Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Überläufer
Der Regensburger Pfarrer Ulrich Schneider-Wedding hat der CSU wegen ihrer Flüchtlingspolitik den Rücken gekehrt – und ist zur CDU Thüringen übergelaufen. „Als Christ und als Pfarrer konnte ich nicht länger eine Partei unterstützen, aus der heraus (Kanzlerin Angela) Merkel wegen ihrer humanitären Haltung angegriffen wird“, schreibt Schneider-Wedding nun in einem Brief an CSU-Parteichef Horst Seehofer. Der Merkelfreundliche Ortsverband Wünschendorf hat ihn gerne aufgenommen. Damit das möglich wurde, musste sich der Regensburger jedoch einer Ausnahmeregelung aus der CDU-Satzung bedienen: „Zum Zeitpunkt des Eintritts war ich auch in Thüringen beruflich tätig“, sagt er. Nur deshalb sei der Eintritt möglich gewesen. Eigentlich richtet sich die Mitgliedschaft nach dem Wohnort – für Menschen aus Bayern ist damit eine CDUMitgliedschaft ausgeschlossen.
Aus Sicht der CSU mit ihren rund 144 000 Mitgliedern dürfte der Verlust eines einzelnen Mitglieds durchaus zu verschmerzen sein. Dass es sich dabei aber ausgerechnet um einen wegen seines Berufs exponierten Christen handelt und dieser seinen „Übertritt zur CDU aus Gewissensgründen“nach Monaten des Zögerns nun auch noch öffentlich macht, dürfte in der CSU-Zentrale unangenehm aufstoßen.
„Seriöse Parteien wie die unseren stehen vor der Entscheidung, Kompromisse in die populistische Richtung zu machen oder ihr entschlossen entgegenzutreten“, schreibt der Pfarrer aus Regensburg. Die CSU unter Seehofer sehe er dabei auf dem Kompromiss-Pfad. Schneider-Weddings Kritik geht aber noch viel weiter: „Populismus ist aber nur eine Schein-Antwort“, schimpft er. Parolen wie „damit Deutschland Deutschland bleibt“aus dem neuen CSU-Parteiprogramm lösten keine Probleme. Die CSU-Forderungen etwa nach Grenzschließungen und Flüchtlingsobergrenzen würden „zu Recht“von Experten als wirkungslose Symptombekämpfung abgelehnt. Es ist aber nicht nur die Zuwanderungspolitik, die den Regensburger auf die Palme bringt. Auch bemängelt er, dass die CSU zugunsten ihrer neuen, konservativeren Programmatik keine Antworten auf die Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft liefere. (dpa)