Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kein Cent mehr für Stuttgart 21
Partner wollen Mehrkosten nicht mittragen – Bahnchef distanziert sich vom Projekt
STUTTGART - Die Deutsche Bahn will das Land Baden-Württemberg, die Stadt und die Region Stuttgart sowie die Flughafengesellschaft gerichtlich dazu zwingen, Mehrkosten für Stuttgart 21 mitzutragen. Dies ist am Donnerstag bekannt geworden. Laut einem Bericht des „Spiegel“distanziert sich Bahnchef Rüdiger Grube derweil vom Mammutprojekt.
Nach Informationen des Magazins soll Grube bei einer Veranstaltung des Bundesverbandes Führungskräfte Deutscher Bahnen gesagt haben: „Ich habe Stuttgart 21 nicht erfunden und hätte es auch nicht gemacht.“Er verwies darauf, dass der Haushaltsausschuss des Bundestags die Bahn kürzlich für ihre hohe Verschuldung kritisiert habe. Man könne aber nicht die steigende Verschuldung des Konzerns beklagen, wenn dieser sich gleichzeitig aller Voraussicht nach mit 1,8 Milliarden Euro mehr Eigenmitteln an Stuttgart 21 beteiligen müsse als ursprünglich geplant.
Diese Kostensteigerung sorgt auch in Stuttgart für Wirbel. Denn der Bahn-Vorstand wird wohl am Dienstag beschließen, seine vier Projektpartner zu verklagen. Damit will die Bahn verhindern, dass ihre finanziellen Ansprüche Ende des Jahres verjähren. Hintergrund sind die Mehrkosten für Stuttgart 21 in Höhe von zwei Milliarden Euro. Der Aufsichtsrat der Bahn hatte im März 2013 eine Kostensteigerung von 4,526 auf 6,526 Milliarden Euro genehmigt und den Bahn-Vorstand beauftragt, die Projektpartner zur Übernahme eines Teils der Mehrkosten zu bewegen. Die Verhandlungen blieben erfolglos.
Nach der jüngsten Sitzung des Lenkungskreises zu Stuttgart 21 hatte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) die Bahn vor einem Gang vor Gericht gewarnt. „Das wäre eine Bestrafung dafür, dass Land und Stadt sich hier in einmaliger Weise an einem Projekt beteiligt haben.“Ein Prozess bedeute das Ende jeder Kooperation mit der DB, so Hermann vor knapp zwei Wochen. Nun schlägt er freundliche Töne an. „Wir sind mit der Bahn einig, dass die Klage die Zusammenarbeit mit der DB bei Bahnprojekten generell und bei Stuttgart 21 nicht stören darf.“Und: „Wir sind uns sicher, dass das auch gelingt.“
Der Ältestenrat der Stadt Stuttgart – ein Gremium aus Verwaltungsspitze und Vertretern aller Gemeinderatsfraktionen – war am Donnerstag einhellig der Meinung, keine Mehrkosten mittragen zu wollen. Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass der Gemeinderat dies anders bewerten wird. Das Vorgehen sei mit den anderen Projektpartnern abgestimmt, erklärt ein Sprecher der Stadt. Auch Verkehrsminister Hermann hat sich entsprechend geäußert und angekündigt: „Die Vertragspartner werden sich grundsätzlich auch gemeinsam gegen die Bahn verteidigen.“
Auch Einigkeit bei Grün-Schwarz Diesen Kurs trägt der Koalitionspartner mit. Noch während der grünschwarzen Koalitionsverhandlungen war die Frage, ob sich das Land an den Mehrkosten für Stuttgart 21 beteiligen soll, eine der strittigsten. Als einziger Arbeitskreis sprengte der zur Verkehrspolitik den vorgegebenen Zeitrahmen. Das gewaltige Infrastrukturprojekt war einer der großen Zankäpfel. Die Grünen pochten darauf, im Koalitionsvertrag das Wort „Kostendeckel“in Bezug auf die Mitfinanzierung des Bahnprojekts zu verankern. Die CDU war dagegen.
Sie verwies auf die „Sprechklausel“, die im Finanzierungsvertrag für Stuttgart 21 von 2009 verankert ist. Diese besagt, dass sich die Projektpartner bei Mehrkosten unterhalten müssen. Letztlich verzichtete GrünSchwarz zwar auf den „Kostendeckel“, hielt aber am Ziel fest, dass über die vereinbarten 930,6 Millionen Euro hinaus „vonseiten des Landes keine Zahlungen zu leisten sind.“
Angesichts der wohl bevorstehenden Klage scheinen die Koalitionäre nun einig. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart verweist auf den Koalitionsvertrag und sagt: „Die Bahn erwägt eine Klage, um ihre Interessen zu wahren. Auch das Land ist verpflichtet, seine Interessen zu wahren.“Daher trage seine Fraktion die Entscheidung mit, die Verjährungsfrist nicht zu verlängern.