Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ja, is’ denn jetzt scho’ Weihnachten?
Die Prognose ist nicht allzu gewagt: Aller Wahrscheinlichkeit nach werde ich auch dieses Jahr einen eleganten Bogen um Räuchermännchen und Schwibbögen aus dem Erzgebirge machen. Aber sonst ist vieles möglich. Die verheißungsvoll leuchtenden Holz- buden mit allerhand Krimskrams, Kitsch und Kunst ziehen mich immer wieder magisch an. Und ja, nicht jeder Kauf erweist sich als sinnvoll. Davon kann so manche(r) Beschenkte ein vermutlich wenig besinnliches Liedchen singen. Aber egal, über den Weihnachtsmarkt zu schlendern, das gehört einfach dazu.
Ja, ich weiß: alles viel zu kitschig, zu laut, zu viel Bratwurst! Ja, ich weiß: nicht alles, was feilgeboten wird, ist mundgeblasen, handgetöpfert und selbstgehäkelt. Womöglich stammt so manch güldene Gabe nicht aus dem Morgenland, sondern aus China. Ja, ich weiß: zu viel Kommerz, zu wenig Tradition, immer schon. Hach. Jetzt macht euch doch mal ein bisschen locker, Leute! Gegen das ewige Genöle ist das „Merry-christmaseveryone“-Gedudel ein echter Wohlklang. Vielleicht würde manche miesepetrige Triefnase das Weihnachtsfest völlig verschlafen, wenn nicht blinkende Lichtlein und klingende Glöcklein vernehmlich davon künden würden. Darauf ein schönes, pappsüßes Tässchen Glühwein. Prost! Von Petra Lawrenz
p.lawrenz@schwaebische.de
Verstehen Sie mich bitte nicht gleich falsch: Weihnachten ist ein wunderbares Fest, die besinnlichen Wochen davor gehören gewiss zu den schönsten des Jahres. Warum die heimelige Stimmung also zerstören mit einem an Masochismus grenzenden Besuch auf einem der unseligen, lärmenden Weihnachtsmärkte, die landauf, landab die Innenstädte in kitschige Rummelplätze verwandeln? Gibt es denn noch nicht genug Elend auf der Welt?
Sie denken, ich sei zu streng, autistisch veranlagt und überdies eine sauertöpfische Spaßbremse? Dann lassen Sie uns endlich über ein paar Fakten reden! Nur Sardinen – Tierschützer mögen mir diese flapsige Bemerkung verzeihen – können sich im Gedränge zwischen den albernen Holzbuden wohlfühlen – sie sind schließlich an das beengte Leben in der Büchse gewöhnt. Nur Geschmacksverirrte, die den Rebensaft gemeinhin literweise aus dem Pappkarton schlürfen, können frohlocken über den heißen Zuckersaft namens Glühwein – sie haben ohnehin jeden Morgen Kopfweh. Nur Eskimos schätzen die Schweinekälte, nur Banausen halten den meist angebotenen Kitsch für geeigneten Wohnschmuck, nur Hörgeräteträger mit defekten Batterien überstehen das nervige Gedudel aus krächzenden Lautsprechern. O du fröhliche? Ach, geht mir doch weg! Von Dirk Uhlenbruch
d.uhlenbruch@schwaebische.de