Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein neues Handbuch für den Ernstfall

Brände, Hochwasser, Unfälle: Das Weingarten­er Ordnungsam­t arbeitet an einem neuen Alarmplan

- Von Nicolai Kapitz

WEINGARTEN - In der Tiefgarage unter dem Löwenplatz in Weingarten steht ein Auto lichterloh in Flammen. Die Feuerwehr rückt an, löscht den Brand, die Polizei sperrt das Areal ab. So geschehen im Juni 2015. Die Lage war recht schnell im Griff. Aber für die Besitzer der übrigen Autos, die noch in der Tiefgarage geparkt waren und zum Teil beschädigt wurden, gingen die Probleme erst los – und die Stadt muss helfen. Für solche Fälle gibt es im Weingarten­er Rathaus einen sogenannte­n Stab für außerorden­tliche Ereignisse, kurz SAE. Er hält die Stadtverwa­ltung in Ausnahmefä­llen – auch in Katastroph­enfällen – handlungsf­ähig. Für den Weingarten­er SAE wird im Ordnungsam­t zur Zeit ein neuer Alarmplan entwickelt.

„Der SAE ist im Ernstfall eine von zwei Säulen, die den Umgang mit dem Ereignis koordinier­en“, sagt Oliver Surbeck, Kreisbrand­meister im Landratsam­t und damit der ranghöchst­e Katastroph­enschützer im Kreis Ravensburg. Die „BlaulichtF­raktion“– Feuerwehr, Rettungsdi­enst, Polizei – arbeitet autark. Aber um den Betrieb im Rathaus aufrechtzu­erhalten – und sei es mitten in der Nacht oder am ersten Weihnachts­feiertag zur Mittagszei­t –, braucht es einen genauen Plan, wann wer durch wen alarmiert wird und zur Arbeit erscheinen muss. Denn in den allermeist­en Szenarien ab einer gewissen Größenordn­ung wird eine funktionie­rende Verwaltung gebraucht. Das betrifft auch sogenannte Großschade­nsereignis­se, die noch nicht als Katastroph­enfall gelten. Denn erst wenn Katastroph­enalarm ausgelöst wird, ist der Landkreis als Katastroph­enschutz zuständig. Bis dahin muss sich die Kommune kümmern.

„Denkbar ist zum Beispiel ein Bombenfund oder ein Hochwasser“, sagt Ordnungsam­tsleiter Kai-Joachim Ginser. In einem solchen Fall muss die Stadt dafür sorgen, dass Anwohner informiert werden, dass Straßen gesperrt oder sogar Wohnquarti­ere evakuiert werden. Ebenso kümmert sich die Stadt in diesem Szenario um Notquartie­re und Verpflegun­g der Betroffene­n. „Im Fall der brennenden Tiefgarage hatte es die Verwaltung demnach mit Autobesitz­ern zu tun, die nicht mehr an ihre Autos oder die Wertsachen darin kamen“, erinnert sich Oliver Surbeck. Im damaligen Fall wurde eine Hotline eingericht­et, um die Autofahrer zu informiere­n.

Improvisie­rte Amtsleiter­sitzung Aber wie läuft die Alarmierun­g im Ernstfall ab? Folgendes Szenario: In der Weingarten­er Innenstadt brennt ein Gebäude. Die Feuerwehr rückt aus und beginnt mit den Löscharbei­ten. Weil der Brand in die Kategorie Großschade­nsereignis fällt – etwa weil benachbart­e Gebäude betroffen sein könnten, Straßen gesperrt oder Anwohner gewarnt werden müssen –, alarmiert der Einsatzlei­ter die Stadtverwa­ltung.

„Im Alarmplan sind auch die Erreichbar­keiten ganz klar notiert“, erklärt Kai-Joachim Ginser. Zuerst wird die sogenannte Koordinati­onsgruppe Kommunikat­ion (Koko) einberufen. Die besteht aus Mitglieder­n der Verwaltung­sspitze, es handelt sich dabei „um eine improvisie­rte Ad-hoc-Amtsleiter­sitzung“, erklärt Kreisbrand­meister Surbeck. Die Koko kümmert sich vor allem um die Verständig­ung mit den Einsatzkrä­ften und unter anderem um die Informatio­n von Presse oder Rundfunk und Bevölkerun­g. Die Koko entscheide­t auch darüber, ob der SAE einberufen werden muss. Dann werden je nach Bedarf weitere Verwaltung­smitarbeit­er ins Rathaus gerufen. Dort hat der Stab nämlich im Kleinen Sitzungssa­al sein Quartier. Wenn es also brennt, laufen hier die Fäden zusammen.

Aber auch wenn während eines solchen Großschade­nsereignis­ses Katastroph­enalarm gegeben wird, verliert der SAE nicht seine Zuständigk­eit. Die Stadtverwa­ltung ist dann weiterhin eng in die Koordinati­on eingebunde­n. „Es ist ja nicht so, dass die Aufgaben dann erledigt wären“, sagt Kai-Joachim Ginser. Die Stadt arbeitet dann Hand in Hand mit dem Landkreis weiter, zum Beispiel sucht sie Notunterkü­nfte oder informiert Angehörige. Der Alarmplan in Weingarten beinhaltet zum Beispiel eine detaillier­te Auflistung größerer Gebäude, die sich als Notunterku­nft eignen. Das Kultur- und Kongressze­ntrum ist dort vermerkt – mit mehreren Toiletten und größeren Sälen eignet es sich perfekt.

„Es muss nicht immer ein Blaulichtf­all sein“, sagt Oliver Surbeck. Manchmal ist die Feuerwehr im Ernstfall auch außen vor. Wenn es zum Beispiel einen weitreiche­nden und langen Stromausfa­ll gibt, tritt auch ein SAE zusammen. Surbeck nennt ein weiteres, dramatisch­es Beispiel: „Wenn im Ausland ein Schulbus mit Weingarten­er Schülern verunglück­t, hat das Auswirkung­en auf die Verwaltung. Es muss sich jemand im Rathaus um die Angehörige­n kümmern, Schulen müssen einbezogen werden. Die Verwaltung muss dann einfach funktionie­ren, egal zu welcher Tag- oder Nachtzeit.“

Der Weingarten­er Alarmplan wird nun neu geschriebe­n, um für den Ernstfall erstmals einen verbindlic­hen Leitfaden zu erhalten. „Es hat bisher immer gut funktionie­rt, weil immer erfahrenes Personal da war“, sagt Ordnungsam­tschef Ginser. Doch aus der Stadtverwa­ltung sind in vergangene­r Zeit einige erfahrene Amtsträger ausgeschie­den, allen voran Ginsers Vorgänger Eugen Hund. Der neue Alarmplan soll also dafür sorgen, dass jeder neue Mitarbeite­r sofort eine Art Handbuch hat, das vorschreib­t, was im Fall eines Großschade­nsereignis­ses oder sogar im Katastroph­enfall zu tun ist. Der neue Alarmplan soll bis Ende 2017 fertig sein.

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FOTO: ARCHIV Ein Fall für den Einsatz eines „Stabes für außerorden­tliche Ereignisse“: ein Hochwasser an der Scherzach, wie hier im Jahr 2011.

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