Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Jürgen Hohl ergattert prächtiges Rokoko-Messgewand
Die Gewänder-Sammlung des Museums für Klosterkultur ist um ein Schmuckstück reicher
WEINGARTEN - Jürgen Hohl im Sammlerglück. Schon lange ist der Leiter des Museums für Klosterkultur hinter dieser Rarität her. Jetzt hat es geklappt. Über den Umweg Spanien ist ein üppig besticktes RokokoMessgewand, eine sogenannte Casel, nun in den Besitz des Museums gekommen. Das Tuch ist 270 Jahre alt und wurde in Zisterzienserinnenklöstern der Region einst aufwendig bestickt. Der Neuerwerb ist das Prachtstück von Hohls 80 Gewänder umfassenden Sammlung – liturgische Kleidung aus vier Jahrhunderten.
„Der Mensch muss warten können“, sagt Jürgen Hohl gerührt. „Da läuft man ewig etwas hinterher und dann findest nicht du das ersehnte Objekt, es findet dich.“Ein junger Priester aus Spanien ist über das Internet auf Jürgen Hohl aufmerksam geworden. Wie der 72-jährige Brauchtumsexperte aus Weingarten ist der Geistliche aus Toledo leidenschaftlicher Sammler liturgischer Gewänder. Von dieser Kostbarkeit musste der Spanier sich nun trennen, weil er das Geld für den Umbau eines alten Hauses benötigt. Und gut vernetzt, wie Jürgen Hohl in der Region ist, hat er auch gleich Sponsoren aus Baienfurt gefunden, die ihm das nötige Geld von 1500 Euro für das gute Stück spendeten.
Das kostbare Seidengewand nennt man Casel. Der Name stammt von Casula, was aus dem Lateinischen übersetzt Häuschen heißt. Diese Casel ist ein liturgisches Ganzkörpergewand in der traditionellen römischen Bassgeigenform. Seit dem zweiten Vatikanischen Konzil wurde die Art von Gewändern nicht mehr in Gottesdiensten getragen, besondere Riten ausgenommen. Hohl ist sich sicher, dass dieses prächtige, mit Blumen bestickte Gewand des Spätbarock und Rokoko in Frauenklöstern Oberschwabens geschaffen worden ist. „Das ist die typische verspielte Stickkunst aus der Gegend hier, auch Nadelmalerei genannt.“
Die florale Ornamentik sei von Jean Jacques Rousseau und seinem Wahlspruch, zurück zur Natur, inspiriert. Und auch italienische Einflüsse kann Hohl ausmachen. Zwischen den Jahren 1740 und 1760 hätten die Zisterzienserinnen dort so gearbeitet. Obwohl abgeschirmt hinter Klostermauern lebend, seien durchaus stilistische wie modische Impulse der Welt von den Klosterfrauen aufgenommen worden. Diese besondere Frauenarbeit bewahren und würdigen, das ist einer der Gründe für Hohls textile Sammelleidenschaft. Dieses alte Kunsthandwerk soll aber auch Inspiration sein.
Sammlung von 80 Gewändern Das Rokokogewand stammt ursprünglich vom gleichen polnischen Antiquitätenhändler, bei dem Jürgen Hohl bereits vor zwei Jahren schon einmal 25 antike Messgewänder erworben hat. Seine Sammlung im Museum für Klosterkultur verfügt damit über 80 Gewänder. Das Älteste von 1525 ist aus der Zeit Martin Luthers. Die Kollektion reicht bis 1950. Wegen Platznot im jetzigen Museum können die schönen Stücke aber nicht ausgestellt werden. So hofft Jürgen Hohl weiter auf neue, größere Räume, wo das prächtige Rokokogewand dann seinen gebührenden Platz bekommen soll.