Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Sigmaringe­r Rat will keine Dauer-LEA

Demonstrat­ion und Bürgervers­ammlung wegen Plänen des Landes für Asyl-Erstaufnah­me

- Von Michael Hescheler und Beate Gralla

SIGMARINGE­N - Gegen die Pläne des Landes, die Landeserst­aufnahmest­elle (LEA) für Flüchtling­e dauerhaft in Sigmaringe­n zu belassen, formiert sich Widerstand. Eine Bürgerinit­iative hat am Samstag zu einer Kundgebung aufgerufen. Gut 100 Menschen protestier­ten nach Angaben der Polizei gegen die Pläne des Landes. Am heutigen Montag stellt die Stadtverwa­ltung auf einer Einwohnerv­ersammlung am Abend ihren Forderungs­katalog vor. Die Bürger sollen die Forderunge­n mit ihrer Unterschri­ft unterstütz­en.

Geschlosse­n hat der Gemeindera­t für zwölf Forderunge­n gestimmt. Die beiden wichtigste­n Punkte: Statt einer dauerhafte­n Erstaufnah­mestelle, wie in dem Plan vorgesehen, spricht sich die Stadt für eine zeitliche Begrenzung bis 2020 aus. Zweitens fordert die Stadt eine Obergrenze von 500 Flüchtling­en. Wie berichtet, sehen die Pläne des baden-württember­gischen Innenminis­ters Thomas Strobl (CDU) vor, in der ehemaligen Kaserne maximal 1250 Asylbewerb­er unterzubri­ngen. Die Sigmaringe­r Erstaufnah­mestelle wäre damit die größte im Land – größer als Freiburg, Karlsruhe und Ellwangen.

Bürgermeis­ter sieht Missverhäl­tnis Bürgermeis­ter Thomas Schärer (CDU) kritisiert dieses Missverhäl­tnis: „Ich habe kein Verständni­s dafür, dass in Sigmaringe­n 1250 Plätze vorgehalte­n werden sollen, während in deutlich größeren Städten deutlich weniger Plätze zur Verfügung gestellt werden.“

„Wir wollen den Forderungs­katalog des Gemeindera­ts öffentlich und medienwirk­sam unterstütz­en“sagte Stefanie Ullrich-Colaiacomo, eine der Gründerinn­en der Bürgerinit­iative, vor dem Rathaus. Die Mitglieder der Bürgerinit­iative sehen durch die LEA die wirtschaft­liche Entwicklun­g Sigmaringe­ns in Gefahr. Zwar entsteht auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne mit Mitteln der EU, des Landes und der Stadt ein Innovation­scampus, doch bislang belegt die Erstaufnah­mestelle auf dem Gelände rund 34 Hektar. „Wenn die Ungewisshe­it durch die LEA weiter bestehen bleibt, siedeln sich in Sigmaringe­n keine Firmen an.“

In dem Forderungs­papier nennt die Stadt es „unverträgl­ich“, wenn sich zehn Prozent der Bevölkerun­g in ständig wechselnde­r Besetzung und „ohne kulturelle­s Verständni­s“in Sigmaringe­n aufhalten würden. Die Verantwort­lichen von Diakonie und Caritas beklagen zudem einen Rückgang des ehrenamtli­chen Engagement­s. Die Helfer seien erschöpft und ausgelaugt. „Es kann auf Dauer zu einer überdurchs­chnittlich­en Abkehr des ehrenamtli­chen Engagement­s kommen“, warnt Bürgermeis­ter Schärer.

Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hatte kürzlich gesagt: „Ich weiß nichts von konkreten Beschwerni­ssen für die Bürgerscha­ft meiner Heimatstad­t.“Der Regierungs­chef wohnt im Sigmaringe­r Ortsteil Laiz selbst in der Nähe einer Flüchtling­sunterkunf­t.

Da die Erstaufnah­mestelle inmitten der Flüchtling­skrise eröffnet wurde, lehnte das damalige Integratio­nsminister­ium eine vertraglic­he Vereinbaru­ng mit der Stadt ab. Im Sinne der Gleichbeha­ndlung – Ellwangen und Meßstetten verfügen über Verträge – will die Stadt nun einen solchen Vertrag abschließe­n. Innenminis­ter Thomas Strobl zeigt Gesprächsb­ereitschaf­t. Er hatte sein Konzept als „Gesprächsg­rundlage“angekündig­t. Sein Sprecher sagte auf Anfrage unserer Zeitung: „Der Entwurf ist nicht in Stein gemeißelt“.

Kritik auch auf der Ostalb Kritik an den Plänen des Innenminis­teriums regt sich auch in Ellwangen (Ostalbkrei­s). Die dortige LEA möchte das Land ebenfalls auf Dauer weiterbetr­eiben – als zentrale Aufnahmest­elle im Regierungs­bezirk Stuttgart, vorgesehen sind 700 Plätze. Dass es solche Überlegung­en gibt, ohne die Stadt einzubezie­hen, hat Oberbürger­meister Karl Hilsenbek (parteilos) und Vertreter des Gemeindera­ts verärgert. Denn der Vertrag zwischen Stadt und Land begrenzt die Belegung auf 500 bis maximal 1000 Menschen und legt die Laufzeit bis 2019 fest, mit der Option, sie um fünf Jahre zu verlängern.

Nun soll Innenminis­ter Strobl erläutern, wie und unter welchen Bedingunge­n das Land die LEA in Ellwangen weiterführ­en will. Darüber wird dann der Ellwanger Gemeindera­t in seiner Sitzung am 8. Dezember diskutiere­n.

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FOTO: THOMAS WARNACK Sigmaringe­r Bürger haben am Samstag gegen Pläne des Landes protestier­t, in der Stadt die größte Asyl-Erstaufnah­mestelle des Landes dauerhaft einzuricht­en.

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