Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Österreich votiert gegen Rechts
In Vorarlberg fielen fast zwei Drittel der Stimmen auf Wahlsieger Van der Bellen
WIEN - Anders als erwartet stand das Ergebnis am Sonntagabend bereits Minuten nach Wahlschluss fest: Alexander Van der Bellen wurde am Sonntag mit 53,3 Prozent der Stimmen klar zum neuen Bundespräsidenten Österreichs gewählt. Er versprach, das tief gespaltene Land wieder auszusöhnen.
„Bin gleich wieder da“, meinte Alexander van der Bellen mittags zu den Journalisten in seinem Wahllokal in Wien, und verschwand hinterm Vorhang, um sein Stimmrecht auszuüben. Ob er der neue Präsident sei, wurde er danach gefragt. „Das Ergebnis werden wir wohl erst am Montag kennen“, antwortete er.
Der 72-jährige Wirtschaftsprofessor und Ex-Chef der Grünen, der als unabhängiger Kandidat angetreten war, irrte gewaltig: Schon bei der ersten Hochrechnung um 17.10 Uhr herrschte beim Auszählungsstand der Hälfte der Stimmen überraschend Klarheit, dass Van der Bellen die Wahl nach der Annullierung des Ergebnisses vom Frühjahr zum zweiten Mal gewonnen hatte. So früh sicher sein konnte man, weil der Vorsprung von mehr als sieben Prozent auf seinen Herausforderer Norbert Hofer, dem Kandidaten der rechten Freiheitlichen Partei (FPÖ), fünfmal höher lag als die Schwankungsbreite.
Meinungsforscher irren erneut Auch diesmal haben die Meinungsforscher grob danebengegriffen: Eine exakte Prognose hatte zwar niemand gewagt, aber man war sich einig, dass es „sehr knapp“werden würde und man sogar bis Dienstag nach Auszählung der Briefwahlstimmen auf ein Endergebnis warten müsse. Diesmal spielen die rund 700 000 Briefwähler keine Rolle, die Van der Bellen im Mai noch den knappen Vorsprung von 30 000 Stimmen beschert hatten. Bekanntlich waren es die teils lächerlichen Pannen um die Briefwahlkuverts, die sich nicht zukleben ließen und daher das Wahlgeheimnis nicht schützten, weshalb die FPÖ den ersten Wahlgang erfolgreich anfocht. Der Verfassungsgerichtshof ließ daraufhin die gesamte Wahl wiederholen. Nach weiteren Briefkuvertpannen im Frühherbst musste die Wahl erneut verschoben werden.
Auch bei der Beteiligung lagen die Prognostiker daneben: „Auf jeden Fall“würden nach dem elf Monate dauernden Wahlkampf die Österreicher wahlmüde sein, prophezeite der Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer. Letztlich lag die Beteiligung mit knapp 74 Prozent über einem Prozent höher als im Frühjahr.
Die Klarheit hatte sich bereits vor der ersten Hochrechnung am Ergebnis ausgesuchter Gemeinden angekündigt. So wählte der 3000-Seelen-Ort Reith bei Kitzbühel im Mai noch exakt 50:50, am Sonntag schlug das Pendel mit 51,3 Prozent zugunsten Van der Bellens aus. Auch in dessen Tiroler Heimatgemeinde Kaunertal legte er um 1,3 Prozentpunkte auf 86,4 Prozent zu. Hingegen kam Hofer in seiner südburgenländischen Heimatgemeinde Pinkafeld „nur“auf 70,3 Prozent, während Van der Bellen dort um 2,7 Prozentpunkte zulegen konnte. Im Bundesland Vorarlberg und in der Bundeshauptstadt Wien fielen nahezu zwei Drittel der Stimmen auf den Wahlsieger. Wenige Minuten nach der ersten Hochrechnung gestand FPÖ-Mann Norbert Hofer die Niederlage ein: „Ich bin unendlich traurig, dass es nicht geklappt hat.“Er nehme aber das Ergebnis „mit Demut“zur Kenntnis. Nach Ansicht vieler Beobachter war eine der Ursachen für die Niederlage das wesentlich aggressivere Auftreten Hofers in der Schlussphase, die überbordenden Hasspostings und persönlichen Beleidigungen seiner Anhänger gegen seinen Rivalen.
Großer Verlierer ist auch FPÖChef Strache, der sich von der Wahl seines Kandidaten zum Bundespräsidenten den Durchmarsch ins Kanzleramt erhofft hatte. Strache beklagte eine „massive Angstkampagne des politischen Systems“gegen Hofer und spielte damit auf die breite Wählerallianz quer durch alle Schichten für Van der Bellen an. Praktisch alles, was in Österreich Rang und Namen in Politik, Wirtschaft und Kultur hat, plädierte für den gemäßigten Kandidaten als Garanten für die Demokratie im Inneren und das Ansehen im Ausland.
Das blieb nicht ohne Wirkung. „Viele Wähler haben verstanden, dass es um eine Richtungsentscheidung geht“, sagte der Politologe Peter Filzmaier am Wahlabend.