Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Hochschulboom hält an
n vielen deutschen Hochschulen wird es immer enger. Im Wintersemester haben die Studentenzahlen erneut eine Schallmauer durchbrochen. Geht das nun immer so weiter – während auf der anderen Seite die Betriebe händeringend und oft vergeblich nach fähigen Auszubildenden fahnden?
Wie haben sich die Zahlen mittelund langfristig entwickelt? Im Wintersemester gab es nach den Daten des Statistischen Bundesamtes 2 806 063 Studenten – und damit 48 300 (1,8 Prozent) mehr als ein Jahr zuvor. Das rasante Wachstum lässt sich am besten an Vergleichszahlen im Zehnjahrestakt ablesen: 1996 zählten die Statistiker nur gut 1,8 Millionen Studenten in Deutschland, 2006 knapp unter zwei Millionen. Dann begann der Boom. Inzwischen gibt es gut 18 000 Studiengänge in Deutschland – etwa 7000 mehr als ein Jahrzehnt zuvor.
Wie verteilen sich die Studenten auf die Bundesländer? Die meisten Studenten hat – klar vor Bayern und Baden-Württemberg – mit knapp 772 000 das bevölkerungsreichste Land Nordrhein-Westfalen. Dort herrscht in Hörsälen und Seminarräumen oft drangvolle Enge. Auf einen Professor kommen mehr Studenten als in jedem anderen Bundesland, wie das NRW-Wissenschaftsministerium diese Woche einräumte. Während ein „Prof“2014 im Bundesdurchschnitt 72 Studierende an Universitäten und Hochschulen betreute, waren es in Nordrhein-Westfalen 99 (ohne die Fernuniversität Hagen immerhin noch 87). Die wenigsten Studenten gleichzeitig müssen Professoren in Thüringen und Bremen betreuen – im Schnitt etwa 50.
Wie hat die Politik reagiert? Bund und Länder beschlossen 2014 die abschließende Phase des Hochschulpakts. Auf Basis einer Prognose der Kultusministerkonferenz (KMK) zu den Studienanfängerzahlen 2014, sollen im Vergleich zu 2005 bis zu 760 000 zusätzliche Studienplätze gemeinsam finanziert werden. Die Bundesregierung stellt knapp zehn Milliarden Euro bis 2023 bereit, die Länder geben eine ähnliche Summe. Die Hochschulrektorenkonferenz verlangt nun eine „Verstetigung des Hochschulpaktes“. Denn die Zahl von fast 506000 Studienanfängern liege erneut über den Prognosen. In ihrer Forderung sind sich die UniLeitungen mit der Bildungsgewerkschaft GEW sowie Grünen und Linken im Bundestag einig.
Und wie geht es weiter? Bis 2035 sei ein dramatischer Rückgang zu erwarten, rechnet die CHE Consult vor, eine Tochter des zur Bertelsmann-Stiftung gehörenden Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). „Einigen Hochschulleitungen fehlt die Weitsicht“, sagte Ronny Röwert von CHE Consult der „Zeit“und ARD-alpha. Gerade für kleinere Hochschulen sei es schwieriger, einen Studierendenrückgang zu verkraften. Sie müssten sich daher Gedanken machen, wie sie überregional Bewerber gewinnen und ihr Profil verbessern könnten. (dpa)