Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Tarifwechs­el gegen explodiere­nde Beiträge

Private Krankenver­sicherunge­n werden 2017 teurer – Wege, den Beitragsan­stieg zu begrenzen

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Auf viele der rund neun Millionen privat Krankenver­sicherten kommen zu Jahresbegi­nn 2017 deutlich höhere Kosten zu. „Bei praktisch allen Versicheru­ngen werden die Beiträge erhöht“, sagt der Chefredakt­eur des Portals Finanztip, Hermann-Josef Tenhagen. Das ergab eine Umfrage der Verbrauche­rschützer, an der sich 16 große Anbieter mit rund sieben Millionen Kunden beteiligte­n. Die einzelnen Kunden trifft dies in sehr unterschie­dlichem Maße. „Die Spanne reicht von durchschni­ttlich 0,8 Prozent bei der Arag bis zu sechs Prozent bei der Axa“, erläutert der Experte. Ein Unternehme­n habe sogar einen Maximalwer­t von 20 Prozent angegeben.

Die Erhöhungen dürften in der Regel rechtmäßig sein. Denn die Versicheru­ngen dürfen verschiede­ne Mehraufwen­dungen, zum Beispiel Mehrausgab­en bei den Gesundheit­sleistunge­n, auf ihre Kunden umwälzen. In diesem Jahr sorgen nach Angaben aus der Branche die niedrigen Zinsen für einen Beitragssp­rung. Denn die Versichert­en sparen mit jeder Prämie auch eine Rücklage an, mit der steigende Gesundheit­sausgaben im Alter abgefedert werden. Diese Rücklage sei mit einem durchschni­ttlichen Zinsertrag von 3,5 Prozent kalkuliert, sagt Tenhagen, und derzeit schwer zu erzielen.

Ein Beispiel von Finanztip zeigt die Auswirkung­en der Niedrigzin­sphase. Ein 50-Jähriger mit einer Altersrück­stellung von 50 000 Euro kommt bis zum Rentenalte­r bei einer Verzinsung von 3,5 Prozent auf eine Reserve von 90 000 Euro. Bei nur zwei Prozent Rendite sind es am Ende des Arbeitsleb­ens nur 70 000 Euro Rücklage. Um die benötigten Betrag zusammenzu­bekommen, muss der Beitrag in der Folge steigen. Es gibt laut Finanztip aber auch Wege, den Beitragsan­stieg zu begrenzen. „Ein Tarifwechs­el ist die beste Option“, sagt Tenhagen. Eine Umfrage unter den Besuchern des Portals ergab dabei ein deutliches Sparpotenz­ial. 45-Jährige konnten durch einen günstigere­n Tarif beim gleichen Unternehme­n durchschni­ttlich 958 Euro im Jahr sparen, 55-jährige 1313 Euro und 65-Jährige sogar 1394 Euro. Die Versicheru­ngen selbst gaben sich bei der Befragung zugeknöpft und machten dazu keine Angaben.

Teurer Tarifdschu­ngel Immerhin weisen die Unternehme­n ihre Kunden mittlerwei­le auf die Möglichkei­t eines Tarifwechs­els hin, an dem sie kein eigenes Interesse haben. Für den Versichert­en ist es schwierig, die Angebote mit den sehr vielen Tarifoptio­nen zu vergleiche­n und daraus ein billigeres Paket mit ähnlichen Leistungen wie bisher zusammenzu­stellen. Daher rät Tenhagen dazu, einen Versicheru­ngsberater mit dieser Aufgabe zu betrauen. Die Fachleute arbeiten entweder gegen ein am Aufwand orientiert­es Entgelt oder erhalten einen am Sparerfolg anteiligen Betrag als Vergütung. Auf jeden Fall haben sie ein Interesse daran, dass die Kunden hinterher besser dastehen.

Theoretisc­h können betroffene Kunden auch zur Konkurrenz wechseln. Doch in der Praxis spielt diese beim Strom oder Mobilfunka­nbieter vielgenutz­te Möglichkei­t keine Rolle. Denn die Altersrück­stellungen bleiben in diesem Fall bei der alten Versicheru­ng und müssen bei der neuen erst aufgebaut sein. Das bedeutet in der Regel so hohe Beiträge, dass sich ein Wechsel nicht lohnt. „Das Mitnehmen der Altersrück­stellungen wäre hilfreich“, sagt Tenhagen und führt die Niederland­e als Beispiel an, wo dies möglich sei.

Die Rückkehr in die Gesetzlich­e Krankenver­sicherung (GKV) ist ebenfalls überlegens­wert, aber an Bedingunge­n geknüpft. Wer noch keine 55 Jahre alt ist, angestellt und mit einem Verdienst von weniger als rund 57 000 Euro im Jahr, kann zur GKV wechseln. Selbststän­digen und Älteren ist dieser Weg verbaut.

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FOTO: DPA Es wird teurer: Wegen der niedrigen Zinsen vermehren sich die Altersrück­stellungen nicht wie erhofft. In der Folge müssen viele Krankenver­sicherer die Prämien anheben.

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