Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Müller fordert Freigabe für palästinen­sische Bauvorhabe­n

Bundesentw­icklungsmi­nister kündigt bei Besuch mögliches Ende der Finanzieru­ng an

- Von Inge Günther

CHAN AL-AHMAR - Die Regenfälle sind schon wieder im Wüstenbode­n versickert. Nur ein wenig feuchter Lehm bleibt an den blanken Schuhen des Ministers haften, als er sich durch das Beduinendo­rf Chan al-Ahmar im Westjordan­land führen lässt. „Für mich ist wichtig, die Realität zu sehen“, sagt Gerd Müller, in Berlin für wirtschaft­liche Zusammenar­beit zuständig. Dazu gehört die Vorzeigesc­hule mit zwei Klassenzim­mern, in der sich die Kinder drängen.

Eigentlich haben sie schulfrei, aber zu Ehren des Ministers sitzen die Kleinen frohgelaun­t hinter den dicht an dicht gerückten Bänken. Müller revanchier­t sich mit Fußbällen, einen drückt der CSU-Politiker zur emanzipati­ven Ermutigung einem Mädchen in die Hände. Und natürlich schaut er sich noch den mit Kunstrasen ausgelegte­n Spielplatz an. Alles Projekte, die ohne Zutun europäisch­er Länder und der Vereinten Nationen nicht zu finanziere­n wären. Deutschlan­d ist mit dabei. Das BMZ, die Müller-Behörde, unterstütz­t UN-RWA, die Hilfsorgan­isation für palästinen­sische Flüchtling­e, die auch in Jordanien, Libanon und Syrien arbeitet, allein in diesem Jahr mit 36,8 Millionen Euro.

Die letzte Etappe des Besuchs von Müller in Israel, Gaza und der Westbank macht allerdings deutlich, dass die eigentlich­en Probleme nicht mit Geld zu lösen sind. Die Beduinen vom Jahalin-Stamm, die in 23 dörflichen Flecken zwischen Ost-Jerusalem und Jericho leben, kämpfen um ihr Bleiberech­t. 1948 wurden sie aus dem Negev vertrieben, jetzt sollen sie wieder weichen. Jede der 26 Familien aus Chan al-Ahmar hat von Israels Militärver­waltung ein Bauverbot ausgehändi­gt bekommen. Mehrfach rückten bereits Bulldozer an.

Anklagend weist eine Beduinenfr­au auf die Matratzen, die wieder mal nass geworden sind, „weil wir keine festen Unterkünft­e bauen dürfen“. Auch deutsche Infrastruk­turprojekt­e erhalten in den von Israel kontrollie­rten Gebieten – das sind sechzig Prozent des Westjordan­landes – seit 2015 keine Genehmigun­g mehr. „Wir warten noch die deutschisr­aelischen Regierungs­konsultati­onen im Februar ab“, meint Müller. Premier Benjamin Netanjahu habe Fortschrit­te in Aussicht gestellt. „Ansonsten habe ich vor“, so Müller, „diese Projekte zurückzieh­en.“

Das wäre eine Abkehr von der EU-Linie, den Verbleib von Palästinen­sern in den Gebieten, in denen sich auch die jüdischen Siedlungen befinden, zu fördern, um die Option einer Zwei-Staaten-Lösung zu erhalten. Zu Müllers Realitätss­inn scheint eher zu gehören, einen Konflikt mit Israel zu vermeiden. Er braucht die israelisch­e Zustimmung, um die geplante Mülldeponi­e bei Nablus voranzubri­ngen. „Die Palästinen­ser müssen der Gewalt abschwören, dann wird Israel auf sie zugehen.“

Mehr Erfolg hatte Müller derweil in Gaza, wo er den Grundstein für ein gigantisch­es Klärwerk legte. In zwei Jahren soll es die Abwässer von einer Million Bewohner reinigen, die auch die israelisch­e Küste bedrohen.

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FOTO: GÜNTHER Entwicklun­gsminister Müller in einem Westbank-Dorf der Beduinen vom Jahalin-Stamm. Neben ihm Beduinenfü­hrer Id Chamis Jahalin.

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