Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Sigmaringer Rat will keine Dauer-LEA
Demonstration und Bürgerversammlung wegen Plänen des Landes für Asyl-Erstaufnahme
SIGMARINGEN - Gegen die Pläne des Landes, die Landeserstaufnahmestelle (LEA) für Flüchtlinge dauerhaft in Sigmaringen zu belassen, formiert sich Widerstand. Eine Bürgerinitiative hat am Samstag zu einer Kundgebung aufgerufen. Gut 100 Menschen protestierten nach Angaben der Polizei gegen die Pläne des Landes. Am heutigen Montag stellt die Stadtverwaltung auf einer Einwohnerversammlung am Abend ihren Forderungskatalog vor. Die Bürger sollen die Forderungen mit ihrer Unterschrift unterstützen.
Geschlossen hat der Gemeinderat für zwölf Forderungen gestimmt. Die beiden wichtigsten Punkte: Statt einer dauerhaften Erstaufnahmestelle, wie in dem Plan vorgesehen, spricht sich die Stadt für eine zeitliche Begrenzung bis 2020 aus. Zweitens fordert die Stadt eine Obergrenze von 500 Flüchtlingen. Wie berichtet, sehen die Pläne des baden-württembergischen Innenministers Thomas Strobl (CDU) vor, in der ehemaligen Kaserne maximal 1250 Asylbewerber unterzubringen. Die Sigmaringer Erstaufnahmestelle wäre damit die größte im Land – größer als Freiburg, Karlsruhe und Ellwangen.
Bürgermeister sieht Missverhältnis Bürgermeister Thomas Schärer (CDU) kritisiert dieses Missverhältnis: „Ich habe kein Verständnis dafür, dass in Sigmaringen 1250 Plätze vorgehalten werden sollen, während in deutlich größeren Städten deutlich weniger Plätze zur Verfügung gestellt werden.“
„Wir wollen den Forderungskatalog des Gemeinderats öffentlich und medienwirksam unterstützen“sagte Stefanie Ullrich-Colaiacomo, eine der Gründerinnen der Bürgerinitiative, vor dem Rathaus. Die Mitglieder der Bürgerinitiative sehen durch die LEA die wirtschaftliche Entwicklung Sigmaringens in Gefahr. Zwar entsteht auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne mit Mitteln der EU, des Landes und der Stadt ein Innovationscampus, doch bislang belegt die Erstaufnahmestelle auf dem Gelände rund 34 Hektar. „Wenn die Ungewissheit durch die LEA weiter bestehen bleibt, siedeln sich in Sigmaringen keine Firmen an.“
In dem Forderungspapier nennt die Stadt es „unverträglich“, wenn sich zehn Prozent der Bevölkerung in ständig wechselnder Besetzung und „ohne kulturelles Verständnis“in Sigmaringen aufhalten würden. Die Verantwortlichen von Diakonie und Caritas beklagen zudem einen Rückgang des ehrenamtlichen Engagements. Die Helfer seien erschöpft und ausgelaugt. „Es kann auf Dauer zu einer überdurchschnittlichen Abkehr des ehrenamtlichen Engagements kommen“, warnt Bürgermeister Schärer.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte kürzlich gesagt: „Ich weiß nichts von konkreten Beschwernissen für die Bürgerschaft meiner Heimatstadt.“Der Regierungschef wohnt im Sigmaringer Ortsteil Laiz selbst in der Nähe einer Flüchtlingsunterkunft.
Da die Erstaufnahmestelle inmitten der Flüchtlingskrise eröffnet wurde, lehnte das damalige Integrationsministerium eine vertragliche Vereinbarung mit der Stadt ab. Im Sinne der Gleichbehandlung – Ellwangen und Meßstetten verfügen über Verträge – will die Stadt nun einen solchen Vertrag abschließen. Innenminister Thomas Strobl zeigt Gesprächsbereitschaft. Er hatte sein Konzept als „Gesprächsgrundlage“angekündigt. Sein Sprecher sagte auf Anfrage unserer Zeitung: „Der Entwurf ist nicht in Stein gemeißelt“.
Kritik auch auf der Ostalb Kritik an den Plänen des Innenministeriums regt sich auch in Ellwangen (Ostalbkreis). Die dortige LEA möchte das Land ebenfalls auf Dauer weiterbetreiben – als zentrale Aufnahmestelle im Regierungsbezirk Stuttgart, vorgesehen sind 700 Plätze. Dass es solche Überlegungen gibt, ohne die Stadt einzubeziehen, hat Oberbürgermeister Karl Hilsenbek (parteilos) und Vertreter des Gemeinderats verärgert. Denn der Vertrag zwischen Stadt und Land begrenzt die Belegung auf 500 bis maximal 1000 Menschen und legt die Laufzeit bis 2019 fest, mit der Option, sie um fünf Jahre zu verlängern.
Nun soll Innenminister Strobl erläutern, wie und unter welchen Bedingungen das Land die LEA in Ellwangen weiterführen will. Darüber wird dann der Ellwanger Gemeinderat in seiner Sitzung am 8. Dezember diskutieren.