Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mächtig in Schwung dank Reformen
Die Wirtschaft des Nachbarlands muss nach wenigen schwächeren Jahren keinen Vergleich mehr scheuen
ergbäche rauschen ins Tal, die Luft ist rein und die Bevölkerung zufrieden mit ihrer wirtschaftlichen Lage. „Passt schon“, sagt eine Stimme aus dem Hintergrund in einem Video der Unternehmensberatung Deloitte zur Entwicklung Österreichs. Doch dann gießen die Experten doch ein wenig Wasser in den Wein. Bei einigen Indikatoren, so warnen die Berater, zeige die ökonomische Kurve leicht nach unten. Das war 2014 und eine wohl übertriebene Warnung. Tatsächlich gehört das Nachbarland zu den weltweit attraktivsten Standorten überhaupt. In einem Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit von 138 Staaten des World Economic Forum (WEF) in Genf schneidet es exzellent ab. „Hier rückt Österreich um weitere vier Plätze auf und liegt nun auf Platz 19“, betont Hanni Grassauer von „Invest in Austria“.
Förderpaket von 180 Millionen für Start-ups Manchmal dauert es etwas länger, bevor es wieder vorangeht. So klagten Existenzgründer lange über zu viel Bürokratie und zu wenig Wagniskapital. Dieses Problem hat die Wiener Bundesregierung in diesem Jahr angepackt und ein Förderpaket für Start-ups beschlossen. 180 Millionen Euro stehen für die Jungunternehmer nun bereit. Reformen stehen nach Ansicht der Wirtschaft auch noch anderswo an. Vor allem die überbordende Bürokratie und hohe Arbeitskosten führen sie dabei an. Des einen Leid ist
ANZEIGEN freilich der anderen Freud'. Den Arbeitnehmern geht es finanziell meist gut und sie sind abgesichert. Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind noch die Regel, zumindest in Betrieben mit Tarifverträgen. „Österreich hat eine unvergleichliche Lebensqualität und eine hohe soziale und wirtschaftliche Stabilität“, stellt Grassauer fest.
Die zentrale Lage in Europa mit einer engen Anbindung an die mittel- und osteuropäischen Staaten ist ein wichtiges Pfund Österreichs. Das zeigt sich nicht nur in der Verflechtung der Unternehmen mit den benachbarten Ländern, sondern auch im Austausch der Arbeitskräfte. Ende Oktober arbeiteten gut 93 000 Deutsche im Nachbarland und stellten damit die größte Gruppe zugewanderter Arbeitnehmer. Den zweiten Rang nehmen die Ungarn ein, gefolgt von Rumänen und Polen. Die Zahlen erscheinen zwar nicht sonderlich hoch. Doch müssen sie an der Einwohnerzahl Österreichs von 8,5 Millionen gemessen werden. Die Arbeitslosenquote wird im Jahresdurchschnitt wohl unter sechs Prozent liegen. Hier steht das Nachbarland besser da als Deutschland.
Als EU-Bürger ist es unproblematisch, sich im Nachbarland um einen Job zu bemühen. Die Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft erlaubt die Aufnahme einer Arbeit für jeden, sieht man von den Übergangsregelungen für Bulgarien und Rumänien einmal ab. In einigen Branchen sind Arbeitskräfte auch rar geworden. „Es gibt Teilbereiche, in denen ein Fachkräftemangel besteht“, sagt Beate Sprenger, Sprecherin des Arbeitsmarktservice Österreich. Die von Arbeitgebern und Gewerkschaften gemeinsam getragene Einrichtung erstellt monatlich eine Liste von Berufen mit der Zahl der freien Stellen und der der Arbeitssuchenden. Daraus geht hervor, wo gerade ein Bedarf sichtbar wird. Dies ändere sich laufend, erläutert Sprenger.
Wichtig ist für Interessenten auch das Einkommen bei einem Wechsel ins Ausland. Generell sind die Löhne und Gehälter in Österreich etwas niedriger als in Deutschland und deutlich niedriger als in der Schweiz. Das sagt jedoch nichts über die Kaufkraft aus. Mit Blick auf diese Kennziffer relativieren sich sogar die hohen Schweizer Einkommen, weil das Leben dort viel teurer ist. Einen Vergleich von Löhnen und Gehältern verschiedener Berufsgruppen und die jeweilige Kaufkraft dieser Einkommen bietet das Internetportal www.lohnanalyse.de.
Vorarlberg verzeichnet neuen Exportrekord Nach Jahren eines infolge der Finanzkrise schwächeren Wachstums hat die Wirtschaft in Österreich den Anschluss an den Rest der EU wiederherstellen können. Laut Wirtschaftsbericht der Bundesregierung ist in diesem und dem kommenden Jahr ein Wachstum von 1,7 Prozent drin.
Dabei entwickeln sich auch die einzelnen Regionen sehr unterschiedlich. Ausgesprochen positiv war zuletzt die Entwicklung im grenznahen Vorarlberg. Im vergangenen Jahr stellte das Bundesland einen neuen Exportrekord auf. Mit einer Exportquote von 60 Prozent ist diese von Industrie bestimmte Region im internationalen Vergleich bestens positioniert.
Inzwischen hat die Wiener Regierung auch begonnen, die strukturellen Schwächen des Landes anzupacken. Ein Kernstück ist eine Steuerreform, die Unternehmen bis zum Jahr 2018 um insgesamt eine Milliarde Euro entlasten soll. Zudem wurde eine Senkung der Lohnnebenkosten in Höhe von rund 30 Prozent eingeleitet, die Arbeitgeber lange als Wachstumshemmnis kritisierten. In Ordnung ist nach Ansicht der führenden Wirtschaftsforscher des Landes noch lange nicht alles. Insbesondere eine starke Regulierung der Unternehmen und unzureichende Finanzierungsmöglichkeiten sehen Fachleute noch als Entwicklungshemmnis an.
Offenkundig haben die verantwortlichen Politiker in Österreich den Trend der Zeit inzwischen verstanden und steuern das Land in Richtung von Rahmenbedingungen für eine effiziente und moderne Volkswirtschaft, die mittelständisch geprägt international weiter wettbewerbsfähig bleibt. Die Aussichten dafür sind zumindest gegeben.