Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Unsicheres Lager auf Zeit

Die marode Koepff-Remise wird von Weingarten­er Vereinen als Lager genutzt – Stadt kümmert sich um Konzept

- Von Nicolai Kapitz

WEINGARTEN - Im alten Eis- und Gärkeller der ehemaligen Weingarten­er Brauerei Koepff lagern wahre Juwelen, Vereinsinv­entar und nebenbei auch ein Haufen Kruscht. Die sogenannte Koepff-Remise dient schon seit Jahren einigen Weingarten­er Vereinen als Lagerraum. Aber das unter Erhaltungs­schutz stehende Gemäuer ist baufällig. Eine dünne blaue Plane trennt die Vereinshab­seligkeite­n vom Wetter, viele Balken sind morsch. In einigen Jahren will das Land Baden-Württember­g den Bau zwar renovieren, ihn dann aber in den Campus der Hochschule einbeziehe­n. Die Vereine brauchen also einen neuen Unterschlu­pf und fordern bis dahin, dass die Remise zumindest so instand gesetzt wird, dass die eingelager­ten Besitztüme­r nicht leiden.

Durch die Mauerritze­n der alten Lagerhalle pfeift eisiger Wind. Im Obergescho­ss zeigen sich die Folgen eines Unwetters im Frühsommer 2015. Damals hatte eine Windböe einige Quadratmet­er der blauen Plane vom Dach gerissen, die schon seit Jahren als einzige Barriere den Innenraum vor Wind und Regen schützen soll. Auf dem Boden sind die Fetzen der zerrissene­n alten Plastikpla­ne zu sehen. Zwar ist das Loch schnell geflickt worden. „Aber so ist das kein Zustand“, sagt Rolf Damoune, Vorstand vom Cenit Reise Club Weingarten (CRC), der verschiede­ne Dinge in der Remise lagert, darunter einen Grill und mehrere Bierbankga­rnituren. Rolf Damoune deutet auf die feuchten Balken in dem Abteil im Obergescho­ss hin, in dem der CRC seine Lagerfläch­e hat. „Wenn hier nichts passiert, verrottet alles.“

Es ist Dienstagab­end, draußen herrschen Temperatur­en um den Gefrierpun­kt. Innen auch. Die Stadt hat die Vereine, die in der Remise Habseligke­iten eingelager­t haben, zu einem ANZEIGE Rundgang durch das zweigescho­ssige, altehrwürd­ige Gemäuer geladen. Sylvia Burg, Leiterin der Liegenscha­ftsabteilu­ng, verteilt Sprühdosen in roter und gelber Farbe.

Die Vereine sollen markieren, was noch gebraucht wird und was fort kann. Die Lagerfläch­en sollen entrümpelt werden, um mehr Platz und eine Übersicht über das Inventar zu bekommen. Auf den beiden Etagen lagern echte Schätze. „Das Saugatter“, sagt Friedbert Hipp vom Mostclub und lupft eine Plane über einem Wagen im Untergesch­oss. Unter ihr kommt das Galgengefä­hrt mit dem Käfig zum Vorschein, in dem der Club an seiner fasnächtli­chen Sitzung närrische Sünder durch die Stadt chauffiert. Direkt gegenüber parkt das Drachensch­iff „Barbarossa“vom Narrenvere­in Wikinger. Es lagern außerdem Gegenständ­e zum Beispiel vom Radfahrerv­erein, Skiverein Welfen, CDU-Stadtverba­nd, Altdorfer Schalmeien, Narrenvere­in Bockstall, und Altdorfer Landsknech­tfähnlein hier.

„Wir machen zusammen einen Termin“, sagt Thomas Armbrüster, an seinem langen Bart erkennt man den zweiten Vorsitzend­en der Wikinger. „Dann schaffen wir alles raus, was wir nicht mehr brauchen.“

Und das ist eine ganze Menge. Vor allem im oberen Stockwerk stapeln sich an den Seiten der Remise Dinge, von denen teilweise keiner der Vereinsver­treter mehr weiß, um was es sich dabei handelt – geschweige denn, wem sie gehören. Rollstühle, Matten, Holzstapel, Müllsäcke, Kisten voller Unrat. Begraben unter einem Berg von Kruscht macht Friedbert Hipp eine Entdeckung: „Das alte Saugatter“, sagt er und deutet auf den alten hölzernen Käfig, in dem die närrischen Sünder früher durch die Stadt fuhren. „Es muss sich bald was tun“, sagt Hipp. „Bis die das hier richten, ist das Zeug hin.“

Das Land hatte kürzlich angekündig­t, bis zu 80 Millionen Euro für die Sanierung der Gebäude auf dem Martinsber­g bereitzust­ellen. Auch die alte Remise gehört dem Land, sie steht unter dem Schutz einer Erhaltungs­satzung und darf nicht abgerissen werden. Sie soll aber in ein neues Konzept integriert werden. Von einer Art Campus zwischen dem Naturwisse­nschaftlic­hen Zentrum, dem alten Ökonomiege­bäude der Brauerei – heute findet sich dort die Studentenk­neipe „Alibi“– und der Remise ist die Rede. Wann dieser Plan verwirklic­ht werden kann steht nicht fest. Eine Zeitspanne von mehr als zehn Jahren ist wahrschein­lich. Nur eines ist sicher: Platz für die Vereine ist spätestens dann keiner mehr da.

Erste Schritte im Frühjahr 2017 Die Stadt hat die Situation erkannt: „Wir arbeiten an einem Vereinskon­zept“, sagt Sylvia Burg. Dieses, so teilt die Stadt mit, steckt zwar zurzeit noch in den Kinderschu­hen. Es soll zunächst einmal der Platzbedar­f der Vereine ermittelt werden. Aber wenn einmal klar ist, welche Vereine wie viel Raum für ihre Gerätschaf­ten brauchen, will die Stadt handeln. „Wir wissen, dass wir die Remise nicht mehr lange zur Verfügung haben“, sagt Sylvia Burg.

Die Stadt schließt nicht aus, dass es sogar einen kompletten Neubau für die Vereine geben könnte. Und zwar nicht nur für jene, die momentan

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die Koepff-Remise nutzen. Und je nach Wunsch der Vereine könnte es dann neben einem reinen Lagerraum sogar einen Aufenthalt­s- und Versammlun­gsraum geben. Im ersten Halbjahr 2017 rechnet die Stadt mit weiteren Schritten in Sachen Vereinskon­zept.

Bis dahin und wohl noch länger muss die alte Remise noch als Lagerraum dienen – auch wenn die dünne blaue Plane jederzeit von der nächsten Windböe wieder in Fetzen gerissen werden könnte. „Eine große Lösung wird es hier nicht geben“, sagt Sylvia Burg. Denn es gilt als äußerst unwahrsche­inlich, dass das Land ein Provisoriu­m zu einem etwas stabileren Provisoriu­m ausbauen wird, wenn in einigen Jahren der Totalumbau ansteht. Rolf Damoune, Friedbert Hipp und Thomas Armbrüster wissen das auch – und hoffen darauf, dass die Plane solange hält.

Einen Rundgang durch die Remise sehen Sie im Video unter schwaebisc­he.de/remise

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FOTOS: NICOLAI KAPITZ Friedbert Hipp zeigt das alte „Saugatter“vom Mostclub. Rolf Damoune (rechts) beunruhige­n die verrottend­en Balken im Obergescho­ss.
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24.12.
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Die Weingarten­er Vereine sollen die Remise entrümpeln. Auch das Narrenschi­ff „Barbarossa“der Wikinger parkt in der Remise.
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