Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Terrorverd­ächtiger hatte 17 000 Streichhöl­zer im Gepäck

Nach der Festnahme des 20-jährigen Syrers aus Biberach gibt es Fragen zum Vorgehen der Polizei

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH/STUTTGART - Im Fall des am vergangene­n Sonntag unter Terrorverd­acht festgenomm­enen Syrers aus Biberach sind am Freitag weitere Einzelheit­en bekannt geworden. Nach Polizeiang­aben führte der 20Jährige bei dem gescheiter­ten Versuch, am Tag davor nach Dänemark einzureise­n, in seinem Gepäck Gegenständ­e mit, aus denen Sprengkörp­er hergestell­t werden könnten.

Nach Auskunft des Landeskrim­inalamts (LKA) Baden-Württember­g war der in einer Biberacher Flüchtling­sunterkunf­t lebende Mann am Samstag von der Bundespoli­zei in Schleswig-Holstein kontrollie­rt worden. Die Beamten hatten bei ihm verdächtig­es Material sichergest­ellt. Nach Agenturang­aben hatte der Mann 17 000 Streichhöl­zer dabei. LKA-Pressespre­cher Ulrich Heffner bestätigte zudem der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass der Syrer Funkgeräte mitgeführt hat. „Das sind zunächst einmal Artikel, die jeder frei kaufen kann. Aber Menge und Zusammense­tzung waren in diesem Kontext verdächtig“, so Jan Holzner, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Stuttgart.

Warum der 20-Jährige sich nach der vorläufige­n Festnahme allerdings in einen Zug setzen und nach Süddeutsch­land fahren durfte, das konnten weder LKA noch Staatsanwa­ltschaft beantworte­n. Es war ja nicht vorauszuse­tzen, dass der Mann wieder zurück in seine Unterkunft nach Biberach reisen würde. Er hätte den Zug unterwegs verlassen und sich so der späteren Verhaftung entziehen können. Die Bundespoli­zei habe das Polizeiprä­sidium Ulm über den Fall informiert. Die Verhaftung sei dann laut LKA-Sprecher am Sonntag in der Biberacher Unterkunft durch die Landespoli­zei erfolgt. Das LKA habe den Fall dann am Montag an sich gezogen.

Kein flüchtiger Komplize Gerüchte über einen möglichen zweiten Verdächtig­en, der geflüchtet sein soll, dementiert­en sowohl LKA als auch Staatsanwa­ltschaft. „Es gibt keinen flüchtigen Komplizen, das ist völliger Blödsinn. Leute, die so etwas in die Welt setzen, handeln unverantwo­rtlich“, sagt Holzner.

Im Zusammenha­ng mit den Ermittlung­en werde auch das Umfeld des Verdächtig­en durchleuch­tet, so LKA-Sprecher Heffner. „Wir wollen die Hintergrün­de herausfind­en, warum er diese Materialie­n mit sich führte.“Bekannt war laut Staatsanwa­ltschaft und LKA noch vor der Festnahme, dass der 20-Jährige Sympathien für den Islamische­n Staat (IS) hegte. Ende 2015 war er wegen einer selbst gemalten IS-Flagge in der Unterkunft aufgefalle­n.

Es bleibt unklar, warum der Fall erst am Donnerstag an die Öffentlich­keit drang. Beim Polizeiprä­sidium Ulm verweist man darauf, dass die Zuständigk­eit seit Montag beim LKA liege. Dort, so die Auskunft des Sprechers, habe man „den Ball erst einmal flach halten“wollen. „Es ist nicht so, dass wir einen kurz bevorstehe­nden Anschlag verhindert haben“, ergänzt Jan Holzner. Vielmehr habe es sich um einen abstrakten Gefährdung­ssachverha­lt gehandelt. „Er hatte ja keine Waffen oder eine Bombe dabei.“Holzner sieht den Fall als Erfolg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany