Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Unsicheres Lager auf Zeit
Die marode Koepff-Remise wird von Weingartener Vereinen als Lager genutzt – Stadt kümmert sich um Konzept
WEINGARTEN - Im alten Eis- und Gärkeller der ehemaligen Weingartener Brauerei Koepff lagern wahre Juwelen, Vereinsinventar und nebenbei auch ein Haufen Kruscht. Die sogenannte Koepff-Remise dient schon seit Jahren einigen Weingartener Vereinen als Lagerraum. Aber das unter Erhaltungsschutz stehende Gemäuer ist baufällig. Eine dünne blaue Plane trennt die Vereinshabseligkeiten vom Wetter, viele Balken sind morsch. In einigen Jahren will das Land Baden-Württemberg den Bau zwar renovieren, ihn dann aber in den Campus der Hochschule einbeziehen. Die Vereine brauchen also einen neuen Unterschlupf und fordern bis dahin, dass die Remise zumindest so instand gesetzt wird, dass die eingelagerten Besitztümer nicht leiden.
Durch die Mauerritzen der alten Lagerhalle pfeift eisiger Wind. Im Obergeschoss zeigen sich die Folgen eines Unwetters im Frühsommer 2015. Damals hatte eine Windböe einige Quadratmeter der blauen Plane vom Dach gerissen, die schon seit Jahren als einzige Barriere den Innenraum vor Wind und Regen schützen soll. Auf dem Boden sind die Fetzen der zerrissenen alten Plastikplane zu sehen. Zwar ist das Loch schnell geflickt worden. „Aber so ist das kein Zustand“, sagt Rolf Damoune, Vorstand vom Cenit Reise Club Weingarten (CRC), der verschiedene Dinge in der Remise lagert, darunter einen Grill und mehrere Bierbankgarnituren. Rolf Damoune deutet auf die feuchten Balken in dem Abteil im Obergeschoss hin, in dem der CRC seine Lagerfläche hat. „Wenn hier nichts passiert, verrottet alles.“
Es ist Dienstagabend, draußen herrschen Temperaturen um den Gefrierpunkt. Innen auch. Die Stadt hat die Vereine, die in der Remise Habseligkeiten eingelagert haben, zu einem ANZEIGE Rundgang durch das zweigeschossige, altehrwürdige Gemäuer geladen. Sylvia Burg, Leiterin der Liegenschaftsabteilung, verteilt Sprühdosen in roter und gelber Farbe.
Die Vereine sollen markieren, was noch gebraucht wird und was fort kann. Die Lagerflächen sollen entrümpelt werden, um mehr Platz und eine Übersicht über das Inventar zu bekommen. Auf den beiden Etagen lagern echte Schätze. „Das Saugatter“, sagt Friedbert Hipp vom Mostclub und lupft eine Plane über einem Wagen im Untergeschoss. Unter ihr kommt das Galgengefährt mit dem Käfig zum Vorschein, in dem der Club an seiner fasnächtlichen Sitzung närrische Sünder durch die Stadt chauffiert. Direkt gegenüber parkt das Drachenschiff „Barbarossa“vom Narrenverein Wikinger. Es lagern außerdem Gegenstände zum Beispiel vom Radfahrerverein, Skiverein Welfen, CDU-Stadtverband, Altdorfer Schalmeien, Narrenverein Bockstall, und Altdorfer Landsknechtfähnlein hier.
„Wir machen zusammen einen Termin“, sagt Thomas Armbrüster, an seinem langen Bart erkennt man den zweiten Vorsitzenden der Wikinger. „Dann schaffen wir alles raus, was wir nicht mehr brauchen.“
Und das ist eine ganze Menge. Vor allem im oberen Stockwerk stapeln sich an den Seiten der Remise Dinge, von denen teilweise keiner der Vereinsvertreter mehr weiß, um was es sich dabei handelt – geschweige denn, wem sie gehören. Rollstühle, Matten, Holzstapel, Müllsäcke, Kisten voller Unrat. Begraben unter einem Berg von Kruscht macht Friedbert Hipp eine Entdeckung: „Das alte Saugatter“, sagt er und deutet auf den alten hölzernen Käfig, in dem die närrischen Sünder früher durch die Stadt fuhren. „Es muss sich bald was tun“, sagt Hipp. „Bis die das hier richten, ist das Zeug hin.“
Das Land hatte kürzlich angekündigt, bis zu 80 Millionen Euro für die Sanierung der Gebäude auf dem Martinsberg bereitzustellen. Auch die alte Remise gehört dem Land, sie steht unter dem Schutz einer Erhaltungssatzung und darf nicht abgerissen werden. Sie soll aber in ein neues Konzept integriert werden. Von einer Art Campus zwischen dem Naturwissenschaftlichen Zentrum, dem alten Ökonomiegebäude der Brauerei – heute findet sich dort die Studentenkneipe „Alibi“– und der Remise ist die Rede. Wann dieser Plan verwirklicht werden kann steht nicht fest. Eine Zeitspanne von mehr als zehn Jahren ist wahrscheinlich. Nur eines ist sicher: Platz für die Vereine ist spätestens dann keiner mehr da.
Erste Schritte im Frühjahr 2017 Die Stadt hat die Situation erkannt: „Wir arbeiten an einem Vereinskonzept“, sagt Sylvia Burg. Dieses, so teilt die Stadt mit, steckt zwar zurzeit noch in den Kinderschuhen. Es soll zunächst einmal der Platzbedarf der Vereine ermittelt werden. Aber wenn einmal klar ist, welche Vereine wie viel Raum für ihre Gerätschaften brauchen, will die Stadt handeln. „Wir wissen, dass wir die Remise nicht mehr lange zur Verfügung haben“, sagt Sylvia Burg.
Die Stadt schließt nicht aus, dass es sogar einen kompletten Neubau für die Vereine geben könnte. Und zwar nicht nur für jene, die momentan
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die Koepff-Remise nutzen. Und je nach Wunsch der Vereine könnte es dann neben einem reinen Lagerraum sogar einen Aufenthalts- und Versammlungsraum geben. Im ersten Halbjahr 2017 rechnet die Stadt mit weiteren Schritten in Sachen Vereinskonzept.
Bis dahin und wohl noch länger muss die alte Remise noch als Lagerraum dienen – auch wenn die dünne blaue Plane jederzeit von der nächsten Windböe wieder in Fetzen gerissen werden könnte. „Eine große Lösung wird es hier nicht geben“, sagt Sylvia Burg. Denn es gilt als äußerst unwahrscheinlich, dass das Land ein Provisorium zu einem etwas stabileren Provisorium ausbauen wird, wenn in einigen Jahren der Totalumbau ansteht. Rolf Damoune, Friedbert Hipp und Thomas Armbrüster wissen das auch – und hoffen darauf, dass die Plane solange hält.
Einen Rundgang durch die Remise sehen Sie im Video unter schwaebische.de/remise