Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Diese Schubladen verunsichern viele“
BERLIN - Jens Spahn (Foto: dpa), CDU-Präsidiumsmitglied, verlangt, dass man sich in der Debatte mit der AfD gegenseitig zuhört. Das sagte der Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen im Interview mit Andreas Herholz.
CDU-Vize Thomas Strobl erhält immer mehr Zustimmung für seine Forderungen nach einer harten Linie in der Flüchtlingspolitik – wie passt das zum C der CDU? Der Bundespräsident hat gesagt: „Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt.“Diese Ambivalenz ist zutiefst christlich. Wir dürfen uns selbst nicht überfordern. Jeder, der nach Deutschland kommt, hat das Recht auf ein ordentliches Asylverfahren. Wessen Antrag abgelehnt ist, der muss wieder zurück in seine Heimat. Das haben wir in der Vergangenheit aus falsch verstandener Toleranz zu oft nicht durchgesetzt. Wenn nun etwa die rot-rot-grüne Koalition im Land Berlin ankündigt, nicht mehr abschieben zu wollen, dann ist das glatter Rechtsbruch. Das können und wollen wir nicht dulden.
Sie wollen die AfD überflüssig machen. Wie kann das gelingen? Viele Menschen haben den Eindruck gewonnen, sie wären nicht mehr Teil der demokratischen Auseinandersetzung. Sie vermissen Respekt für ihre Meinungen und Interessen, für ihre Art zu leben. Das fängt bei der Sprache an – nicht jeder, der gegen die Homo-Ehe ist, ist gleich homophob. Und wenn jemand sagt, dass er sich in manchen Stadtteilen in Deutschland nicht mehr wie im eigenen Land fühlt, dann ist er nicht gleich rechts oder Rassist. Diese Schubladen und die Angst, etwas Falsches zu sagen, verunsichern viele. Zu einer offenen Auseinandersetzung gehört, sich gegenseitig zuzuhören. Und klare Positionen zu beziehen bei den Themen Integration, innerer Sicherheit, Europa und gesellschaftlicher Zusammenhalt.
Die CSU erteilt Schwarz-Grün auf Bundesebene eine Absage. Bleibt am Ende dann wieder nur die Große Koalition? Knapp ein Jahr vor der Bundestagswahl geht es für mich nicht um mögliche Koalitionen, sondern darum, möglichst stark zu werden. Und jeder weiß, auch die CSU, dass noch mal vier Jahre Große Koalition nicht gut wären für das politische Klima in Deutschland. Da könnte es dann 2021 ein richtig böses Erwachen geben.