Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Das kleine Wirtschaftswunder von Aulfingen
ft muss der hungrige Mensch zur Mittagszeit darbend durch die Lande fahren, ohne auch nur einen einzigen vernünftigen Gasthof zu finden, der geöffnet hätte. Aber was ist das? Da, im kleinen Dörflein Aulfingen, unweit von Geisingen, glitzert an diesem wolkenverhangenen Novembertag das Licht von Wirtshauslampen durch die Fenster. Der Adler ist’s, der da am Wegesrand Sättigung verspricht. Im mehrteiligen Gastraum, geschmückt mit ausgestopftem Auerhahn sowie allerhand erlegtem Waldgetier mehr, sitzen vor Bierflaschen ältere Herren und politisieren. Der Patron, Rolf Wiehl, bewegt sich gravitätisch zwischen den Tischen, grüßt, politisiert mit, witzelt und gibt überhaupt einen guten Gastgeber ab. Eine junge, blonde Bedienung eilt mit der Karte und einem verbindlichen Lächeln herbei. Der rustikale Gesamteindruck der Wirtschaft bestätigt sich auch im Speisenangebot. Die deutsche Küche, mit erkennbar schwäbischem Einschlag, bestimmt das Bild mit Schnitzel, Roulade, Schweinebraten und zünftigen Brotzeiten. Beginnen wir also mit einer schlichten Flädlesuppe, um der Küche von Frau Wiehl auf den Zahn zu fühlen, die da bei offener Tür für die Gäste gut sichtbar um den Herd herumwuselt. Und in der Küche ist die Dame gut aufgehoben – stellt die ganz offenbar hausgemachte Rinderbrühe der guten Frau doch ein positives Zeugnis aus: Das schmeckt nach Fleisch und nicht nach Glutamat. Die darin badenden Flädle haben ebenfalls Geschmack und schwimmen mit den frisch geschnittenen Schnittlauchröllchen in der Terrine um die Wette. Währenddessen kommen immer mehr Gäste herein, die als Anhänger Von Erich Nyffenegger der mittäglichen Esskultur dieses Haus offenbar sehr zu schätzen wissen. Übrigens: Der Adler beglückt auch nachmittags mit durchgehend warmer Küche. Man kennt sich, es wird mit Namen gegrüßt – der Herr mit Krawatte ebenso wie der Handwerker im blauen Kittel.
Aber zurück zum Essen, zum Beispiel zu der kleinen Salatplatte. Zwar sind die Zutaten frisch und knackig, doch der Geschmackssinn meldet die Verwendung etwas eigentümlicher Würzhilfsmittel, die eine Köchin vom Schlage Frau Wiehls gar nicht nötig hat. Dass der Umgang mit sogenannter Speisewürze dem Haus nicht fremd ist, dokumentieren allein schon die Fläschchen mit dunkler Flüssigkeit auf den Tischen, die eigentlich niemand braucht, sofern in der Küche anständig gekocht wird.
Das duftende Rehgulasch in Preiselbeersoße hat jedenfalls überhaupt keine geschmacklichen Hilfsmittel nötig. So wenig spektakulär die Optik auch sein mag – das Aroma, das da vom Teller aufsteigt, beweist gute Zutaten und ehrliches Handwerk: Das Fleisch verbreitet intensiven Wildgeschmack, der sich auch in der starken tomatigen Soße spiegelt. Die Spätzle haben einen schönen Biss und sind vor dem Servieren teils knusprig in Butter gebraten. Auch das Blaukraut, vielleicht ein bisschen zu lange gekocht, trägt zum positiven Eindruck dieses Wirtshausklassikers bei. Gasthaus Adler Kirchtalstr. 14 78187 Geisingen-Aulfingen Telefon 07708-394 www.adler-aulfingen.de Geöffnet Donnerstag bis Montag ab 10 Uhr, dienstags nur mittags von 10 bis 14 Uhr, Mittwoch Ruhetag. Hauptgericht 7,30-19,80 Euro.
Weitere „Aufgegabelt“-Folgen: schwaebische.de/aufgegabelt