Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der Weg in den Extremismus
Vortrag zeigt Parallelen in den Biografien von Islamisten, Rechtsradikalen und Amokläufern
RAVENSBURG - Über die parallelen Wege junger Gewalttäter in den Dschihad und den Rechtsextremismus hat am Freitag der Gewaltforscher Nils Böckler referiert. Vor 40 Zuhörern im Ravensburger Medienhaus berichtete der Experte des Bielefelder Instituts für Psychologie und Bedrohungsmanagement im Rahmen des von der Stadt Ravensburg durchgeführten Programms „Demokratie leben“. Moderiert wurde die Veranstaltung von Hendrik Groth, dem Chefredakteur der „Schwäbischen Zeitung“.
Häufig radikalisierten sich junge Menschen, so Böckler, aus dem Bedürfnis nach Nähe, der Suche nach einem Gruppenerlebnis und großem Geltungsbedürfnis. Erstaunlich seien dabei die ähnlichen Ausgangsvoraussetzungen, die junge Männer – und im Falle des islamistischen Extremismus auch immer mehr Frauen – in die Radikalisierung treiben würden. Zunächst werde Hass entwickelt auf eine Situation, die als Unrecht empfunden werde, wobei die späteren Täter sich als Opfer empfänden. Hier setzten die Werber für den islamistischen Terrorismus an, die in den sozialen Netzwerken oder durch soziale Kontakte die späteren Täter an sich bänden. „Die Gruppe wird dann wichtiger als die Arbeit oder die Schule. Den Radikalisierungspfad zu verlassen, wäre der soziale Tod“, beschrieb Böckler das gängige Muster. Sowohl in der rechtsradikalen Szene wie auch bei den islamistischen Gruppen sei das Wissen um die Ideologie oder die Religion sehr bruchstückhaft. Was zähle, sei das soziale Erlebnis. In diesen Gruppen werde gezeigt „hier kannst du jemand sein und werden“, erklärte Böckler an Beispielen. Gleichzeitig gebe es auch den Einzeltäter, der zu einem Amoklauf starte oder eine terroristische Tat begehe, die dann später das Terrornetzwerk al-Kaida oder der Islamische Staat für sich reklamierten.
Ausgesprochen schwer sei, so Böckler, die Früherkennung einer solchen Radikalisierung: Bedrohungsmanagement müsse an Schulen, in Unternehmen und auch beim Militär geleistet werden. Da Extremisten vor allem damit lockten, zu einer sozialen Gruppe dazuzugehören und gemeinsame Abenteuer erleben zu können, müsse in diesem Bereich besonders intensive Hilfestellung für jene geleistet werden, die drohten in den Extremismus abzurutschen. Die „Attraktivität der Eindeutigkeit“von Ideologien müsste geschwächt werden, indem Meinungsvielfalt als Gewinn vermittelt werde.