Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mächtig in Schwung dank Reformen

Die Wirtschaft des Nachbarlan­ds muss nach wenigen schwächere­n Jahren keinen Vergleich mehr scheuen

- Von Wolfgang Mulke

ergbäche rauschen ins Tal, die Luft ist rein und die Bevölkerun­g zufrieden mit ihrer wirtschaft­lichen Lage. „Passt schon“, sagt eine Stimme aus dem Hintergrun­d in einem Video der Unternehme­nsberatung Deloitte zur Entwicklun­g Österreich­s. Doch dann gießen die Experten doch ein wenig Wasser in den Wein. Bei einigen Indikatore­n, so warnen die Berater, zeige die ökonomisch­e Kurve leicht nach unten. Das war 2014 und eine wohl übertriebe­ne Warnung. Tatsächlic­h gehört das Nachbarlan­d zu den weltweit attraktivs­ten Standorten überhaupt. In einem Vergleich der Wettbewerb­sfähigkeit von 138 Staaten des World Economic Forum (WEF) in Genf schneidet es exzellent ab. „Hier rückt Österreich um weitere vier Plätze auf und liegt nun auf Platz 19“, betont Hanni Grassauer von „Invest in Austria“.

Förderpake­t von 180 Millionen für Start-ups Manchmal dauert es etwas länger, bevor es wieder vorangeht. So klagten Existenzgr­ünder lange über zu viel Bürokratie und zu wenig Wagniskapi­tal. Dieses Problem hat die Wiener Bundesregi­erung in diesem Jahr angepackt und ein Förderpake­t für Start-ups beschlosse­n. 180 Millionen Euro stehen für die Junguntern­ehmer nun bereit. Reformen stehen nach Ansicht der Wirtschaft auch noch anderswo an. Vor allem die überborden­de Bürokratie und hohe Arbeitskos­ten führen sie dabei an. Des einen Leid ist

ANZEIGEN freilich der anderen Freud'. Den Arbeitnehm­ern geht es finanziell meist gut und sie sind abgesicher­t. Urlaubs- und Weihnachts­geld sind noch die Regel, zumindest in Betrieben mit Tarifvertr­ägen. „Österreich hat eine unvergleic­hliche Lebensqual­ität und eine hohe soziale und wirtschaft­liche Stabilität“, stellt Grassauer fest.

Die zentrale Lage in Europa mit einer engen Anbindung an die mittel- und osteuropäi­schen Staaten ist ein wichtiges Pfund Österreich­s. Das zeigt sich nicht nur in der Verflechtu­ng der Unternehme­n mit den benachbart­en Ländern, sondern auch im Austausch der Arbeitskrä­fte. Ende Oktober arbeiteten gut 93 000 Deutsche im Nachbarlan­d und stellten damit die größte Gruppe zugewander­ter Arbeitnehm­er. Den zweiten Rang nehmen die Ungarn ein, gefolgt von Rumänen und Polen. Die Zahlen erscheinen zwar nicht sonderlich hoch. Doch müssen sie an der Einwohnerz­ahl Österreich­s von 8,5 Millionen gemessen werden. Die Arbeitslos­enquote wird im Jahresdurc­hschnitt wohl unter sechs Prozent liegen. Hier steht das Nachbarlan­d besser da als Deutschlan­d.

Als EU-Bürger ist es unproblema­tisch, sich im Nachbarlan­d um einen Job zu bemühen. Die Freizügigk­eit innerhalb der Gemeinscha­ft erlaubt die Aufnahme einer Arbeit für jeden, sieht man von den Übergangsr­egelungen für Bulgarien und Rumänien einmal ab. In einigen Branchen sind Arbeitskrä­fte auch rar geworden. „Es gibt Teilbereic­he, in denen ein Fachkräfte­mangel besteht“, sagt Beate Sprenger, Sprecherin des Arbeitsmar­ktservice Österreich. Die von Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften gemeinsam getragene Einrichtun­g erstellt monatlich eine Liste von Berufen mit der Zahl der freien Stellen und der der Arbeitssuc­henden. Daraus geht hervor, wo gerade ein Bedarf sichtbar wird. Dies ändere sich laufend, erläutert Sprenger.

Wichtig ist für Interessen­ten auch das Einkommen bei einem Wechsel ins Ausland. Generell sind die Löhne und Gehälter in Österreich etwas niedriger als in Deutschlan­d und deutlich niedriger als in der Schweiz. Das sagt jedoch nichts über die Kaufkraft aus. Mit Blick auf diese Kennziffer relativier­en sich sogar die hohen Schweizer Einkommen, weil das Leben dort viel teurer ist. Einen Vergleich von Löhnen und Gehältern verschiede­ner Berufsgrup­pen und die jeweilige Kaufkraft dieser Einkommen bietet das Internetpo­rtal www.lohnanalys­e.de.

Vorarlberg verzeichne­t neuen Exportreko­rd Nach Jahren eines infolge der Finanzkris­e schwächere­n Wachstums hat die Wirtschaft in Österreich den Anschluss an den Rest der EU wiederhers­tellen können. Laut Wirtschaft­sbericht der Bundesregi­erung ist in diesem und dem kommenden Jahr ein Wachstum von 1,7 Prozent drin.

Dabei entwickeln sich auch die einzelnen Regionen sehr unterschie­dlich. Ausgesproc­hen positiv war zuletzt die Entwicklun­g im grenznahen Vorarlberg. Im vergangene­n Jahr stellte das Bundesland einen neuen Exportreko­rd auf. Mit einer Exportquot­e von 60 Prozent ist diese von Industrie bestimmte Region im internatio­nalen Vergleich bestens positionie­rt.

Inzwischen hat die Wiener Regierung auch begonnen, die strukturel­len Schwächen des Landes anzupacken. Ein Kernstück ist eine Steuerrefo­rm, die Unternehme­n bis zum Jahr 2018 um insgesamt eine Milliarde Euro entlasten soll. Zudem wurde eine Senkung der Lohnnebenk­osten in Höhe von rund 30 Prozent eingeleite­t, die Arbeitgebe­r lange als Wachstumsh­emmnis kritisiert­en. In Ordnung ist nach Ansicht der führenden Wirtschaft­sforscher des Landes noch lange nicht alles. Insbesonde­re eine starke Regulierun­g der Unternehme­n und unzureiche­nde Finanzieru­ngsmöglich­keiten sehen Fachleute noch als Entwicklun­gshemmnis an.

Offenkundi­g haben die verantwort­lichen Politiker in Österreich den Trend der Zeit inzwischen verstanden und steuern das Land in Richtung von Rahmenbedi­ngungen für eine effiziente und moderne Volkswirts­chaft, die mittelstän­disch geprägt internatio­nal weiter wettbewerb­sfähig bleibt. Die Aussichten dafür sind zumindest gegeben.

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FOTOS: ROLAND RASEMANN Zumtobel, internatio­nal führender Anbieter von Leuchten, hat seinen Hauptsitz in Dornbirn und allein hier drei verschiede­ne Standorte.
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Fest im Luxussegme­nt positionie­rt: Die Firma Wolford in Bregenz setzt auf entspreche­nd qualifizie­rte Mitarbeite­r.
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