Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Betörend schöne Soundcolla­gen

Das Kopenhagen­er Quintett „Girls in Airports“gastiert im Kulturzent­rum Linse

- Von Babette Caesar

WEINGARTEN - Noch nie hätten sie zuvor vom Kulturzent­rum Linse gehört und waren auch noch nie in Weingarten. Abhilfe geschaffen hat Jazztime Ravensburg mit einer Einladung der fünf Musiker der dänischen Band „Girls in Airports“. Am Tag zuvor noch in Karlsruhe gastierten sie am Samstagabe­nd im nahezu voll besetzten großen Linse-Saal. Ihre sphärische­n Soundscape­s wollen alles sein und sind es auch.

Erwartungs­volles Knistern im Saal war zu spüren, bis die fünf Musiker aus Kopenhagen die Bühne betraten. Ihre Art von Jazz, den sie nicht schlechthi­n als „Jazz“bezeichnen, hat in letzter Zeit viel Beachtung innerhalb Europas erfahren. In den sieben Jahren des Bestehens der Formation sind vier Alben erschienen. Rein instrument­al und ohne Mädchen, wie der Bandname einem weiß machen möchte.

Für alles, was Leben ausmacht Wofür der Name steht, verdeutlic­ht ihre Musik. Für alles, was Leben auf diesem Planeten ausmacht bis hinein in die unendliche­n Weiten des Universums. Dafür reichen ihnen Drumset und Perkussion, deren Equipment sich aus Zuschauerp­erspektive auf Wesentlich­es beschränkt. Doch mit Mads Forsby und Victor Dybbro an Trommeln, Schlegeln, Glocken und Marimba entfachen sie hypnotisch­e bis exotische Klangräume, die nach nur wenigen Minuten der Session ihre Wirkung bei den Zuhörern tun. Man ist gefangen von diesem Sound, in den Saxofone und Bassklarin­ette von Martin Stender und Lars Greve einsteigen.

Anfangs ziemlich unaufgereg­t, leise vor sich hin mäandernd, um stetig an Tempo und rhythmisch­er Dichte zu gewinnen. Wie sie das machen, bleibt ihr Geheimnis. Den Sound antreibend­er Akteur ist zentral Mathias Holm am elektromec­hanischen Klavier, genannt Wurlitzer. Dessen Tonpalette reicht von Vibrafon, E-Piano bis Synthesize­r. Basslinien eingeschlo­ssen.

Ihr melodische­r Reichtum scheint unerschöpf­lich zu sein, so dass er in keine noch so große Schublade passt. Alles – Weltmusik, psychedeli­scher Rock, Indie-Pop und am ehesten noch Free Jazz – verschmilz­t zu einem großen Ganzen.

Zu einem Überfliege­r, der als Songtitel mit „The Grass by the Roses“erklingt, oder im vielsagend­en „Migration“als Titel des zweiten Albums mit klangliche­n Anleihen an Arabisches und Afrikanisc­hes. Keiner der fünf rückt sich mit einem exorbitant­en Soli in den Vordergrun­d, sodass einem die Spucke weg bliebe. Das bauen die Airports-Girls ebenso fließend in ihr Spiel ein, wenn Mads Forsby sein Intro mit vibrierend­en Schlägen auf das Becken startet und Lars Greves Sax dieses wirbelnde Geflecht aufnimmt. Sie inszeniere­n Archaische­s neu und modern, ohne alten Traditione­n ihren Mythos zu rauben.

In Momenten, wenn Stender und Greve nur noch in ihre Instrument­e hauchen und es leise rauscht. In Parts, die rockig zupacken und zuvor hochkomple­xe Harmonien genüsslich entspannen, dass es fast trivial wirkt, aber nie an Niveau verliert. So etwas funktionie­rt nur, wenn man sich lange kennt und lange zusammensp­ielt. Das tut dieses Quintett mit einer großen Leichtigke­it, die beflügelt. Sie seien „really happy to be here“. Am Sonntag geht es gleich weiter nach Bochum zum nächsten Airport der dänischen Girls.

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FOTO: BABETTE CAESAR Das Kopenhagen­er Quintett „Girls in Airports“beflügelt die Jazzfans im Kulturzent­rum Linse.

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