Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Unbeliebter
Schon von Anfang an war klar, dass François Hollande in seiner überraschend einberufenen Fernsehansprache eine Sensation zu verkünden hat. In der neunten Minuten sprach er dann den entscheidenden Satz: „Ich habe beschlossen, nicht bei der Präsidentschaftswahl anzutreten.“Er sei sich der Risiken einer Spaltung bewusst, die seine Kandidatur bedeute, ergänzte der Sozialist. Der 62-Jährige ist der erste Präsident der seit 1958 installierten Fünften Republik, der nicht wieder kandidiert. 2012 war er mit rund 52 Prozent der Stimmen gewählt worden. Zuletzt waren dem unbeliebten Amtsinhaber in Umfragen nur noch sieben bis neun Prozent vorhergesagt worden.
Nachdem Hollande in einem Buch zwei Journalisten peinliche Bekenntnisse anvertraut hatte, waren auch Parteifreunde auf Distanz gegangen. Viele sahen durch die Enthüllungen das Amt des Präsidenten beschädigt. Eine Kritik, die Hollande anscheinend verstanden hat. In seiner Ansprache gab er „Irrtümer“zu. „Die Machtausübung hat mir nicht die Hellsichtigkeit geraubt“, versicherte der Staatschef. Gleichzeitig zog er eine Bilanz seiner Amtszeit, die von der Einführung der HomoEhe bis zum Militäreinsatz in Mali reichte.
Hollandes wichtigstes Versprechen war die Verringerung der Arbeitslosigkeit. Er hatte 2014 angekündigt, nicht wieder anzutreten, wenn er es nicht schaffe, den Trend zu immer mehr Arbeitslosen umzukehren. Erfolge stellten sich zwar ein, aber später als erwartet. Die Statistikbehörde INSEE geht weiter von einer Quote von zehn Prozent aus.
Hollande, der mit seiner früheren Partnerin, der Politikerin Ségolène Royal, vier Kinder hat, gab in seiner zehnminütigen Rede bereits die Linie des Wahlkampfes der Sozialisten vor. Er kritisierte das Projekt des konservativen Kandidaten François Fillon. Die Bekanntgabe seiner Entscheidung war erst für nächste Woche erwartet worden, da Hollande heute für zwei Tage nach Abu Dhabi fliegt. Dort soll er einen Ableger des Louvre einweihen. Christine Longin