Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ein neues Handbuch für den Ernstfall
Brände, Hochwasser, Unfälle: Das Weingartener Ordnungsamt arbeitet an einem neuen Alarmplan
WEINGARTEN - In der Tiefgarage unter dem Löwenplatz in Weingarten steht ein Auto lichterloh in Flammen. Die Feuerwehr rückt an, löscht den Brand, die Polizei sperrt das Areal ab. So geschehen im Juni 2015. Die Lage war recht schnell im Griff. Aber für die Besitzer der übrigen Autos, die noch in der Tiefgarage geparkt waren und zum Teil beschädigt wurden, gingen die Probleme erst los – und die Stadt muss helfen. Für solche Fälle gibt es im Weingartener Rathaus einen sogenannten Stab für außerordentliche Ereignisse, kurz SAE. Er hält die Stadtverwaltung in Ausnahmefällen – auch in Katastrophenfällen – handlungsfähig. Für den Weingartener SAE wird im Ordnungsamt zur Zeit ein neuer Alarmplan entwickelt.
„Der SAE ist im Ernstfall eine von zwei Säulen, die den Umgang mit dem Ereignis koordinieren“, sagt Oliver Surbeck, Kreisbrandmeister im Landratsamt und damit der ranghöchste Katastrophenschützer im Kreis Ravensburg. Die „BlaulichtFraktion“– Feuerwehr, Rettungsdienst, Polizei – arbeitet autark. Aber um den Betrieb im Rathaus aufrechtzuerhalten – und sei es mitten in der Nacht oder am ersten Weihnachtsfeiertag zur Mittagszeit –, braucht es einen genauen Plan, wann wer durch wen alarmiert wird und zur Arbeit erscheinen muss. Denn in den allermeisten Szenarien ab einer gewissen Größenordnung wird eine funktionierende Verwaltung gebraucht. Das betrifft auch sogenannte Großschadensereignisse, die noch nicht als Katastrophenfall gelten. Denn erst wenn Katastrophenalarm ausgelöst wird, ist der Landkreis als Katastrophenschutz zuständig. Bis dahin muss sich die Kommune kümmern.
„Denkbar ist zum Beispiel ein Bombenfund oder ein Hochwasser“, sagt Ordnungsamtsleiter Kai-Joachim Ginser. In einem solchen Fall muss die Stadt dafür sorgen, dass Anwohner informiert werden, dass Straßen gesperrt oder sogar Wohnquartiere evakuiert werden. Ebenso kümmert sich die Stadt in diesem Szenario um Notquartiere und Verpflegung der Betroffenen. „Im Fall der brennenden Tiefgarage hatte es die Verwaltung demnach mit Autobesitzern zu tun, die nicht mehr an ihre Autos oder die Wertsachen darin kamen“, erinnert sich Oliver Surbeck. Im damaligen Fall wurde eine Hotline eingerichtet, um die Autofahrer zu informieren.
Improvisierte Amtsleitersitzung Aber wie läuft die Alarmierung im Ernstfall ab? Folgendes Szenario: In der Weingartener Innenstadt brennt ein Gebäude. Die Feuerwehr rückt aus und beginnt mit den Löscharbeiten. Weil der Brand in die Kategorie Großschadensereignis fällt – etwa weil benachbarte Gebäude betroffen sein könnten, Straßen gesperrt oder Anwohner gewarnt werden müssen –, alarmiert der Einsatzleiter die Stadtverwaltung.
„Im Alarmplan sind auch die Erreichbarkeiten ganz klar notiert“, erklärt Kai-Joachim Ginser. Zuerst wird die sogenannte Koordinationsgruppe Kommunikation (Koko) einberufen. Die besteht aus Mitgliedern der Verwaltungsspitze, es handelt sich dabei „um eine improvisierte Ad-hoc-Amtsleitersitzung“, erklärt Kreisbrandmeister Surbeck. Die Koko kümmert sich vor allem um die Verständigung mit den Einsatzkräften und unter anderem um die Information von Presse oder Rundfunk und Bevölkerung. Die Koko entscheidet auch darüber, ob der SAE einberufen werden muss. Dann werden je nach Bedarf weitere Verwaltungsmitarbeiter ins Rathaus gerufen. Dort hat der Stab nämlich im Kleinen Sitzungssaal sein Quartier. Wenn es also brennt, laufen hier die Fäden zusammen.
Aber auch wenn während eines solchen Großschadensereignisses Katastrophenalarm gegeben wird, verliert der SAE nicht seine Zuständigkeit. Die Stadtverwaltung ist dann weiterhin eng in die Koordination eingebunden. „Es ist ja nicht so, dass die Aufgaben dann erledigt wären“, sagt Kai-Joachim Ginser. Die Stadt arbeitet dann Hand in Hand mit dem Landkreis weiter, zum Beispiel sucht sie Notunterkünfte oder informiert Angehörige. Der Alarmplan in Weingarten beinhaltet zum Beispiel eine detaillierte Auflistung größerer Gebäude, die sich als Notunterkunft eignen. Das Kultur- und Kongresszentrum ist dort vermerkt – mit mehreren Toiletten und größeren Sälen eignet es sich perfekt.
„Es muss nicht immer ein Blaulichtfall sein“, sagt Oliver Surbeck. Manchmal ist die Feuerwehr im Ernstfall auch außen vor. Wenn es zum Beispiel einen weitreichenden und langen Stromausfall gibt, tritt auch ein SAE zusammen. Surbeck nennt ein weiteres, dramatisches Beispiel: „Wenn im Ausland ein Schulbus mit Weingartener Schülern verunglückt, hat das Auswirkungen auf die Verwaltung. Es muss sich jemand im Rathaus um die Angehörigen kümmern, Schulen müssen einbezogen werden. Die Verwaltung muss dann einfach funktionieren, egal zu welcher Tag- oder Nachtzeit.“
Der Weingartener Alarmplan wird nun neu geschrieben, um für den Ernstfall erstmals einen verbindlichen Leitfaden zu erhalten. „Es hat bisher immer gut funktioniert, weil immer erfahrenes Personal da war“, sagt Ordnungsamtschef Ginser. Doch aus der Stadtverwaltung sind in vergangener Zeit einige erfahrene Amtsträger ausgeschieden, allen voran Ginsers Vorgänger Eugen Hund. Der neue Alarmplan soll also dafür sorgen, dass jeder neue Mitarbeiter sofort eine Art Handbuch hat, das vorschreibt, was im Fall eines Großschadensereignisses oder sogar im Katastrophenfall zu tun ist. Der neue Alarmplan soll bis Ende 2017 fertig sein.