Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Knappes Rennen in Ghana

- Von Katrin Gänsler, Accra

uf Ben Ephsons Schreibtis­ch stapeln sich Berge von Zeitungen und Papier. An der Wand hängt die Flagge Ghanas mit dem markanten schwarzen Stern. Im Regal hinter ihm stehen ein paar Broschüren, die er zu den Wahlen 2012 und 2016 veröffentl­icht hat. Doch auf die Titelseite von einer Ausgabe weist er immer wieder hin.

Seine Tageszeitu­ng „The Daily Dispatch“hat dort schon vergangene Woche geschriebe­n, dass John Dramani Mahama (58) die Präsidents­chaftswahl am Mittwoch mit 52,4 Prozent der Stimmen gewinnen und somit wiedergewä­hlt werden wird. Herausford­erer Nana AkufoAddo (72) bekommt demnach 45,9 Prozent der Stimmen und wird der ewige Zweite bleiben.

Ben Ephson gilt in Ghana nicht als irgendwer, wenn es um Wahlprogno­sen geht. Bei sechs Präsidente­nwahlen hat er im Vorfeld Umfragen organisier­t – und lag stets richtig.

Ephson, der bei einem Studienauf­enthalt in den USA 1994 seine Leidenscha­ft für die Meinungsfo­rschung entdeckte, gesteht sich eine Fehlerquot­e von zwei Prozent zu. Doch auch mit diesem Ergebnis würde Mahama, der für die Nationale Demokratie­partei (NDP) ins Rennen geht, Präsident bleiben.

Zwei weitere Umfragen spiegeln ein anderes Bild. Schlagzeil­en gemacht hatte bereits vor einigen Monaten eine Untersuchu­ng der Economic Intelligen­ce Unit (EIU). Sie sah Nana Akufo-Addo und seine Neue Patrioten-Partei (NPP) vorn. Auch das Zentrum für demokratis­che Entwicklun­g (CDD) kam zu einem ähnlichen Ergebnis.

Doch ähnlich wie in den USA gibt es auch in Ghana ein recht starkes Wechselwäh­lerverhalt­en: Noch immer gelten 10 Prozent der 15,7 Millionen registrier­ten Wähler als unentschlo­ssen oder geben das zumindest in Umfragen an. Für viele Beobachter ist daher eine zuverlässi­ge Prognose kaum möglich. Ephson geht aber davon aus, dass sich die Zahl der Unentschlo­ssenen Tag für Tag verkleiner­t – und will damit auch die Richtigkei­t seiner zeitnahen Prognose unterstrei­chen.

Sind in Westafrika Wahlen meist stark abhängig von Personen, könnte in Ghana nun die Unzufriede­nheit mit der wirtschaft­lichen Entwicklun­g ausschlagg­ebend sein. Die einstige britische Kolonie gilt als Musterland und liegt laut Weltbank seit sechs Jahren beim Einkommen weltweit im unteren Mittelfeld. Das Bruttonati­onaleinkom­men pro Kopf liegt somit bei jährlich mindestens 1026 US-Dollar (962 Euro).

Doch 2015 ist die Wirtschaft eingebroch­en. Ursachen dafür sind unter anderem eine schlechte Stromverso­rgung und der gesunkene Ölpreis. Laut Zentralban­k lag die Inflations­rate im Oktober bei 15,8 Prozent. Im Mai schätzte die Weltbank, dass fast jeder zweite junge Ghanaer zwischen 15 und 24 Jahren arbeitslos ist. Viele dürften sich zwar Tag für Tag im informelle­n Sektor ein paar Cedi verdienen. Doch eine Perspektiv­e ist das nicht. Die Opposition hofft, diese Unzufriede­nheit für sich nutzen zu können.

Eines ist für viele Ghanaer aber ebenso wichtig: Es sollen friedliche Wahlen sein. Das fordern die katholisch­en Bischöfe, Imame und traditione­lle Herrscher. Und das betonten bis zuletzt auch alle sieben Kandidaten. Meinungsfo­rscher Ben Ephson: „Alles soll vernünftig ablaufen.“Aber wenn seine Prognose nicht stimmt? Er lacht leise auf. „Dann werde ich meine Methoden überdenken müssen.“(KNA)

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