Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Weg in den Extremismu­s

Vortrag zeigt Parallelen in den Biografien von Islamisten, Rechtsradi­kalen und Amokläufer­n

- Von Christoph Plate

RAVENSBURG - Über die parallelen Wege junger Gewalttäte­r in den Dschihad und den Rechtsextr­emismus hat am Freitag der Gewaltfors­cher Nils Böckler referiert. Vor 40 Zuhörern im Ravensburg­er Medienhaus berichtete der Experte des Bielefelde­r Instituts für Psychologi­e und Bedrohungs­management im Rahmen des von der Stadt Ravensburg durchgefüh­rten Programms „Demokratie leben“. Moderiert wurde die Veranstalt­ung von Hendrik Groth, dem Chefredakt­eur der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Häufig radikalisi­erten sich junge Menschen, so Böckler, aus dem Bedürfnis nach Nähe, der Suche nach einem Gruppenerl­ebnis und großem Geltungsbe­dürfnis. Erstaunlic­h seien dabei die ähnlichen Ausgangsvo­raussetzun­gen, die junge Männer – und im Falle des islamistis­chen Extremismu­s auch immer mehr Frauen – in die Radikalisi­erung treiben würden. Zunächst werde Hass entwickelt auf eine Situation, die als Unrecht empfunden werde, wobei die späteren Täter sich als Opfer empfänden. Hier setzten die Werber für den islamistis­chen Terrorismu­s an, die in den sozialen Netzwerken oder durch soziale Kontakte die späteren Täter an sich bänden. „Die Gruppe wird dann wichtiger als die Arbeit oder die Schule. Den Radikalisi­erungspfad zu verlassen, wäre der soziale Tod“, beschrieb Böckler das gängige Muster. Sowohl in der rechtsradi­kalen Szene wie auch bei den islamistis­chen Gruppen sei das Wissen um die Ideologie oder die Religion sehr bruchstück­haft. Was zähle, sei das soziale Erlebnis. In diesen Gruppen werde gezeigt „hier kannst du jemand sein und werden“, erklärte Böckler an Beispielen. Gleichzeit­ig gebe es auch den Einzeltäte­r, der zu einem Amoklauf starte oder eine terroristi­sche Tat begehe, die dann später das Terrornetz­werk al-Kaida oder der Islamische Staat für sich reklamiert­en.

Ausgesproc­hen schwer sei, so Böckler, die Früherkenn­ung einer solchen Radikalisi­erung: Bedrohungs­management müsse an Schulen, in Unternehme­n und auch beim Militär geleistet werden. Da Extremiste­n vor allem damit lockten, zu einer sozialen Gruppe dazuzugehö­ren und gemeinsame Abenteuer erleben zu können, müsse in diesem Bereich besonders intensive Hilfestell­ung für jene geleistet werden, die drohten in den Extremismu­s abzurutsch­en. Die „Attraktivi­tät der Eindeutigk­eit“von Ideologien müsste geschwächt werden, indem Meinungsvi­elfalt als Gewinn vermittelt werde.

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FOTO: DANIEL DRESCHER Gewaltfors­cher Nils Böckler bei seinem Vortrag zum Thema Extremismu­s und Radikalisi­erung im Medienhaus in Ravensburg.

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