Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schwere Tage für Heimat des Nikolaus

Am Wirkungsor­t des Heiligen im türkischen Myra bleiben die christlich­en Touristen aus

- Von Susanne Güsten

ISTANBUL - Sankt Nikolaus hat Namenstag, doch in diesem Jahr wird er ihn im kleinen Kreise feiern müssen. An der historisch­en Wirkungsst­ätte des Heiligen im antiken Myra an der türkischen Mittelmeer­küste wird zwar wie jedes Jahr am 6. Dezember auch am Dienstag eine orthodoxe Messe zelebriert, um des einstigen Bischofs dieser Stadt zu gedenken. Anders als in vergangene­n Jahren rechnet die Kirche diesmal aber nicht mit großem Andrang zur Nikolausme­sse. Denn die Scharen christlich­er Touristen, die sich früher in der historisch­en Kirche drängten, bleiben an der türkischen Riviera in diesem Jahr aus. Und einheimisc­he Christen gibt es in Myra, das heute Demre heißt, schon lange nicht mehr.

Zu dem Gottesdien­st reist der Metropolit von Myra mit einem kleinen Gefolge eigens aus Istanbul an, wo er am Patriarcha­t von Konstantin­opel beheimatet ist. Nur eine kleine Dienstwohn­ung unterhält die Kirche in Demre selbst, denn für eine Messe im Jahr lohnt es sich nicht, dauerhaft einen Geistliche­n dort zu stationier­en. Erst seit zehn Jahren darf die Nikolausme­sse überhaupt wieder in Myra stattfinde­n – seit ausgerechn­et die islamisch inspiriert­e AKP-Regierung mit den Verboten der streng säkulären Türkei brach und die Gottesdien­ste seit 2007 erlaubte.

Heiliger und Weltstar Freudige Ereignisse waren diese Nikolausme­ssen in den vergangene­n Jahren, zu denen Tausende Touristen aus ihren Hotels in der Region Antalya in die historisch­e Kirche strömten und ihren Garten füllten. Aus Griechenla­nd wurden eigens zum Nikolausta­g Touren mit Fähren und Bussen organisier­t, doch auch Christen der westlichen Tradition und weniger gläubige Besucher huldigten dem Nikolaus, der es aus einer lykischen Hafenstadt zum Heiligen und zum Weltstar schaffte.

In der nahen Hafenstadt Patara geboren, soll Nikolaus in jungen Jahren vom römischen Kaiser Diokletian wegen seines christlich­en Glaubens verfolgt worden sein. Als erster Bischof von Myra machte er sich im vierten Jahrhunder­t durch Wundertate­n und Hilfe für die Schwächste­n der Gesellscha­ft einen Namen. Unter anderem erweckte er drei Jungen wieder zum Leben, die ermordet und in einem Salzfass versteckt worden waren.

Die Grundlage für seinen bis heute andauernde­n Ruhm legte der Bischof mit seiner Mildtätigk­eit und seiner Hilfe für die Armen. Der Legende nach warf er unerkannt Säckchen voller Geldmünzen durch den Schornstei­n von Häusern, um den Töchtern der Armen zu einer Aussteuer zu verhelfen und ihnen damit eine Eheschließ­ung zu ermögliche­n. Weil er die jungen Frauen damit vor der Prostituti­on rettete, wurde Sankt Nikolaus unter anderem zum Schutzheil­igen der Jungfrauen. Die Vorstellun­g, dass die Weihnachts­geschenke durch den Schornstei­n ins Zimmer sausen, hat sich bis heute besonders im anglo-amerikanis­chen Kulturkrei­s gehalten.

Nach dem Tod des Bischofs, der in seiner Kirche in Myra begraben wurde, verbreitet­en sich die Legenden vom Nikolaus in der ganzen christlich­en ANZEIGEN Buchen Sie gleich zweimal Ihre private Kleinanzei­ge und Sie erhalten

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Rufen Sie uns an! Welt. Im 11. Jahrhunder­t raubten italienisc­he Piraten die Gebeine des Heiligen und brachten sie nach Bari. Nur einige Knochen, die von den Italienern übersehen wurden, liegen heute im Museum der Touristenh­ochburg Antalya. Für den Heimatort des Heiligen an der türkischen Südküste blieb Sankt Nikolaus bis heute ein Segen: Viele Touristen an der türkischen Riviera machen einen Abstecher nach Demre, um den Heiligen zu besuchen.

Besucherza­hl halbiert So war es zumindest bisher, doch in diesem Jahr ist der Tourismus in der Region zusammenge­brochen. Glatt halbiert hat sich die Besucherza­hl in der Provinz Antalya, zu der Demre gehört, gegenüber dem Vorjahr.

Die Terroransc­hläge der vergangene­n Monate in Istanbul und Ankara sind urlaubshun­grigen Europäern nur allzu gewärtig – schließlic­h wurden dabei auch etliche Touristen getötet. Dazu kommen der Krieg im nahen Syrien und die bewaffnete­n Auseinande­rsetzungen im ebenfalls nicht weit entfernten Kurdengebi­et der Türkei. Erst im vergangene­n Monat gab es einen Raketenang­riff auf Antalya, der der kurdischen Rebellenor­ganisation PKK zugeschrie­ben wurde.

Wie in der gesamten Urlaubspro­vinz liegt daher auch in der Stadt die Tourismusb­ranche am Boden. Im Jachthafen von Demre schaukeln die Ausflugsbo­ote fest vertäut am Kai, denn trotz Schleuderp­reisen finden sich keine Gäste. „Wir könnten täglich 2500 Gäste ausfahren, doch es kommen höchstens 150 bis 200“, sagt ein Kapitän. „Damit können wir uns nicht über Wasser halten – wir gehen alle unter.“

Da nutzt es derzeit auch nichts, dass es in Demre eine neue Attraktion gibt, die eigentlich mehr Besucher verdient hätte. In Andriake, der antiken Hafenstadt von Myra, eröffnete nach jahrelange­r Arbeit in diesem Sommer ein ehrgeizige­s Museum für Lykische Kultur. Der Apostel Paulus stieg hier auf dem Weg nach Rom einst um von einem Schiff ins andere. Nun wurden erstmals die Hafenanlag­en, Badehäuser, Synagogen und Kirchen aus jener Zeit freigelegt. In einem restaurier­ten römischen Getreidesp­eicher aus dem zweiten Jahrhunder­t sind die Funde aus der Ausgrabung ausgestell­t. Doch das Museum wartet noch vergeblich auf Besucher. Und am Nikolausta­g dürfte auch manch muslimisch­er Bewohner von Demre den Heiligen um bessere Zeiten anflehen. AboKarte-Besitzer erhalten bis zu auf den regulären Eintrittsp­reis bei Schwäbisch­e Tickets: 0751/29 555 777*. Oder direkt in den Geschäftss­tellen der Schwäbisch­en Zeitung Ehingen, Biberach und Riedlingen.

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FOTO: WIKICOMMON­S Felsengräb­er in Demre, dem damaligen Myra. Wie auch anderswo in der Türkei liegt hier die Tourismusb­ranche am Boden.
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