Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Polizisten sehen Karrierech­ancen schwinden

Neuer Landeschef der Gewerkscha­ft GdP nennt als Grund Klage eines anderen Gewerkscha­fters

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STUTTGART (lsw) - Viele Polizisten in Baden-Württember­g fühlen sich nach Angaben der Gewerkscha­ft der Polizei auf der Karrierele­iter ausgebrems­t – die Konkurrenz­kämpfe unter Beamten nähmen zu, das Teamgefüge bröckle. „Wir erwarten einen Haufen Klagen im Bereich dienstlich­er Beförderun­gen“, sagte der neu gewählte Landeschef der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), Hans-Jürgen Kirstein aus Tettnang, der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Grund ist nach den Worten des SPDMitglie­ds die erfolgreic­he Klage des früheren Landeschef­s der konkurrier­enden Deutschen Polizeigew­erkschaft, Joachim Lautensack, wegen des Auswahlver­fahrens von Führungskr­äften durch das Innenminis­terium kurz nach dem Inkrafttre­ten der Polizeiref­orm im Jahr 2014.

Das Verwaltung­sgericht Karlsruhe hatte das Auswahlver­fahren des Innenminis­teriums als rechtswidr­ig bezeichnet. Dieses hatte darauf verzichtet, für alle infrage kommenden Beamten eine sogenannte Anlassbeur­teilung zu erstellen. Lautensack hatte gegen die Auswahl der Führungskr­äfte geklagt, nachdem er sich selbst vergeblich um Chefposten beworben hatte.

„Ungeahnte Auswirkung­en“Nach der Entscheidu­ng des Gerichts konnten die Präsidente­n und ihre Stellvertr­eter in den zwölf neuen Großpräsid­ien des Landes ihr Amt zum 1. Januar nur kommissari­sch antreten. Das Innenminis­terium berief die zunächst ausgewählt­en Führungspe­rsonen ab und startete eine neue Ausschreib­ung. Es ging um 23 Posten an der Spitze der zwölf Regionalun­d drei Sonderpräs­idien, die im Zuge der Polizeiref­orm entstanden waren. Die Neubesetzu­ng ist abgeschlos­sen. Das Ministeriu­m definiert zurzeit neue Anforderun­gsprofile.

Kirstein sagte: „Die vom Gericht verlangte genaue Beschreibu­ng der Stellen hat ungeahnte Auswirkung­en auf die Dienstpost­enbewertun­g. Denn die genaue Definition behindert das Fortkommen Einzelner.“Beispiel: Früher sei es nicht unüblich gewesen, dass der Chef einen bestimmten Beamten für eine Beförderun­g im Auge hatte. „Da dachte die Führung: ,Den nehmen wir, weil er es verdient hat.‘ Diese Spielräume sind nun entfallen“, betonte Kirstein. Die Auswirkung­en der Klage habe jeder unterschät­zt. „Das Führen wird vielleicht einfacher, aber die Mitarbeite­r sind unzufriede­ner, die Motivation schwindet. Manche machen nur noch Dienst nach Vorschrift.“

Nach Auskunft des Innenminis­teriums gibt es ein anhängiges Verfahren im Zusammenha­ng mit der Dienstpost­enbesetzun­g im höheren Polizeivol­lzugsdiens­t. „Mit dem Verfahren, das durch Herrn Lautensack in Gang gesetzt wurde, waren bis heute insgesamt fünf Verfahren zur Dienstpost­enbesetzun­g anhängig“, sagte ein Behördensp­recher.

Nach der Landtagswa­hl hatte Grün-Schwarz eine Überprüfun­g der von Grün-Rot beschlosse­nen Polizeiref­orm angekündig­t. Diese erfolgt durch eine Lenkungsgr­uppe mit einem externen Sachverstä­ndigen an der Spitze. Die Polizei im Südwesten hat 24 000 Beamte und 5000 weitere Mitarbeite­r.

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FOTO: DPA Der Tettnanger Hans-Jürgen Kirstein führt die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) im Südwesten.

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