe zustimmen werde. Dann werde er das Gesetz unterschreiben, so Erdogan. „Demokratie besteht darin, den Willen des Volkes zu respektieren“, sagte Erdogan, der damit auf entsprechende Zwischenrufe aus dem Publikum reagierte.
Die EU reagierte trotz der massiven Drohungen gelassen. Ein Sprecher der Kommission sagte am Freitag zu Erdogans Äußerungen in Sachen Grenzöffnung, zu „hypothetischen Szenarien“äußere man sich nicht. „Wir arbeiten für den Erfolg des Abkommens zwischen der EU und der Türkei.“Die Bundesregierung warnte derweil vor einer Eskalation des Streits. „Drohungen auf beiden Seiten helfen da jetzt nicht weiter“, erklärte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin. Wo es Schwierigkeiten gebe, müsse miteinander geredet werden.
Deutlicher positionierte sich Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). Der konservative Politiker sagte der „Schwäbischen Zeitung“: „Europa darf sich nicht erpressen lassen.“Wer sich ausschließlich auf das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei verlasse, „wird bald selbst verlassen sein. Ich habe immer gesagt, dass der Türkei-Deal nur Plan B sein kann, Plan A muss ein eigener Schutz der Außengrenze sein.“
Die Türkei hat rund drei Millionen Migranten aus Syrien aufgenommen und ist eines der Hauptdurchgangsländer. Der im März geschlossene Flüchtlingspakt sieht unter anderem vor, dass Europa alle Menschen, die illegal über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen, zurückschicken kann.