Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Werners Schwalbe macht den Sommer
Leipzig spielt stark, braucht zum 2:1 gegen Schalke aber einen Elfmeter und ein Eigentor
LEIPZIG (SID/sz) - Die Schalker waren restlos bedient, vor allem Torhüter Ralf Fährmann spuckte nach der Andreas-Möller-Gedächtnisschwalbe Gift und Galle. „Das ist zum Kotzen, direkt am Anfang so ein Bein gestellt zu bekommen. Ich muss aufpassen, dass ich morgen keinen Herpes habe, wenn ich aufwache“, schimpfte Fährmann im Sky-Interview. Pikanterweise hatte Fährmann das Spitzenspiel mit den Worten angeheizt, Schalke wolle dem Emporkömmling zeigen, „wie ehrlicher, echter Bundesligafußball geht“. Und dann schindet RB-Stürmer Timo Werner beim 2:1 (1:1) für den Spitzenreiter nach nur 19 Sekunden einen unberechtigten Elfmeter und verwandelt ihn danach selbst zum 1:0.
Mit einem Tag Abstand gab der 20-jährige gebürtige Stuttgarter die grobe Unsportlichkeit auch in der Öffentlichkeit zu. „Natürlich sieht es dann nicht nur nach einer Schwalbe aus, sondern es ist eine – Punkt“, sagte Werner. Auch Trainer Ralph Hasenhüttl kam beim Studium der Fernsehbilder nicht umhin, Werners freien Fall als solchen anzuerkennen.
Am Ende stand wieder mal der Pranger für einen DFB-Schiedsrichter. Nachdem die Fernsehbilder wie auf dem OP-Tisch seziert und praktisch in Endlosschleife gesendet worden waren, musste Bastian Dankert (Rostock) kleinlaut eingestehen, dass ihm ein ähnlich gravierender Fehler unterlaufen war, wie schon beim klaren Handtor von Hannovers Leon Andreasen im Jahr 2015 gegen den 1. FC Köln. Damals wie heute hätte ein Videobeweis das ganze Theater verhindern können, wie DFBSchiedsrichterchef Lutz Michael Fröhlich einräumte. „Gerade für solche Situationen ist der Einsatz eines Videoassistenten sehr hilfreich. Durch die Kommunikation mit dem Videoassistenten hätte Bastian Dankert sich die Situation nochmal anschauen können und wäre dann sicher zu dem richtigen Ergebnis gekommen.“
Die Schalker waren allerdings auch deshalb so sauer, weil Dankert die Gelegenheit verstreichen ließ, die Sache auch ohne Videobeweis einer gerechten Lösung zuzuführen. Jeder erfahrene Schiedsrichter könnte wissen, dass solch geballte Proteste von Spielern meist einen triftigen Grund haben. Zudem soll Werner bereits auf dem Platz zugegeben haben, dass er nicht von Fährmann berührt wurde. Aber das will Dankert nicht gehört haben – obwohl er den Stürmer extra danach gefragt hatte.
„Ich habe dem Schiri gesagt, dass von Fährmann kein Kontakt ausging, sondern dass ich den Kontakt von Naldo gespürt habe“, sagte Werner: „Ich glaube, er hat es in der Hektik überhört.“Dankert schilderte seine Version so: „Es hat kein Gespräch zwischen mir und Timo Werner stattgefunden. Ich habe Werner vor dem Elfmeter gefragt: Was war denn? Aber da kam nichts und dann habe ich den Elfmeter ausführen lassen.“Das Zupfen von Naldo stufte Dankert anders als das vermeintliche Einsteigen von Fährmann als „nicht strafstoßwürdig“ein.
Dankerts Rolle in der Szene ist im besten Fall unglücklich. Mit etwas vom vielzitierten Fingerspitzengefühl hätte er es sich ersparen können, sich hinterher für die Fehlentscheidung entschuldigen zu müssen. Schon beim Handtor-Skandal hatte er Andreasen trotz aller Proteste überhaupt nicht gefragt, am Samstag tat er das bei Werner offenbar nur halbherzig. „Bei Leipzig und auch bei uns war hohes Tempo im Spiel – anscheinend zu viel für ihn“, ätzte Schalke-Trainer Markus Weinzierl Richtung Dankert.
In der Diskussion um den Strafstoß wurde fast vergessen, dass der Leipziger Sieg absolut verdient gewesen war. „Wir haben gegen eine sehr, sehr gute Mannschaft im Endeffekt verdient verloren“, gestand Sportvorstand Christian Heidel ein.
Nach zuvor zwölf Pflichtspielen in Folge ohne Niederlage hatten die Schalker mit dem Überfallfußball des Aufsteigers große Probleme. Die Leipziger Rasselbande bestand dagegen ihre nächste Reifeprüfung und steuert nach dem achten Sieg in Serie dem Showdown zum Jahresabschluss bei Rekordmeister Bayern München (21. Dezember) entgegen. „Wir haben sehr viel richtig gemacht“, sagte Hasenhüttl, „deswegen ist es schade, dass der Sieg auf die strittige Situation reduziert wird.“