Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Knappes Rennen in Ghana
uf Ben Ephsons Schreibtisch stapeln sich Berge von Zeitungen und Papier. An der Wand hängt die Flagge Ghanas mit dem markanten schwarzen Stern. Im Regal hinter ihm stehen ein paar Broschüren, die er zu den Wahlen 2012 und 2016 veröffentlicht hat. Doch auf die Titelseite von einer Ausgabe weist er immer wieder hin.
Seine Tageszeitung „The Daily Dispatch“hat dort schon vergangene Woche geschrieben, dass John Dramani Mahama (58) die Präsidentschaftswahl am Mittwoch mit 52,4 Prozent der Stimmen gewinnen und somit wiedergewählt werden wird. Herausforderer Nana AkufoAddo (72) bekommt demnach 45,9 Prozent der Stimmen und wird der ewige Zweite bleiben.
Ben Ephson gilt in Ghana nicht als irgendwer, wenn es um Wahlprognosen geht. Bei sechs Präsidentenwahlen hat er im Vorfeld Umfragen organisiert – und lag stets richtig.
Ephson, der bei einem Studienaufenthalt in den USA 1994 seine Leidenschaft für die Meinungsforschung entdeckte, gesteht sich eine Fehlerquote von zwei Prozent zu. Doch auch mit diesem Ergebnis würde Mahama, der für die Nationale Demokratiepartei (NDP) ins Rennen geht, Präsident bleiben.
Zwei weitere Umfragen spiegeln ein anderes Bild. Schlagzeilen gemacht hatte bereits vor einigen Monaten eine Untersuchung der Economic Intelligence Unit (EIU). Sie sah Nana Akufo-Addo und seine Neue Patrioten-Partei (NPP) vorn. Auch das Zentrum für demokratische Entwicklung (CDD) kam zu einem ähnlichen Ergebnis.
Doch ähnlich wie in den USA gibt es auch in Ghana ein recht starkes Wechselwählerverhalten: Noch immer gelten 10 Prozent der 15,7 Millionen registrierten Wähler als unentschlossen oder geben das zumindest in Umfragen an. Für viele Beobachter ist daher eine zuverlässige Prognose kaum möglich. Ephson geht aber davon aus, dass sich die Zahl der Unentschlossenen Tag für Tag verkleinert – und will damit auch die Richtigkeit seiner zeitnahen Prognose unterstreichen.
Sind in Westafrika Wahlen meist stark abhängig von Personen, könnte in Ghana nun die Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Entwicklung ausschlaggebend sein. Die einstige britische Kolonie gilt als Musterland und liegt laut Weltbank seit sechs Jahren beim Einkommen weltweit im unteren Mittelfeld. Das Bruttonationaleinkommen pro Kopf liegt somit bei jährlich mindestens 1026 US-Dollar (962 Euro).
Doch 2015 ist die Wirtschaft eingebrochen. Ursachen dafür sind unter anderem eine schlechte Stromversorgung und der gesunkene Ölpreis. Laut Zentralbank lag die Inflationsrate im Oktober bei 15,8 Prozent. Im Mai schätzte die Weltbank, dass fast jeder zweite junge Ghanaer zwischen 15 und 24 Jahren arbeitslos ist. Viele dürften sich zwar Tag für Tag im informellen Sektor ein paar Cedi verdienen. Doch eine Perspektive ist das nicht. Die Opposition hofft, diese Unzufriedenheit für sich nutzen zu können.
Eines ist für viele Ghanaer aber ebenso wichtig: Es sollen friedliche Wahlen sein. Das fordern die katholischen Bischöfe, Imame und traditionelle Herrscher. Und das betonten bis zuletzt auch alle sieben Kandidaten. Meinungsforscher Ben Ephson: „Alles soll vernünftig ablaufen.“Aber wenn seine Prognose nicht stimmt? Er lacht leise auf. „Dann werde ich meine Methoden überdenken müssen.“(KNA)