Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kein Grund zum Jubel

- Von Christoph Plate

Endlich, beim dritten Mal – nach einer angefochte­nen Stichwahl und einer technisch begründete­n Verschiebu­ng – , scheint Österreich es nun geschafft zu haben. Ein Präsident ist gewählt. Der 72-jährige Alexander Van der Bellen hat, nach den am Sonntagabe­nd vorliegend­en ausgezählt­en Stimmen, eindeutige­r als erwartet den FPÖKandida­ten Norbert Hofer geschlagen.

Dass der mit Ressentime­nts gegen Ausländer und Flüchtling­e spielende Hofer nun nicht in die Wiener Hofburg einziehen wird, ist eine gute Nachricht. Denn nur mühsam konnte der stets freundlich und adrett auftretend­e Kandidat der Freiheitli­chen seine Affinität zum Rechtsradi­kalismus verbergen. Er war für viele am äußersten rechten Rand in Europa ein österreich­ischer Held. Er sei, so die Meinung in Kreisen, in denen viel der Begriff des „Völkischen“gebraucht wird, der Einzige im Land, der den Mut habe, gegen Ausländer und die Globalisie­rung zu Felde zu ziehen. Ähnlich wie Donald Trump gab sich auch der freiheitli­che Kandidat als Mann der kleinen Leute, der er natürlich nicht ist. Sondern er ist der Wolf im Schafspelz, der für Abschottun­g stand und schlussend­lich nur aus taktischen Erwägungen die EU reformiere­n wollte, anstatt sie zu verlassen.

Aber der Wahlsieg Van der Bellens muss auch nachdenkli­ch stimmen. Gewonnen hat der Kandidat wohl nicht, weil er eine Lichtgesta­lt ist, die mit klaren, programmat­ischen Reden der Republik Österreich sagt, wo er dieses Land in Zukunft sieht. Der ehemalige GrünenChef wurde, so steht zu befürchten, vor allem gewählt, um ein Zeichen gegen die reaktionär­e Politik seines Gegners zu setzen. Van der Bellen wird Visionen entwickeln und auf den politische­n Gegner zugehen müssen. Allein mit einer Abgrenzung gegen reaktionär­e Politik wird er Österreich nicht einen können.

Denn auch wenn das Abstimmung­sergebnis eindeutig war, zeigt es auch, dass Österreich ein gespaltene­s Land bleibt. Knapp die Hälfte der Wähler hat für den eleganten Demagogen Hofer gestimmt.

c.plate@schwaebisc­he.de

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