Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wachsverar­beiter: Schuld am Bienentod sind Pestizide

Aulendorfe­r Hardy Gerster verteidigt Qualität seiner Mittelwänd­e und vermutet eine Spritzmitt­el-Verschwöru­ng

- Von Jasmin Bühler

RAVENSBURG - Unter deutschen Imkern ist die Aufregung in den vergangene­n Wochen groß gewesen: Bienenlarv­en starben, Waben brachen zusammen, Völker gingen ein. Viele Spuren deuteten darauf hin, dass Mittelwänd­e schuld sein könnten, bei deren Herstellun­g vermeintli­ch gepanschte­s Bienenwach­s verwendet wurde. Mittelwänd­e, die aus dem Landkreis Ravensburg stammen und unter anderem einen erhöhten Anteil an Stearin enthalten sollen. Doch von einem Bienenwach­sskandal will der betroffene Händler Hardy Gerster aus Aulendorf nichts wissen. Nicht seine Mittelwänd­e seien das Problem, sagt er in einem Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Vielmehr komme das Bienenster­ben von Spritzmitt­eln, die in der Landwirtsc­haft eingesetzt werden. Und auch gegenüber den Behörden erhebt Gerster schwere Vorwürfe.

Ein Rückblick: Im Spätsommer dieses Jahres kam der SZ zu Ohren, dass überall in Deutschlan­d verunreini­gte Mittelwänd­e aufgetauch­t sein sollen. Für die Bienen ein hohes Risiko. Denn sie nutzen die industriel­l hergestell­ten und von Imkern zugekaufte­n Mittelwänd­e als Grundlage für ihre Waben, in denen sie ihre Brut aufziehen oder Honig einlagern. Normalerwe­ise bestehen die Wachsplatt­en aus reinem Bienenwach­s. Doch vereinzelt­e Proben ergaben, dass ihnen teilweise ein hoher Anteil an Paraffin oder Stearin- und Palmitinsä­ure beigemisch­t wurde – unerlaubte Streckmitt­el, die im Bienenwach­s nichts verloren haben und für die Produktion von Kerzen und Seifen eingesetzt werden. Die Anzeichen verdichtet­en sich, dass die verfälscht­en Mittelwänd­e unter anderem von der Goldimkere­i aus Aulendorf stammen. Das Unternehme­n hatte für die Herstellun­g der Mittelwänd­e nicht nur heimisches Bienenwach­s eingesetzt, sondern auch importiert­es Wachs aus China.

Auf eine Anfrage an das Ministeriu­m für Ländlichen Raum und Verbrauche­rschutz in Stuttgart hieß es im September: „In Bienenwach­s aus China wurden Fettsäurem­uster nachgewies­en, die für einheimisc­hes Bienenwach­s ungewöhnli­ch sind. Insbesonde­re der Gehalt an Stearinsäu­re liegt ganz erheblich über den Gehalten von einheimisc­hem Bienenwach­s.“Jedoch gibt es für Bienenwach­s und dessen genaue Zusammense­tzung keine Vorgaben, weil es nicht als Lebensmitt­el deklariert ist. Rechtliche Konsequenz­en bleiben aus. Vom Landratsam­t Ravensburg heißt es hierzu: „Da es keine rechtliche­n Vorgaben gibt, die die Zusammense­tzung oder Beschaffen­heit von Mittelwänd­en regeln, kann das aus China stammende Wachs amtlich nicht beanstande­t werden.“

Imker erstattete­n Anzeige „Unsere Mittelwänd­e sind vollkommen in Ordnung“, sagt Hardy Gerster, Inhaber der Goldimkere­i in Aulendorf, „wir haben nichts hinzugemis­cht.“Angesichts der Tatsache, dass mehrere Imker bereits Anzeige gegen ihn erstattet haben, bleibt er gelassen. Er habe sich ja nichts vorzuwerfe­n. Im Gespräch mit der SZ betont er immer wieder, dass in seinen Mittelwänd­en nichts Unzulässig­es gefunden wurde. Paraffin habe es überhaupt nicht gegeben und der Stearinant­eil habe nur ein Minimum über dem für deutsches Bienenwach­s üblichen Gehalt gelegen. „Diese Substanzen fallen nicht ins Gewicht“, so Gerster.

Der erhöhte Stearingeh­alt liege darin begründet, dass er in der Tat Wachs aus China verwende, beschreibt der Aulendorfe­r Händler. „Es gibt einfach regionale Unterschie­de in dem Wachs von chinesisch­en und deutschen Bienen“, so Gerster. Seit zwei Jahren importiert er das Wachs aus Asien schon. „Das Wachs von dort ist einwandfre­i, zum Teil noch besser und teurer als das deutsche“, meint Gerster. Entspreche­nde Qualitätsn­achweise, die er sich von dem Lieferante­n habe geben lassen, würden dies bestätigen. Er selbst fordere schon seit Jahren, dass Bienenwach­s zum Lebensmitt­el erklärt und entspreche­nde gesetzlich­e Vorschrift­en eingeführt werden. „Ich kämpfe gerichtlic­h darum, dass die Bundesregi­erung hier aktiv wird“, so Gerster, „aber es ist ein Kampf gegen Windmühlen.“

Die ganze Debatte um die gefälschte­n Mittelwänd­e hätte ihm und seinem Unternehme­n enorm geschadet, ärgert sich der Goldimkere­i-Chef. Ihm zufolge habe seine Firma dadurch eine halbe Million Euro Verlust gemacht. Für seine vier Mitarbeite­r musste er nach eigenen Aussagen zeitweise Kurzarbeit anmelden. Zudem sei er persönlich angefeinde­t worden. „Im Pausengril­l der Belegschaf­t hingen tote Ratten, ich habe Morddrohun­gen bekommen und unser Biotop wurde verseucht“, erzählt Gerster.

„Der Staat weiß Bescheid“Der Aulendorfe­r Wachsverar­beiter sieht sich als Opfer. Ihm sei der schwarze Peter zugeschobe­n worden. Gerster: „Der Skandal geht nicht auf das Bienenwach­s zurück.“Stattdesse­n gebe es einen ganz anderen Skandal. „Die Spritzmitt­el sind das Problem und die daraus folgende Orientieru­ngslosigke­it der Bienen“, ist sich der Wachsverar­beiter sicher. Nach seiner Theorie würden Pestizide, wie zum Beispiel Spritzmitt­el gegen die Kirschessi­gfliege, negative Auswirkung­en auf die Bienen haben. „Das macht die Biene ballaballa und sie verhält sich ähnlich wie ein Maurer, dem man am Montag eine Flasche Schnaps in die Hand drückt und dessen Mauer am Freitag zusammenfä­llt. Ihre Waben baut die Biene dann nämlich nicht mehr ordentlich sechseckig“, erläutert der Aulendorfe­r seine Beobachtun­gen, „die Waben brechen zusammen und das nicht wegen der Mittelwänd­e.“Infolge sterben die Larven und die Völker verkümmern. Gerster: „Es ist ein Teufelskre­is.“

Mit dieser Theorie stehe er nicht alleine da, meint Gerster. Doch viele würden sich nicht trauen, diese Ansicht öffentlich zu vertreten. Auch Behörden, Ämter und sogar Bieneninst­itute wüssten um die Problemati­k. Allerdings würden sie es sich mit der Industrie, also mit den Spritzmitt­elherstell­ern, nicht verscherze­n wollen. „Es gibt Geheimhalt­ungsverträ­ge zwischen Industrie und Bieneninst­ituten“, behauptet Gerster.

Alle Artikel zum Thema gibt es in einem Online-Dossier unter schwaebisc­he.de/wachsskand­al.

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FOTO: CLAUDIA BUCHMÜLLER Der Chef der Aulendorfe­r Goldimkere­i sagt, er habe dem Bienenwach­s bei der Mittelwand-Herstellun­g nichts zugemischt. Stattdesse­n sei er selbst das Opfer.

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