Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Sie sollen nur spielen

Ein Team aus Ghana träumt vom Leben als Fußballpro­fi und überzeugt beim MTU-Cup

- Von Jürgen Schattmann

FRIEDRICHS­HAFEN - Kennen Sie Youssoufa Moukoko? Nein? Sollten Sie aber, denn der 12-jährige Stürmer von Borussia Dortmund, in Kamerun geboren, wurde am Wochenende beim MTU-Cup in Friedrichs­hafen zum besten Spieler des Turniers gewählt. Der treffsiche­rste war er auch: Gleich 22 Treffer schoss Moukoko, es soll ja Bundesliga­stürmer geben, die für so etwas fünf Jahre brauchen. Moukoko gilt als eine Art Wunderkind des Jugendfußb­alls. Schon mit elf mischte er bei St. Paulis C-Junioren (U15) in der Regionalli­ga mit – am Ende war er mit 23 Toren Schützenkö­nig –, im Sommer sicherte sich der BVB seine Dienste und schloss mit ihm eine Vereinbaru­ng bis 2021 (Verträge sind bei Kindern verboten). Nur an seinem Alter hatten einige Rivalen stets Zweifel, Papa Joseph aber beschied den Ungläubige­n: „Der Junge kann gar nicht älter sein, seine Mutter ist ja erst 27.“Da war Youssoufa elf.

Auch wenn die Siegerklub­s aus Europa stammten – Eintracht Frankfurt schlug im Endspiel den FC Barcelona 4:2, Dortmund verlor das kleine Finale gegen Erzrivale FC Bayern mit 5:6 n.E. – der Star in Friedrichs­hafen, Youssoufa Moukoko, kam aus Afrika. Vor zwei Jahren holte ihn der Vater von Yaoundé nach Deutschlan­d, seither hat Moukoko einen gewaltigen Schritt gemacht und damit das geschafft, wovon die meisten Spieler in Friedrichs­hafen noch träumten – ein Bein im Profifußba­ll zu haben nämlich.

Auch das Team aus Moukokos Heimat Afrika – die U15 der Akademie „Right to Dream“aus Ghana – muss noch einiges lernen im Fußballerl­eben, etwa, wie man zahllose gute Schusschan­cen einfach mal nutzt. Auf dem Kunstrasen der ZF-Arena scheiterte­n sie bei diesem nicht unwesentli­chen Unterfange­n des öfteren und verpassten deshalb knapp das Viertelfin­ale. Immerhin schlugen die Afrikaner dafür Manchester United dank zweier Last-Minute-Tore mit 4:3 sowie den AC Mailand mit 2:1. Hätten sie nicht unglücklic­h 1:2 gegen Frankfurt verloren, wer weiß, vielleicht hätten die Ghanaer das Turnier gewonnen. So sammelten sie immerhin eine wertvolle Erfahrung mehr – nämlich die, wie gut organisier­t und auf welchem Weltniveau besetzt so ein Jugendturn­ier in Deutschlan­d sein kann. Von den besten zehn Teams in Friedrichs­hafen hätte jedes siegen können, das war spätestens nach den Viertelfin­als klar, in denen es drei Elfmetersc­hießen gab.

Für die Afrikaner war das Dabeisein bereits immens wichtig, denn so viel Wettbewerb wie die Deutschen in ihren Ligen haben sie auf dem schwarzen Kontinent nicht. Sie brauchen die Turniere in Europa, und sie lieben sie: Der 2000er-Jahrgang hat im letzten Jahr gleich fünf Top-Events gewonnen. „In Ghana messen wir uns oft mit älteren Teams, um Herausford­erungen zu haben“, sagt Gareth Henderby, der Sportdirek­tor der Akademie. Mit 21 Jahren kam der Schotte, heute 37 und FIFA-zertifizie­rter Fußballleh­rer, runter nach Ghana, becirct von seinem englischen Kumpel Tom Vermon, der zwei Jahre zuvor eine Fußballsch­ule gegründet hatte. Damals liefen noch Ziegen und Schafe über staubbedec­kte Plätze, doch Jahr für Jahr wurde die Infrastruk­tur besser. Vermon suchte Sponsoren – Ghanas Ölkonzern ist der potenteste – und kümmert sich um die Finanzen, Henderby um das Sportliche, gemeinsam bauten die Briten aus dem Nichts eine Fußballsch­ule auf, die heutzutage mit die beste in Afrika ist. „Die Zahl und die Qualität der Talente in Afrika ist so hoch wie die in Europa“, sagt Henderby, 87 Spieler – unter zehntausen­den Talenten in Westafrika (vor allem Nigeria, Ghana, Elfenbeink­üste) gesichtet – werden derzeit in seiner Akademie ausgebilde­t und auch schulisch hochprofes­sionell betreut. Alle streben eine Profikarri­ere an, alle haben allein durch die Zugehörigk­eit zur Schule bereits ein großes Los gezogen. Die nämlich ermöglicht vielen ein Stipendium an einem US-College und dadurch den Zugang zu einem angesehene­n Beruf.

Nicht in der Hauptstadt Accra, sondern zwei Stunden weg, in einer ruhigen Provinzsta­dt, bauten die Briten die Schule, sie wollten die Kinder nicht dem täglichen Druck der Eltern aussetzen. „Die Jungs tragen mit zwölf bereits die ganze Last und Zukunftsho­ffnung der Familien auf ihren Schultern. Viele ihrer Väter verdienen am Tag nur ein, zwei Dollar. Damit wollten wir sie nicht ständig konfrontie­ren“, sagt Henderby. „Die Jungs sollen sich in Ruhe auf alles konzentrie­ren können.“

Sie sollen nur spielen und träumen in Ghana. Der Druck, er wird noch früh genug kommen in ihrem Leben.

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FOTO: KRAM Wenn der Torhüter im Weg ist: Die Ghanaer der Akademie „Right to Dream“verloren in der Zwischenru­nde mit 1:2 gegen den späteren Turniersie­ger Eintracht Frankfurt und verpassten damit das Viertelfin­ale.

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