Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein europäisch­er Künstler, kein Insulaner

Eine Ausstellun­g in Münster zeigt, wie das Schaffen des britischen Bildhauers Henry Moore die europäisch­e Kunst geprägt hat

- Von Florentine Dame

MÜNSTER (dpa) - Moore nach Münster zu bringen muss im wahrsten Wortsinn ein Kraftakt gewesen sein: Die wuchtigen Bronzeskul­pturen des britischen Bildhauers wiegen nicht selten Hunderte Kilo. Die schwerste Plastik der am Freitag im LWL-Museum für Kunst und Kultur startenden Ausstellun­g bringt rund 3000 Kilo auf die Waage. „The Archer“, der Bogenschüt­ze, wurde aus Berlin nach Westfalen gebracht und markiert noch auf dem Platz vor dem Museumsneu­bau den Startpunkt der Schau „Henry Moore. Impulse für Europa“.

18 Jahre ist es nach Kuratorena­ngaben her, dass ein deutsches Museum sich mit einer umfassende­n Werkschau dem Briten widmete. Nun will das LWL-Museum den so wichtigen Impulsgebe­r für die europäisch­e Bildhauere­i neu entdecken. Die Ausstellun­gsmacher feiern den Engländer als großen Europäer, als einen, der sich nicht als Insulaner abgeschott­et habe, sondern jemand gewesen sei, „der sich nicht um Grenzen scherte“, wie Museumsdir­ektor Hermann Arnhold betont. Moore habe sich von den modernen Künstlern auf dem Kontinent ebenso prägen lassen, wie er nach dem Zweiten Weltkrieg andere, insbesonde­re deutsche Bildhauer inspiriert­e. Kunstwerke von Moore seien damals ein wahrer Exportschl­ager gewesen, erläutert Arnhold.

Die menschlich­e Figur „Das Herz von Moores Werk ist die menschlich­e Figur“, sagt Kurator Chris Stephens. Der Moore-Kenner ist ausgeliehe­n von der Tate Gallery in London, die über einen riesigen Moore-Fundus verfügt und zu der Ausstellun­g einen Großteil der genau 74 Moore-Arbeiten beigesteue­rt hat. Was Moore auf dem gebeutelte­n Kontinent damals so populär gemacht habe, seien seine Humanität und sein Pazifismus gewesen. Im Ersten Weltkrieg hatte der Wehrpflich­tige an der französisc­hen Front selbst leidvolle Kriegserfa­hrungen gemacht, die nach Überzeugun­g von Stephens auch in seinen Plastiken sichtbar sind: gebrochene Körper, auf dem Boden liegende Figuren.

Die andere Betrachtun­gsweise der zwischen dem Abstrakten und dem Figurative­n wandelnden Plastiken ist das Friedvolle, das sie ausstrahle­n. Moore habe immer wieder die Wechselbez­iehung von Landschaft und Mensch in Form gegossen, erklären die Kuratoren: Ein Frauenkörp­er ist so gleichzeit­ig dahinfließ­ende Landschaft, andere Fragmente sind organisch, wirken wie vergrößert­e Gelenkknöc­helchen oder Steine, in die das Meer runde Aushöhlung­en gewaschen hat. „Moore ist ein sehr sinnlicher Künstler“, ergänzt Arnhold. Immer wieder bemerke er bei Betrachter­n der großen, bereits jetzt vor den Museumsein­gängen stehenden Skulpturen den Impuls, sie berühren zu wollen.

Vorbild für Andere Moores Bandbreite der Formenspra­che prägte eine ganze Generation von Bildhauern, wie die Schau mit einer Vielzahl korrespond­ierender Werke anderer Künstler verdeutlic­ht. Da ist „Der Krieger“von Markus Lüpertz, die gefallene und dahinkriec­hende Figur erinnert in ihrer Verletzthe­it an Moores liegende Soldatenfi­guren. Seine flachen, ausdrucksl­osen Maskengesi­chter fanden als Idee Eingang in das Schaffen von Bernhard Heiliger oder Brigitte Meier-Denninghof­f. Heiliger und Karl Hartung schufen Liegende nach Moore-Motiven, und selbst Aktionskün­stler Joseph Beuys zitierte den Briten in seiner Arbeit. Es gibt viel zu entdecken in der Ausstellun­g, die bis zum 19. März 2017 zu sehen ist.

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FOTO: DPA Auf dem Vorplatz des LWL-Museums für Kunst die Skulptur steht „Der Bogenschüt­ze“von 1966 des Bildhauers Henry Moore.
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Besonders für Kinder gibt es im Naturkunde­museum viel zu erforschen.
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FOTO: DPA Nicht alle sind textsicher: Timo Werner und Mitchell Weiser, U-21-Nationalsp­ieler, beim Abspielen der deutschen Nationalhy­mne.

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